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Musiktheater
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Erwartung

Monodram in einem Akt
Libretto von Marie Pappenheim
Musik von Arnold Schönberg

Der Wald

Musikdrama in einem Akt mit Prolog und Epilog
Musik und Libretto von Ethel Smyth

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1 h 45' (keine Pause)

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 7. April 2024


Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Wald als Fenster in die Tiefen der Seele

Von Thomas Molke / Fotos: © Björn Hickmann

Dass zwei Operneinakter zu einem Opernabend zusammengefasst werden, ist grundsätzlich nichts Neues. In Wuppertal ist in diesem Zusammenhang aber jetzt doch etwas sehr Außergewöhnliches in mehrerlei Hinsicht zu erleben. Zum einen stammen die beiden ausgewählten Stücke zwar aus einer Zeit, schlagen allerdings musikalisch völlig unterschiedliche Wege ein. Zum anderen werden sie, obwohl sie von einer Komponistin und einem Komponisten stammen, miteinander verbunden, und bilden dabei inhaltlich eine Einheit, ohne dass die beiden erzählten Geschichte im eigentlichen Sinne zusammengehören. Beide eint der Wald als Ort der Handlung. Einen Wald bekommt man auf der Bühne nicht. Der ist dem Opernfoyer vorbehalten. Zur Einstimmung auf diese Premiere hat man nämlich das Foyer mit zahlreichen Bäumen und Blumengestecken auf den Tischen geschmückt. Ergänzt wird die Dekoration noch durch zahlreiche Tiere aus dem Fundus. Diese themenbezogene Gestaltung des Foyers scheint ein Markenzeichen von Rebekah Rota zu sein, die zu Beginn der Spielzeit die Intendanz der Wuppertaler Bühnen übernommen hat und bis jetzt einen sehr abwechslungsreichen Spielplan präsentiert hat.

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Erwartung: Eine Frau (Hanna Larissa Naujoks) auf der Suche

Den Anfang macht das Monodram Erwartung von Arnold Schönberg. Obwohl Schönberg als Entwickler der sogenannten Zwölftonmusik einen großen Bekanntheitsgrad genießt, fristen seine Werke eher ein Schattendasein. Die "Emanzipation der Dissonanz" ist wohl nichts, was das gängige Opern- oder Konzertpublikum liebgewonnen hat. Dabei steht die Komposition Erwartung noch ganz am Anfang von Schönbergs kompositorischen Entwicklung und ist noch stark im Expressionismus behaftet. Obwohl Schönberg die Komposition bereits 1909 abschloss, erlebte das Werk erst am 6. Juni 1924 seine Uraufführung im Rahmen des Musikfests der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik am Neuen Deutschen Theater in Prag unter der Leitung von keinem Geringeren als Alexander von Zemlinsky. Das Libretto schuf die junge Ärztin und Schriftstellerin Marie Pappenheim, deren beruflicher Umgang mit zahlreichen Psychiatern und Psychologen sich in der Struktur der Geschichte niederschlug. In rund 30 Minuten Spielzeit wird das Seelenleben einer namenlosen Frau ausgebreitet, das sich in einer wesentlich kürzeren Zeitspanne abspielt. Eine Frau irrt auf der Suche nach ihrem Geliebten durch einen dunklen Wald und stößt plötzlich auf seine Leiche, ohne zu wissen, wie er zu Tode gekommen ist.

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Der Wald: Heinrich (Sangmin Jeon) zwischen Röschen (Mariya Taniguchi, links mit dem Burschen) und Jolanthe (Edith Grossman, rechts)

Im Gegensatz dazu hat Ethel Smyths Musikdrama Der Wald eine richtige Handlung. Im Dorf wird die bevorstehende Hochzeit von Röschen mit dem Holzfäller Heinrich gefeiert. Doch die Geliebte des Landgrafen Rudolf, Jolanthe, die von vielen als Hexe gefürchtet wird, unterbricht das fröhliche Treiben und umgarnt Heinrich. Heinrich weist ihre Avancen schroff zurück und schwört Röschen die Treue. Da wird ein Reh entdeckt, das Heinrich verbotener Weise für die Hochzeit gejagt hat. Der Landgraf Rudolf sieht darin die Chance, den unliebsamen Nebenbuhler loszuwerden, da auf Wilderei die Todesstrafe steht. Jolanthe bietet Heinrich an, ihn zu retten, wenn er Röschen verlässt. Selbst Röschen drängt ihn aus Liebe, dem Verlangen Jolanthes nachzugeben. Doch Heinrich bleibt standhaft und geht entschlossen seinem Schicksal entgegen. Smyth hat neben der Musik gemeinsam mit ihrem langjährigen Wegbegleiter Henry Brewster das Libretto in deutscher Sprache verfasst. Als erste Frau schaffte sie es nämlich, am Leipziger Konservatorium Komposition zu studieren. Die am 9. April 1902 an der Hofoper Berlin uraufgeführte Oper war bereits ihr zweites Werk, das in Deutschland herauskam, und schaffte es ein Jahr später sogar auf die Bühne der Metropolitan Opera New York. Musikalisch lassen sich spätromantische Anklänge an Wagner und Brahms heraushören. Mit Letzterem stritt sie leidenschaftlich darüber, ob Frauen überhaupt in der Lage seien, Opern zu komponieren.

