Königinnendrama, das nicht im Gefühlskarussell bleibt

Kultur / 19.03.2017 • 21:06 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Alexandra Deshorties als starke Elisabetta. Foto: ApA
Alexandra Deshorties als starke Elisabetta. Foto: ApA

Amélie Niermeyer hat im Theater an der Wien Rossinis Elisabeth I.-Oper zurechtgerückt.

Wien. Ihre Wirkung tun sie, denn kaum zu übersehen sind jene Plakate im Straßenbild, mit denen das Theater an der Wien auf das Programm verweist. Das verzerrte Gesicht, das Rossinis 1815 uraufgeführte Oper „Elisabetta, regina D’Inghilterra“ bewirbt, wird zurzeit zwar von einem anderen Herrscherinnenporträt, nämlich dem von Maria Theresia verdrängt, Nachhaltigkeit ist der Neuproduktion der Oper jedoch zuzugestehen. Inwieweit die zum 300. Geburtstag der Habsburger-Regentin eröffneten und geplanten Ausstellungen Neues zutage fördern, wird sich zeigen, das Leben der Tudor-Königin Elisabeth I. hat jedenfalls zu Opern inspiriert, die ihre Beziehungen zu Männern mit mehr oder weniger fiktiven Einschüben abhandeln. Mehr wollte das Theater nicht leisten.

Konzentration auf die Frau

Etwas weniger Schwulst als Doniziettis „Roberto Devereux“ heftet Rossinis Werk mit dem Libretto von Federico Schmidt mit orchesterbegleiteten und somit damals reformierten Rezitativen zumindest an. Und dass es hier nicht nur um Verzicht auf das private Glück zugunsten der Konzentration auf die Politik geht – was in England zu bedeutenden Ergebnissen führte –  geht auf die Regie von Amélie Niermeyer, die Elisabeth so sehr in den Mittelpunkt rückt und den Aktionsradius der Männer (und Intriganten) so weit einschränkt, dass für diese fast nur stimmliches Agieren möglich ist, das der Cast (Norman Reinhardt, Barry Banks, Erik Arman, Natalia Kawalek) allerdings bestens erfüllt.

Dass der Earl of Leicester ein Auge auf die Königin geworfen hatte, wissen wir aus den Geschichtsbüchern, sich mit der fiktiven Tochter von Elisabeths Rivalin Maria Stuart zu vermählen, ist ein Theaterstoff, der nicht nur die hier plausibel gedeutete Erniedrigung von Leicester ermöglicht, sondern auch die Konfrontation von zwei Frauen, die die Inszenierung unterstreicht, wenn Matilde (Ilse Eerens weckt Erinnerungen an ihre großartige Leistung in HK Grubers „Geschichten aus dem Wiener Wald“ bei den Bregenzer Festspielen) mit Vehemenz an die Königin herantritt. Bloßgestellt wird sie ja nicht von dieser, sondern von einer Männerwelt, die mit großer Kälte offenbart, dass im Anzug, den sie als Tarnung trägt, eine Frau steckt. Daraus entwickelt Niermeyer mit ihren Ausstattern Alexander Müller-Elmau und Kirsten Dephoff zudem ein eindrücklich psychologisches Bild der Anmaßung. Dass sie als Frau eine allem übergeordnete Rolle innehatte, hat Elisabeth I. knapp 200 Jahre vor Maria Theresia mit femininem Prunk unterstrichen. Dass die Krinolinen auch unliebsame Panzerung sind, offenbart sich in einem Spiel, in dem Alexandra Deshorties diese zwar als Zwang annimmt, aber umgehend als Instrument zu nutzen weiß. Enorm präsent, mit klarem, hartem Timbre hat sie neben der Regie und Jean-Christophe Spinosi am Pult des Ensembles Matheus großen Anteil daran, dass eine Inszenierung mit sich drehenden Gewändern und Wänden hochpolitisch wird und nicht im Gefühlskarussell steckenbleibt.

Weitere Aufführungen vom 21. bis 28. März im Theater an der Wien, Ö1-Übertragung am 1. April, 19.30 Uhr.