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Tristan und Isolde

Handlung in drei Aufzügen
nach dem Versroman Tristan von Gottfried von Straßburg
Musik und Text von Richard Wagner

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5 h 10' (zwei Pausen)

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 22. Oktober 2023


Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Versunken im Meer der Emotionen

Von Thomas Molke / Fotos: © Matthias Jung

Nachdem zu Beginn der Spielzeit das Opernhaus noch 12 Wochen für den Vorstellungsbetrieb gesperrt war, um die Schäden zu beheben, die das Hochwasser im Juli 2021verursacht hatte, bei dem 2 Millionen Liter Wasser in die Unterbühne gespült worden waren und einen Großteil der Technik lahmgelegt hatten, sind die Renovierungsarbeiten nun abgeschlossen, und das Haus kann wieder im vollen Umfang bespielt werden. Das muss natürlich mit einem großen Meisterwerk der Opernliteratur gefeiert werden, und so hat Rebekah Rota, die ab dieser Spielzeit die Intendanz der Oper Wuppertal übernommen hat, Richard Wagners Tristan und Isolde ausgewählt. Das Werk stand hier zuletzt 2009 in der Inszenierung des damaligen Intendanten Gerd Leo Kuck auf dem Spielplan und mag dem einen oder anderen Wuppertaler Wagner-Anhänger noch in guter Erinnerung sein (siehe auch unsere Rezension). Von daher wird hier ein schweres Erbe angetreten. Die Regie, für die Martin Andersson und Edison Vigil im Doppel-Team verantwortlich zeichnen, kann den Vergleich mit der damaligen Produktion aber durchaus aufnehmen, auch wenn sie bei allem Jubel im Publikum nicht nur Zustimmung findet.

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Tristan (Samuel Sakker) und Isolde (Stéphanie Müther) auf der Überfahrt nach Kornwall

Dass Wagner selbst das Werk als "Handlung in drei Aufzügen" beschrieben hat, mag ein wenig verwundern, denn allzu viel Handlung weist die Oper trotz ihrer Länge von rund vier Stunden reiner Spielzeit nicht auf. Der eigentliche Hauptteil der Aktion hat bereits stattgefunden, wenn sich der Vorhang hebt. Im Anschluss erlebt man ein wort- und klanggewaltiges Drama über einen der wohl traurigsten Ehebrüche der Operngeschichte, der schwer in eine Erzählung zu übersetzen ist, die den Spannungsbogen nicht allein der Musik überlässt. Das Regie-Team setzt zum großen Teil auf Videoprojektionen und teilt sich in eine Video-Regie, für die Andersson verantwortlich zeichnet, und eine Bühnen-Regie auf, die Vigil übernimmt. Schon während des grandiosen Vorspiels, das der Wuppertaler Generalmusikdirektor Patrick Hahn wunderbar emotional mit dem Sinfonieorchester Wuppertal präsentiert, blickt man auf das seichte Wogen des Meeres, das auf einen Gaze-Vorhang vor der Bühne projiziert wird, und möchte bei der leidenschaftlichen Musik in diesen Wogen versinken. So stellt man sich den Blick vom Schiff vor, das die irische Königstochter Isolde als Braut zu König Marke nach Kornwall bringt.

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Isolde (Stéphanie Müther, rechts) beklagt vor Brangäne (Jennifer Feinstein, links) ihr Schicksal (im Hintergrund links: Sangmin Jeon als junger Seemann, im Hintergrund Mitte: Martijn Sanders als Kurwenal).

Das Bühnenbild von Lukas Noll ist relativ abstrakt und spartanisch gehalten. Im Hintergrund auf der linken Seite sieht man eine Treppe mit dem jungen Seemann, der von Sangmin Jeon mit lyrischem Tenor interpretiert wird. Davor deuten zwei bewegliche helle Bühnenelemente den Schiffsrumpf an. Darüber schwebt ein Segel, auf das eigentlich die Vorgeschichte projiziert werden soll, die während des ersten Aufzugs als Rückblende mit Vigil als Isoldes von Tristan ermordetem Verlobten Morold gezeigt werden soll. Da allerdings Kirstin Sharpin, die eigentlich in Wuppertal ihr Haus-Debüt in der weiblichen Titelpartie geben sollte, die Premiere wegen Erkrankung absagen musste und Stéphanie Müther als Isolde eingesprungen ist, werden die Video-Einspielungen im ersten Aufzug weggelassen, da sie Sharpin gezeigt hätten und das beim Publikum vielleicht für Verwirrung gesorgt hätte. So sieht man im Hintergrund nur als Projektion die friedlich wogende See. Stéphanie Müther begeistert als Isolde nicht nur mit kraftvollen Spitzentönen, die die Verzweiflung der jungen Frau deutlich machen, sondern punktet auch durch eine hervorragende Textverständlichkeit, so dass man bei ihr die Übertitel eigentlich gar nicht benötigt hätte. Auch Jennifer Feinstein lässt als Brangäne mit jugendlich frischem Mezzosopran aufhorchen. Darstellerisch bewegend trifft sie die Entscheidung, den Todestrank durch einen Liebestrank auszutauschen, der schlussendlich in die Katastrophe führt. Der Trank wird dann ganz klassisch in einer Schale überreicht.

