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Ariadne auf Naxos (Vorspiel)

Vorspiel der Oper
Dichtung von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss

Herzog Blaubarts Burg

Oper in einem Akt
Dichtung von Béla Balász
Musik von Béla Bartók

Aufführungsdauer: ca. 2h 20' (eine Pause)

in deutscher Sprache (Strauss) und ungarischer Sprache (Bartók) mit deutschen Übertiteln

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 8. Mai 2022
(rezensierte Aufführung: 24.06.2022)


Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Zwei Teile nicht aus einem Guss


Von Thomas Molke / Fotos: © Björn Hickmann

Seit Berthold Schneider Intendant der Oper Wuppertal ist, hat er auch immer wieder experimentelle und ungewöhnliche Formate auf den Spielplan gestellt. So engagierte er beispielsweise für Jacques Offenbachs Hoffmanns Erzählungen in seiner ersten Spielzeit 2016/2017 für jeden Akt ein anderes Regie-Team (siehe auch unsere Rezension), verknüpfte zur Spielzeiteröffnung im zweiten Jahr Heiner Goebbels' Surrogate Cities mit dem 3. Akt aus Richard Wagners Götterdämmerung zu einer Geschichte (siehe auch unsere Rezension) und führte 2019 Igor Strawinskys Tanzkantate Les Noces mit seinem Opern-Oratorium Oedipus Rex zusammen (siehe auch unsere Rezension). Wer jetzt allerdings gehofft hat, dass in der letzten Produktion dieser Spielzeit auch ein Zusammenhang zwischen dem Vorspiel aus Richard Strauss' Oper Ariadne auf Naxos und Béla Bartóks zwei Jahre später uraufgeführten Oper Herzog Blaubarts Burg hergestellt würde, wurde enttäuscht. Die beiden Teile stehen zusammenhanglos nebeneinander und werden von zwei unterschiedlichen Regie-Teams in Szene gesetzt. Da fragt man sich sicherlich, wieso es neben der einaktigen Bartók-Oper ausgerechnet das Vorspiel aus Ariadne sein muss und nicht irgendein anderer Opern-Einakter gewählt wurde, wenn man Herzog Blaubarts Burg - anders als in Essen - nicht allein auf die Bühne stellen wollte. Dass man damit auf die immer noch andauernde Corona-Pandemie anspielen möchte, die dazu führt, dass häufig Produktionen verschoben, abgesagt und umdisponiert werden müssen, ist eher unwahrscheinlich, auch wenn der Haushofmeister am Ende des Vorspiels verkündet, dass die Oper Ariadne auf Naxos nun ausfallen werde. Dazu passt auch theoretisch, dass es drei krankheitsbedingte Umbesetzungen gibt.

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Das Ensemble ist enttäuscht, weil der Haushofmeister (Simon Stricker, Mitte) die Aufführung von Ariadne auf Naxos absagt.

Richard Strauss hatte ursprünglich mit seinem Kollegen Hugo von Hofmannsthal geplant, den Operneinakter Ariadne auf Naxos in das Schauspiel Le Bourgeois gentilhomme von Molière zu integrieren. Diesem Projekt, das 1912 zur Uraufführung kam, war allerdings nur ein mäßiger Erfolg beschieden. Hinzu war der finanzielle Aufwand für diese Produktion, die sowohl ein ganzes Schauspiel- als auch ein Opernensemble erforderte, zu hoch, so dass Hofmannsthal und Strauss der Oper ein Vorspiel im Parlandostil voranstellten. Als einzige Sprechrolle blieb der Haushofmeister übrig, der in Wuppertal von dem Bariton Simon Stricker gespielt wird. Mit weißer Perücke und weißem Anzug wirkt er wie ein Relikt aus vergangenen Tagen. Ansonsten sind in der Inszenierung von Bernd Mottl die Vorbereitungen für die Oper Ariadne auf Naxos in einer scheinbar recht modern gehaltenen Inszenierung in vollem Gange. Ein riesiges aus zahlreichen grauen Fässern geformtes N, ein X, das scheinbar aus zusammengebundenen Wäscheständern besteht und zahlreiche Fotos zeigt, und ein S aus PET-Flaschen dominieren das Bühnenbild von Friedrich Eggert. Das A liegt noch in glänzendem Gold auf der Boden, und für das O kommt ein weißes Schlauchboot zum Einsatz. Bühnenarbeiter arbeiten noch an der Fertigstellung, und wenn die Buchstaben gerade zum Wort Naxos zusammengesetzt werden sollen, kommt die Ansage des Haushofmeisters, dass die Oper nun nicht mehr stattfinden werde. Das Publikum mag dies auch musikalisch bedauern, da das Ensemble stimmlich im Vorspiel überzeugt, und auch Patrick Hahn mit dem Sinfonieorchester Wuppertal einen klangvollen Zugang zu Strauss findet.

