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„Mächtige Mitgift - Brüllende Brunst“

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Die Burgunder sind von der Moderne heillos überfordert.
Die Burgunder sind von der Moderne heillos überfordert. © Falk von Traubenberg

Oscar Straus’ respektlose Operette "Die lustigen Nibelungen" schließt das Karlsruher Ringprojekt würdig ab.

Das Karlsruher Ring-Projekt wird von zwei Zusatzangeboten wirklich genial flankiert: Avi Dormans vom Staatstheater in Auftrag gegebene Oper  „Wahnfried“ , die in Keith Warners treffsicherer Inszenierung tief in die Familiengeschichte hoch auf dem Grünen Hügel blicken lässt. Und nun, als Knaller zum Schluss, Oscar Straus’ Operette „Die lustigen Nibelungen“.

„Die lustigen Nibelungen“, ein total respektloser Quatsch mit vielfältiger Musik, geriet zwischen Jahrhundertwende und Erstem Weltkrieg mitten in den aufflammenden, von des Gedankens Blässe nicht angekränkelten Nationalismus hinein. Einerseits war der Erfolg der Wiener Uraufführung 1904 ermutigend, andererseits gab es in den Folgejahren immer wieder Proteste, die auch Aufführungen kippten. Im Programmheft liest man – aber nur als ein Beispiel unter mehreren – vom Abbruch einer Grazer Vorstellung nach Beschimpfungen durch den Großdeutschen Schulverein. Ein „Saujude“, so die Vereinsleute, verhöhne „edles Germanentum“. Es scheint sich kein nennenswerter Widerstand gegen diesen Vorwurf formiert zu haben.

Straus rettete sich nach dem „Anschluss“ Österreichs erst nach Paris, dann nach New York. Sein Texter Fritz Oliven, der unter dem Künstlernamen Rideamus („Lasst uns lachen“) veröffentlichte und von dem auch das Libretto zu Künnekes „Vetter aus Dingsda“ stammt, emigrierte nach Brasilien. Die fatalen Konsequenzen fundamentaler Humorlosigkeit zeigen sich an den „Lustigen Nibelungen“ auf deprimierendste Weise, und an diesem Abend kann Regisseur Johannes Pölzgutter es also mit keinem Unfug übertreiben. So geht er auch damit um, wobei er neben kleinen Aktualisierungen schönerweise just die großdeutsche Frage in Fahne und preußischem Auftreten des bornierten Schaumweinfabrikanten und Drachentöters Siegfried aufgreift. Siegfried, „von Siegfried“, so der im Abendanzug, aber schmissig auftretende Herr, verspekuliert sich dann, als die, hi hi, Rheinische Bank pleite geht.

„Die lustigen Nibelungen“ lehnt sich nicht an Richard Wagners Tetralogie, sondern direkt an das Nibelungenlied an. Die Burgunder sind heillos verstaubte, lebensuntüchtige Lumpenkerle mit mordsmäßigen Wikingerhörnern. Hinter der Halle, in der sie eingangs anscheinend aus der Gruft krabbeln, taucht eine Schrankwand auf, in der Siegfried seinen Nippes untergebracht hat (Pickelhaube, Wagnerbüste, Bühne: Nikolaus Webern). Siegfrieds Wilhelminismus trifft sie in seiner ganzen Modernität (wie funktioniert ein Wasserklosett?) und nassforschen Zackigkeit: „Ich bin ein Kavalier“, singt er in seinem Auftrittssong „Und habe das (Abi, Ausbildung, d. Red.) nicht nötig. / Befehl’n lass’ ich mir nischt, / Und wer das tut, den töt’ ich.“ Brunhild, begleitet von einem kakophonisch präludierenden Walkürenchor, ist ein Schrecken von moderner Frau.

Der Rest an sittlichem Ernst verschwindet in Janina Ammons Karnevalskostümen und immensen Bärten, auch wird das Ensemble von Pölzgutter zu großer Albernheit verleitet und geleitet, was gut funktioniert. Beim Wettbewerb Gunthers mit Brunhild kommt es zu einem Partiturwerfen, sie greift zu den „Meistersingern“, während er ohne Siegfrieds Unterstützung mittels Burschenschaftler-Tarnkäppis nicht mal das „Rheingold“ so weit werfen könnte.

Delikater als die Verhohnepiepelung der Großdeutschen, die sich wahrlich aus der Geschichte herauskatapultiert haben, ist Straus’ raffinierter Spaß mit der Musik. „Die lustigen Nibelungen“ ist eine klassische Operette mit Rheingoldwalzer, aber der Komponist parodiert darin auch Wagnerische und spätromantische Ekstase und zwar so gekonnt, dass er sie durchaus herstellt, sie zugleich aber ad absurdum führt. Optimal in den an „Tristan und Isolde“ angelegten rauschhaften Momenten, für die Rideamus ein banales Textstaccato („Sehrende Sehnsucht“ – Reichliche Rente“ – „Mächtige Mitgift“ – „Brüllende Brunst“) bereitstellt.

Die Möglichkeit, dass es auch einfach lächerlich sein könnte, ist der Oper fast immer zu eigen. Opernhörer nehmen das nicht nur billigend, sondern begeistert in Kauf. Wagner-Motive klingen direkt nur selten an, wird ein Nagel in die Wand geschlagen, hämmern die Nibelungen (als niedliche Zwerge ohnehin immer mit auf der Bühne). Gunther versucht es im Glaszersingwettstreit mit „O du, mein holder Abendstern“, aber auch hier käme er ohne Siegfried, der kurzen Prozess macht, nicht weit.

Mit smarter Selbstironie ist der Siegfried von Klaus Schneider der Typus alternder Operettentenor, der immer noch gut singen kann. Gunther, Michael Dahmen, tritt uns als Großzwerg entgegen, hinter dessen Bart und Verzagtheit sich aber ein veritabler Bariton verbirgt. Brunhild, Christina Niessen, verbindet auch das Gesamtunterfangen, ist sie doch die Gutrune aus der „Götterdämmerung“ und Cosima aus „Wahnfried“.

Musikalisch gehört die größte Aufmerksamkeit den Späßen aus dem Orchestergraben. Dominic Limburg bietet schlanke Musik, indem die Karlsruher eine Partitur benutzen können, in die anscheinend Straus (sein eigener Uraufführungsdirigent) selbst seine Notizen gemacht hat. Hieraus wird demnach ersichtlich, dass der Komponist selbst im Endeffekt eine kleinere, transparentere Besetzung wünschte. Tatsächlich erklingt ein eleganter, gewitzter Salon-Wagner. Das Publikum begeistert, aber es gibt immer jemanden, der nicht darüber lachen kann, so auch hier.

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