Wuppertal. . Wuppertal zeigt Helmut Oehrings Oper „AscheMond oder The Fairy Queen“. Wir sagen, warum das Stück trotz großartiger Sänger nicht funktioniert.

Ein Wartesaal im Nirgendwo wird zur Transitstation für gesichtslose Menschen in uniformen beigefarbenen Trenchcoats. Sie alle hoffen auf Verwandlung. „Musik soll für eine Weile / all deinen Kummer stillen“ singt Countertenor Hagen Matzeit. Das ist ein Glücksversprechen, welches die Oper „AscheMond oder The Fairy Queen“ in Wuppertal jetzt nicht einlösen kann. Denn die Teiluraufführung des Werkes von Komponist Helmut Oehring ist vor allem eines: lang. Und statisch.

Die Produktion versammelt wunderbare Texte von William Shakespeare, Heinrich Heine, Adalbert Stifter und Helmut Oehring selbst, in deren Zentrum Stifters „Sonnenfinsternis am 8. Juli 1842“ steht. So wie Erde, Mond und Sonne einander umkreisen und in den Schatten stellen, so sind auch die Menschen bewegliche Körper, die Anziehung verspüren und sich doch nicht nahe kommen können.

Gebärdensolistin

Normalerweise ist in der Oper der Gesang Ausdruck des psychischen „außer sich Seins“; in „AscheMond“ jedoch übernimmt die Gebärdensprache diese Rolle. Die Gebärdensolistin Kassandra Wedel ist Mond und Fairy Queen und die Erinnye Alecto, sie begleitet die Menschen bei ihrem Rennen durch das unaufhörliche Hamsterrad von Geburt und Tod, Liebe und Gewalt. Dazu wandert Manfred Böll als Erzähler auf der Suche nach dem Freund durchs Bild.

"AscheMond" in der Oper Wuppertal

Premiere von Helmut Oehrings
Premiere von Helmut Oehrings "AscheMond" in der Oper Wuppertal am 29. Januar 2017. © Wil van Iersel
Premiere von Helmut Oehrings
Premiere von Helmut Oehrings "AscheMond" in der Oper Wuppertal am 29. Januar 2017. © Wil van Iersel
Premiere von Helmut Oehrings
Premiere von Helmut Oehrings "AscheMond" in der Oper Wuppertal am 29. Januar 2017. © Wil van Iersel
Premiere von Helmut Oehrings
Premiere von Helmut Oehrings "AscheMond" in der Oper Wuppertal am 29. Januar 2017. © Wil van Iersel
Premiere von Helmut Oehrings
Premiere von Helmut Oehrings "AscheMond" in der Oper Wuppertal am 29. Januar 2017. © Wil van Iersel
Premiere von Helmut Oehrings
Premiere von Helmut Oehrings "AscheMond" in der Oper Wuppertal am 29. Januar 2017. © Wil van Iersel
Premiere von Helmut Oehrings
Premiere von Helmut Oehrings "AscheMond" in der Oper Wuppertal am 29. Januar 2017. © Wil van Iersel
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Als Konzept ist das Stück faszinierend, als theatralisches Werk scheitert es an dem Anspruch, eben keine Einzelcharaktere vorzuführen, sondern Aussagen über Gruppen treffen zu wollen. Da nicht nur der Opernchor aktiv wird, sondern auch Solisten, ist dieses Konzept von vorneherein obsolet. In dem Augenblick, wo Ralitsa Ralinova (Sopran), Nina Koufochristou (Sopran), Catriona Morison (Mezzo), Christian Sturm (Tenor), Simon Stricker (Bariton) und Hak-Young Lee (Bariton) singen, haben sie ein Schicksal, werden sie zu Individuen, die leiden und das Publikum zum Mitleiden herausfordern.

Beige Trenchcoats

Drei Stunden dauert die „systemische Musiktheaterarbeit“, und in diesen drei Stunden passiert: nichts. In der ersten Hälfte tragen die Handelnden beige Trenchcoats, in der zweiten Hälfte, in welcher der Mond ein dunkles Loch in die Wartesaal-Wand gebrannt hat, schwarze Schlafanzüge. Regisseur Immo Karaman hat angesichts des collagenartigen Librettos Probleme, die Figuren zu führen und verfällt auf Theaterklischees, wenn er Frauen sich schreiend auf dem Boden wälzen oder mit Lippenstift blutig malen lässt. In solchen Momenten wirkt das Stück wie ein schwülstiges und völlig humorfreies Reform-Melodram aus den 1920er Jahren.

Der orchestrale Aufwand, den Komponist Helmut Oehring betreibt, ist gewaltig. Zu den Wuppertaler Sinfonikern im Graben kommen ein Barockensemble auf halb hoch gefahrenem Podest, ein Solokontrabass und ein Sologitarrist sowie Aufnahmen. Wie so oft in der zeitgenössischen Musik rechtfertigt das Ergebnis nicht den Apparat. Oehring unterlegt die Handlung mit Geräuschen, die bewusst mehrdeutig bleiben. Es kann sich um menschliche Naturlaute wie verfremdetes Atmen handeln, aber auch um Maschinenmusik. Der Komponist spielt mit der Funktion von Schallübertragung, die das Hören ja immer zum Ausgleich zwischen Knochenresonanz und Luftschall machen. Oehrings Klänge hört man nun wie durch ein Wasserglas, die Perspektiven verschieben sich.

Musik von Henry Purcell

Die Musik von Oehring umkreist bekannte Stücke von Henry Purcell. Dabei verstört allerdings nicht der neue Oehring den alten Purcell, sondern umgekehrt. Purcells barocke Töne wirken aktuell und lebendig und in ihrer Gefühlstiefe wie frisch komponiert. Die beiden Orchester und die Gesangssolisten leisten Großartiges.

Karten und Termine: wuppertaler-buehnen.de