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Die Komponistin (Catriona Morison, links) und Zerbinetta (Anna Martha Schuitemaker, rechts) finden bei den Proben zueinander.

Die Hosenrolle des Komponisten formt Mottl in seiner Inszenierung zu einer Komponistin um, die von Catriona Morison mit kraftvollem Mezzosopran und leuchtenden Höhen interpretiert wird. Darstellerisch nimmt man ihr die Verzweiflung der Komponistin darüber ab, dass ihre ernste Oper nun mit einer Komödie kombiniert werden soll. Das Ensemble für die Oper wird dabei optisch wunderbar karikiert. Elena Fink, die für Mercy Malieloa einspringt, zeichnet die Primadonna schmuckbehangen in ausladendem Pelzmantel als exaltierte Künstlerin. Sangmin Jeon wirkt mit seiner Langhaarperücke als Tenor nicht weniger speziell. Auch die drei Tänzerinnen, die als Echo, Najade und Dryade auf der Bühne trainieren, unterstreichen den hehren Anspruch, den die Komponistin mit ihrer Oper hat. In diese Welt fällt dann Zerbinetta mit ihrer Truppe ein, die teilweise in fantasievollen Tierkostümen auftritt und einen starken Gegensatz zur Opernwelt bildet. Aber so wie Zerbinetta und die Komponistin schließlich zueinander finden und eine gemeinsame Aufführung im Bereich des Möglichen zu sein scheint, passt sich auch Zerbinetta optisch der hehren Opernwelt ein wenig an und tritt am Ende des Vorspiels in einem langen grünen Kleid auf, das sie beinahe wie eine Wassernixe erscheinen lässt. Anna Martha Schuitemaker stattet die Partie der Zerbinetta mit strahlenden Höhen aus und findet stimmlich mit Morison zu einer bewegenden Innigkeit.

Für den zweiten Teil des Abends, Herzog Blaubarts Burg, findet das Regieteam um Philipp Grigorian einen Zugang, der eigentlich die Geschichte ein wenig verfälscht und nicht zum gesungenen Text passen dürfte. Aber da die Oper auf Ungarisch gesungen wird, so dass ein Großteil des Publikums den gesungenen Text sicherlich nicht versteht, hat man bei der Übertitelung natürlich die Möglichkeit, den übersetzten Text dem Geschehen auf der Bühne anzupassen. Hinzu kommt, dass Bartóks Oper im traditionellen Sinn gar keine richtige Handlung hat. Sie basiert auf einer alten Legende und einem Märchen von Charles Perrault, wonach der Herzog Blaubart, ein reicher, mächtiger Mann, der seine bisherigen Frauen ermordet hat, eine junge Frau heiratet, die die Wahrheit ans Licht bringen will. Im Märchen gelingt es der namenlosen Frau, mit Hilfe ihrer Brüder, Blaubart zu töten. In der Dichtung von Béla Balász, der das Libretto zu Bartóks Oper verfasst hat, bekommt sie den Namen Judith und öffnet gemeinsam mit Blaubart die einzelnen Türen. Hinter der letzten Tür befinden sich die drei früheren Frauen Blaubarts als Verkörperung der Tageszeiten Morgen, Mittag und Abend, und Judith muss ihren Vorgängerinnen hinter die letzte Tür als Verkörperung der Nacht folgen.

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Blaubart (Ralf Lukas) und seine Frauen: von links: Blaubarts Frau (Philippine Pachl), Judith (Khatuna Mikaberidze), Blaubarts Mutter (Christine Kättner) und Judiths Mutter (Christine Mühlberger)

In Grigorians Inszenierung handelt es sich bei den drei Frauen, die Judith normalerweise hinter der siebten Tür vorfindet, um Blaubarts Mutter (Christine Kättner), Blaubarts derzeitige Frau (Philippine Pachl) und Judiths Mutter (Christine Mühlberger), die sich wahrscheinlich von Blaubart nach einer kurzen Beziehung getrennt hat. Judith ist demnach nicht seine nächste Frau, sondern seine Tochter, die an sein Krankenbett kommt. Blaubart hat nicht mehr lange zu leben. Seine derzeitige Frau pflegt ihn als Krankenschwester. Die Bühne, für die ebenfalls Grigorian verantwortlich zeichnet, zeigt einen hohen Raum, in dem Blaubarts Krankenbett steht. Bevor die Oper beginnt, teilt Blaubarts Mutter seiner Frau ein wenig verbittert mit, dass sich jetzt die Presse wahrscheinlich auf Blaubarts angeblich dunkle Vergangenheit stürzen werde, obwohl er doch stets ein guter Mann gewesen sei, was man aber bei den folgenden Offenbarungen hinter den sieben Türen bezweifeln darf. Judith kommt nun zu ihrem Vater, den sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gesehen hat, und erhält sieben schwarze Aktenordner, die Blaubart aus einem Tresor hinter dem Bett holt und in denen Blaubarts Vergangenheit ans Tageslicht kommt. Wenn Judith einen Ordner, der für jeweils eine Tür steht, öffnet, wird eine Rückwand des Bühnenbildes nach oben gezogen und gibt Einblick in Blaubarts dunkle Machenschaften. Grigorian findet dafür sehr symbolträchtige Bilder.