Als Tristan ist Samuel Sakker als Gast zu erleben. Im ersten Aufzug wirkt sein baritonal gefärbter Tenor neben Müther noch ein wenig blass. Im weiteren Verlauf des Abends steigert er sich jedoch und findet in seiner großen Szene im dritten Aufzug zu bewegender Dramatik. Martijn Sanders stattet seinen getreuen Gefährten Kurwenal mit kraftvollem Bariton aus. Zu Beginn ist die Personenregie von Müther und Sakker recht statisch gehalten. Das ändert sich nach dem Genuss des Liebestrankes.

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"O sink hernieder, Nacht der Liebe": Tristan (Samuel Sakker) und Isolde (Stéphanie Müther)

Der zweite Aufzug führt zu Beginn des musikalischen Vorspiels in einer Videoprojektion durch eine Art düstere Gruft, in der immer wieder verschiedene Steinfiguren erscheinen. Es verwundert nicht, dass sich Isolde in dieser Umgebung unwohl fühlt. Ein verziertes Tor deutet den Übergang zum Garten an, in dem sich Tristan und Isolde zum Rendezvous verabredet haben. Eine einsame Flamme brennt auf der rechten Bühnenseite, die Isolde verlöschen lässt, um Tristan das vereinbarte Zeichen zu geben. Für die große Liebesszene im zweiten Aufzug lässt Andersson in einer Projektion im Hintergrund einen finsteren Zauberwald entstehen, der im Verlauf der Szene regelrecht zu wuchern beginnt. Auch aus dem Bühnenboden vor der Projektion wachsen riesige Pflanzen, die eigentlich die verbotene Liebe vor der Außenwelt zu verbergen versuchen. Aber ein riesiges Feuer verrät die beiden Liebenden. Die Pflanzen versinken im Schein des Feuers im Boden. Was in der Projektion zurückbleibt, ist verbrannte Erde, die die Ausweglosigkeit der Situation eindringlich beschreibt. Zuvor finden Müther und Sakker im berühmten Duett "O sink hernieder, Nacht der Liebe" zu einer betörenden Innigkeit. Die gekippte Eisentür im Hintergrund hat sich in eine, wenn auch sicherlich etwas unbequeme, Schlafstätte verwandelt. Mahnend tönen Brangänes Rufe aus dem Off, doch vergeblich. Es kommt zur Katastrophe. Jason Lee verleiht dem Melot einen hellen, der Rolle angemessenen schneidenden Tenor. Erik Rousi gibt den betrogenen König mit verletztem, dunkel gefärbtem Bassbariton.

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Tristan (Samuel Sakker, rechts) wartet mit Kurwenal (Martijn Sanders, links) auf Isolde.

Im letzten Aufzug sieht man zunächst wieder das Meer vom Anfang. Dieses Mal führt es wohl nach Kareol, wohin Kurwenal den tödlich verwundeten Tristan gebracht hat. Die Bühne stellt nun eine riesige dunkle Höhle dar, in der Tristan mit Kurwenal auf die Ankunft Isoldes wartet. Der mittlere Teil ist geflutet und führt mit einer ausgeklügelten Lichtregie direkt ins Meer hinaus, das hinter der Höhle in einer Projektion zu erkennen ist. Hier läuft Sakker stimmlich zu Höchstform auf und punktet bis zum Schluss mit kraftvoll ausgesungenen Höhen. Jeon übernimmt auch die Partie des Hirten, der für Kurwenal Ausschau nach Isolde hält, und überzeugt erneut mit leuchtendem Tenor. Tristans Erinnerungen an Isolde, die ihn zunächst am Leben halten, werden in Filmeinspielungen visualisiert. Doch als Isolde ankommt, ist es zu spät. Bewegend stirbt er in ihren Armen, und Isolde legt sich relativ apathisch auf Tristans Krankenlager. Den Kampf zwischen Kurwenal und Melot nimmt sie gar nicht mehr wahr. Auch Markes Vergebung kann sie nicht mehr erreichen. Stattdessen verliert sie sich im Todeswunsch und setzt zum berühmten Liebestod "Mild und leise" an. Müther punktet auch hier wieder durch intensive Dramatik und schreitet langsam ins Wasser, um im Meer zu versinken. Das Schlussbild geht unter die Haut, so dass nicht nachvollziehbar ist, wieso es für diesen Regie-Ansatz vereinzelte Unmutsbekundungen gibt. Die Solistinnen und Solisten, der von Ulrich Zippelius einstudierte und um den Extrachor erweiterte Herrenchor der Wuppertaler Bühnen und das Sinfonieorchester Wuppertal mit ihrem GMD Patrick Hahn werden jedenfalls zu Recht mit großem Jubel vom Publikum gefeiert.

FAZIT

Das Regie-Team um Martin Andersson und Edison Vigil erzählt die tragische Liebesgeschichte in eindrucksvollen Bildern ohne unnötigen Schnickschnack. Die musikalische Leistung überzeugt auf ganzer Linie.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Patrick Hahn

Konzept und Regie Video
Martin Andersson

Regie Bühne
Edison Vigil

Bühne
Lukas Noll

Kostüme
Dorothee Joisten

Choreinstudierung
Ulrich Zippelius

Dramaturgie
Laura Knoll

 

Sinfonieorchester Wuppertal

Herren des Opernchors und des Extrachors der
Wuppertaler Bühnen


Solistinnen und Solisten

*Premierenbesetzung

Tristan
Samuel Sakker

König Marke
Erik Rousi

Isolde
*Stéphanie Müther /
Kirstin Sharpin

Kurwenal
Martijn Sanders

Melot
Jason Lee

Brangäne
Jennifer Feinstein

Ein Hirt / Stimme eines jungen Seemanns
Sangmin Jeon

Ein Steuermann
Andreas Heichlinger

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



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