Die beiden Stücke werden nicht nur ohne Pause durchgespielt, sondern greifen auch inhaltlich ineinander. Das Regie-Team um Manuel Schmitt siedelt Schönbergs Erwartung in der Empfangshalle eines Hotels an. An der Wand prangt ein relativ abstraktes Bild, das sich mit einiger Phantasie als Waldlandschaft deuten lässt. Die Frau geht zur Rezeption, wartet dort allerdings vergeblich auf die Ankunft eines Portiers. Durch die Tür schaut nach kurzer Zeit ein Clown herein, der sich später als Hausierer im zweiten Stück des Abends vorstellt. Auch der Holzfäller Heinrich tritt hier bereits als stumme Figur auf. Es lässt sich vermuten, dass es sich hierbei um den Geliebten der Frau handelt, den sie sucht. Eine weitere Verbindung zum zweiten Stück ist das Reh, das sie in einem Schrank auf der rechten Seite findet und wie ein Schmuckstück liebkost. Am Ende greift sie zu Heinrichs Axt und zerstört das Gemälde an der Rückwand. So steigt sie gewissermaßen in den Wald ein, in dem das zweite Stück beginnt.

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Zwei Frauen oder doch nur eine? Röschen (Mariya Taniguchi, links) und die Frau (Hanna Larissa Naujoks, rechts) (rechts und links außen: Opern- und Extrachor)

Während die Rückwand emporgezogen wird und den Blick auf einen tiefen Raum freigibt, in dessen Öffnung im Hintergrund zwei einsame kahle Bäume zu erkennen sind, schreitet die Frau zur Öffnung im Hintergrund, während der Chor der Waldgeister an die Vergänglichkeit des Menschen erinnert. Zur gleichen Zeit taucht Röschen auf, die ein ähnliches weißes Kleid trägt und die gleiche Frisur hat. Röschen ist wie die Frau aus dem ersten Teil besorgt, aber nicht weil sie ihren Geliebten vermisst, sondern weil das Horn, das Jolanthes Ankunft verkündet, Unheil verheißt. Als Heinrich dann auch noch mit dem gewilderten Reh auftaucht, ist Röschen völlig verzweifelt, weil sie um das Leben ihres Bräutigams fürchtet. Smyth entwickelt für das Duett zwischen den beiden Liebenden eine fulminante Klangsprache, die durch lyrische Zeichnung begeistert. Anders verhält es sich mit der Musik für Jolanthe, die wesentlich kühler und berechnender gezeichnet wird. Es kommt zum großartigen dramatischen Kampf um Heinrich. Am Ende tritt zu Röschen und Jolanthe die Frau aus dem ersten Teil des Abends, geht auf Heinrich zu und sticht ihn nieder. Ist sie es doch selbst gewesen, die ihren Geliebten getötet hat? Diese Frage bleibt offen.

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Heinrich (Sangmin Jeon) weist Jolanthe (Edith Grossman) zurück.

Patrick Hahn führt das Sinfonieorchester Wuppertal mit sicher Hand durch die beiden sehr gegensätzlichen Partituren und arbeitet die eher schroffen Töne Schönbergs genauso expressiv heraus, wie er in den spätromantischen Klängen von Smyths Tonsprache schwelgt. Die Musik korrespondiert sehr gut mit den Bildern die Julia Katharina Berndt im Bühnen- und Kostümbild schafft, auch wenn nicht ganz klar wird, wieso der Bursche, der den Hausierer begleitet, bisweilen als Bär auftritt. Der um den Extrachor erweiterte Opernchor der Wuppertaler Bühnen leistet unter der Leitung von Ulrich Zippelius Gewaltiges und begeistert durch homogenen Klang und intensives Spiel. Auch die Solistinnen und Solisten lassen keine Wünsche offen. Hanna Larissa Naujoks stattet die namenlose Frau aus Schönbergs Erwartung mit kraftvollem Mezzosopran und klaren Höhen aus. Mit variabler Stimmführung macht sie die seelische Achterbahn, die die Frau erlebt, spürbar. Mariya Taniguchi begeistert als Röschen mit strahlendem Sopran und großen dramatischen Bögen. Sangmin Jeon glänzt als Heinrich mit kraftvollen Höhen und schlägt musikalisch ein ganz neues Kapitel auf neben den eher lyrischen Partien, mit denen er sich in den letzten Spielzeiten in die Herzen des Wuppertaler Publikums gesungen hat. Edith Grossman verleiht der Jolanthe mit dunkel gefärbtem Mezzosopran die Gefährlichkeit, die alle Dorfbewohner fürchten, und zeigt sich als starke Frau, die für Smyth in ihrer von Männern dominierten Zeit vielleicht auch einen gewissen Vorbildcharakter gehabt hat. Samueol Park überzeugt als Landgraf Rudolf mit weichem Bariton, der dem Charakter des Landgrafen entspricht. Auch die übrigen kleineren Partien sind gut besetzt. So gibt es für alle Beteiligten am Ende großen und verdienten Applaus.

FAZIT

Arnold Schönbergs Erwartung bildet in Schmitts Inszenierung eine wunderbare Einheit mit Smyths Der Wald, und Smyths Musiksprache versöhnt  mit den eher anstrengenden Klängen Schönbergs.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Patrick Hahn /
Johannes Witt

Inszenierung
Manuel Schmitt

Bühne und Kostüme
Julia Katharina Berndt

Choreinstudierung
Ulrich Zippelius

Dramaturgie
Laura Knoll

 

Sinfonieorchester Wuppertal

Opernchor der
Wuppertaler Bühnen

Extrachor der
Wuppertaler Bühnen

OpernClub-Kids Wuppertal


Solistinnen und Solisten

Eine Frau
Hanna Larissa Naujoks

Landgraf Rudolf
Samueol Park

Iolanthe
Edith Grossman

Heinrich
Sangmin Jeon

Peter
Erik Rousi

Röschen
Mariya Taniguchi

Ein Hausierer
Zachary Wilson

Ein Bursche
Nika Dönges /
Mira Ilina

Ein Jäger
Hak-Young Lee

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



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