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Premiere 17. Juni 2017 // Elisabet Strid (Salome) & Ensemble. Foto: © Kirsten Nijhof
Premiere 17. Juni 2017 // Elisabet Strid (Salome) & Ensemble. Foto: © Kirsten Nijhof
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Der Prinzessin und die Mausefalle – „Salome“ an der Oper Leipzig

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Die neue „Salome“, die Ulf Schirmer, Aron Stiehl und Rosalie in der Oper Leipzig herausgebracht haben, überzeugte das Premierenpublikum und war der Höhepunkt eines Richard-Strauss-Wochenendes. Joachim Lange berichtet.

Es sind schon drei besondere Frauen: die schöne, aber verarmte Arabella, die schatten- sprich kinderlose Kaiserin ohne einen eigenen Namen und die verwöhnte sexgierige Prinzessin Salome. In Leipzig konnte man sie jetzt alle drei auf der Opernbühne bewundern oder sich zumindest von ihnen faszinieren lassen. Als Intendant und Dirigent hat Ulf Schirmer jedenfalls weder Hemmungen mit einem Ring-Paket an vier aufeinander folgenden Tagen internationales Publikum nach Leipzig zu locken, noch mit einem ambitionierten Richard-Strauss-Wochenende aufzuwarten. Die Hegemonieansprüche des „Richard-Strauss-Uraufführungsorchesters und -Opernhauses“ in Dresden hin oder her. 

Schirmer, das Gewandhausorchester und seinen Protagonisten müssen sich da allerdings kein bisschen verstecken! Auch nicht mit der neuen „Salome“. Sicher, man kann eine Anja Silja als Herodias, mit der die Vorgänger-Inszenierung von Nikolaus Lehnhoff glänzte, nicht toppen. Aber auch Karin Lovelius macht als recht verkommene, aber doch mit einem Rest Mitgefühl für ihre Tochter ausgestattete Herodias an der Seite ihres nach Salome nicht nur grapschenden Herodes (Michael Weinius zeichnet einen fiesen Charakter mit Verve und Eloquenz!) gewaltigen Eindruck. So wie die beiden sich einprägen, stehen sie der jugendlich leuchtenden und am Ende auch kraftvoll leidenschaftlich auftrumpfenden, ersten Salome der Schwedin Elisabet Strid und der virilen Power des von ihr begehrten und ihr nur schwer widerstehenden Jochanaan Tuomas Pursio in nichts nach! 

Auch bei den kleineren Rollen herrscht Sorgfalt: Sergei Pisarev ist ein schmachtend geschmeidiger, lyrisch schwärmender Narraboth. Die streitsüchtigen Juden sind bei Rouwen Huther, Patrick Vogel, Tyler Clarke, Martin Petzold und Sejong Chang bestens aufgehoben. Julian Orlishausen und David Fischer setzen dem die innere Ruhe der Nazarener entgegen. Vokal geht diese Salome durchweg in Ordnung. Wobei dann doch die subtile Transparenz und der schwelgerische, aber dann auch leidenschaftliche Zugriff Schirmers das Besondere an dieser „Salome“ sind. 

Aron Stiehls Inszenierung verlässt sich auf die Wirkung, die das Bühnenbild und die Kostüme von Rosalie entfalten. Es ist die letzte Arbeit der Künstlerin geworden, deren Ausstattungen oft die Inszenierungen prägten, an denen sie beteiligt war. Vor den ersten Tönen widmet Operndirektorin Franziska Severin der am 12. Juni Verstorbenen diese Premiere. 

Sie hat eine eher abstrakt steile Arena-Architektur mit Treppen auf die Bühne gebaut. Die beengte Spielfläche ist mit einem Autofrack versehen, bei dem an Stelle des Motors ein Springbrunnen sprudelt. Die Versenkung hat sie zur Zisterne für den gefangenen Propheten gemacht. Drahtkörbe voller Steine stehen herum. Und doch weht auch hier eine schwüle Atmosphäre unterm (Mond)Scheinwerfer. Bei den Kostümen bleibt Rosalie bei einer exzessiven Mischung aus wiedererkennbaren Klischees. Soldaten in modern anmutenden Kampfuniformen. Juden wie aus alten Bilderbüchern. Nazarener wie Sektenmitglieder. Das Herrscherpaar im halbseidenen Rosa. Ihre Hofschickeria extravagant schrill. Salome im Look einer gegen die Eltern putschenden Rockerbraut. Der Prophet unter all dem Zisternendreck tatsächlich als Mann so attraktiv, wie Salome es behauptet. Alle sind auf den allersten Blick erkennbar. Die Personenführung spitzt zu, bleibt aber doch konventionell bis dürftig. Ob nun das Schmachten Narraboths oder das öffentliche Ausleben ihrer Obsessionen beim Herrscherpaar. Oder das laszive Illustrieren der Dekadenz am Hof. Wobei man dem moralisierenden Fundamentalismus des Propheten auch ein Stück weit auf den Leim geht, wenn man da ein schwules Paar drunter mischt, damit auch ja jeder versteht, was dekadent ist. Der Tanz der Salome dann ist als Tanz eine knapp andeutende Sparvariante, nur die Zugabe für eine von „Hamlet“ geborgte theatralische „Mausefalle“. Salome lässt da den Missbrauch die Ermordung ihres leiblichen Vaters durch Herodes und ihren Missbrauch durch ihren Stiefvater nachspielen. Aber was sie vielleicht als Entlarvungs-Attacke gedacht hat, macht Herodes eher noch schärfer und er erzwingt einen Blowjob hinterm Steinhaufen.

Man erkennt bei dieser Regie den redlichen Versuch, Salomes perversen Wunsch nach dem Kopf des Jochanaan wenigstens etwas zu erklären. Was dabei aber wirklich packt ist die Musik! Denn im Graben wartet Schirmer nach einem unaufgeregten Beginn, mit aller schwelgerischen Verführungskraft und vielen liebevoll aufgespürten Details auf, um dann im großen Finale das Orchester in aller Pracht so aufblühen zu lassen, dass es einem den Atem verschlägt. 

Der Jubel des Premierenpublikums galt ohne Einschränkung allen Beteiligten!

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