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Judith (Khatune Mikaberidze) öffnet mit Blaubart (Ralf Lukas) die erste Tür.

Die ersten beiden Bilder sind von großer Gewalt geprägt, die Blaubart wahrscheinlich zu Beginn anwenden musste, um sich seine Machtposition zu erarbeiten. Was allerdings der an Christus erinnernde Mann im ersten Bild soll, der wie an ein Kreuz geschlagen an einem Pfahl steht, erschließt sich dabei weniger als die zahlreichen toten Menschen an einem Stacheldrahtzaun. Als drittes Bild sieht man einen Ölförderturm, mit dem Blaubart wohl einerseits seine Macht ausgebaut, andererseits aber auch die Umwelt grausam zerstört hat, wie ein Netz über dem in blutrotes Licht getränkten Förderturm andeutet. Das vierte Bild wirkt mit einem aus weißen Blumen geformten Hochzeitskleid regelrecht verlockend und zeigt, wieso Blaubart auf die Frauen eine derartige Faszination ausüben konnte. Bei der fünften Tür scheint Blaubart dann aus dem Leben zu scheiden. Er wird nämlich selbst Teil seiner Bilder und durchschreitet eine Tür in gleißendem Licht. Nun taucht auch Judiths Mutter auf, die scheinbar zum Leichenschmaus angereist ist. Das Bett wird aus dem Zimmer gefahren, und die Frauen versammeln sich im Sterbezimmer zum Kaffeetrinken. Die Öffnung der letzten Tür scheint dann die Testamentsverkündung zu sein. Jede der Frauen erhält ihren Teil aus dem Vermögen. Dann verschwindet Blaubart hinter der sich senkenden Rückwand und lässt die Frauen im Dunkel zurück.

Ralf Lukas stattet die Partie des Blaubart mit dunkel gefärbtem Bariton und großer Autorität aus. Auch als schwerkranker Mann wirkt dieser Blaubart noch bedrohlich. Khatuna Mikaberidze punktet als Judith mit großem dramatischem Mezzosopran und intensivem Spiel. Patrick Hahn taucht mit dem Sinfonieorchester Wuppertal eindrucksvoll in die expressive und psychologische Klangsprache Bartóks ein. Diese Inszenierung hätte den Opernabend auch allein getragen.

FAZIT

Ob das Vorspiel von Strauss' Ariadne auf Naxos für sich allein bestehen kann, ist Geschmacksache. Für den zweiten Teil des Abends, Herzog Blaubarts Burg, findet man in Wuppertal eine spannende Neudeutung.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Patrick Hahn

Sinfonieorchester Wuppertal

Statisterie der Wuppertaler Bühnen

Ariadne auf Naxos (Vorspiel)

Inszenierung
Bernd Mottl

Bühne und Kostüme
Friedrich Eggert

Choreographie
Luca Völkel

Dramaturgie
Marie-Philine Pippert

Besetzung

*rezensierte Aufführung

Der Haushofmeister
Simon Stricker

Ein Musiklehrer
Ralf Lukas

Die Komponistin
Catriona Morison

Der Tenor, ein Offizier
Sangmin Jeon

Ein Tanzmeister
Mark Bowman-Hester /
*Nando Zickgraf

Primadonna
Mercy Malieloa /
*Elena Fink

Zerbinetta
Anna Martha Schuitemaker

Ein Perückenmacher
Marco Agostini

Ein Lakai
Javier Horacio Zapata Vera /
*Bojan Heyn

Echo
Luca Völkel /
*Stina Schnickmann

Najade
Elena Palombieri

Dryade
*Irene Nocella /
Stina Schnickmann

Harlekin
Oliver Müller

Scaramuccio
Thomas Weber

Truffaldino
Nadine Funk

Brighella
Kia Kirsch

 

Herzog Blaubarts Burg

Inszenierung und Bühne
Philipp Grigorian

Kostüme
Vlada Pomirkovanaya

Dramaturgie
Ilya Kukharenko
Marie-Philine Pippert

Besetzung

Herzog Blaubart
Ralf Lukas

Judith
Khatuna Mikaberidze

Blaubarts Frau
Philippine Pachl

Blaubarts Mutter
Christine Kättner

Judiths Mutter
Christine Mühlberger

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



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