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Musikalische Komödie

Paul Burkhards „Das Feuerwerk“ feiert MuKo-Premiere im Leipziger Herbst ’89

„Das Feuerwerk" in der Musikalischen Komödie: Michael Raschle als Vater, Milko Milev als Onkel Fritz, Hinrich Horn als Zirkusdirektor Alexander, Andreas Rainer als Onkel Heinrich, Angela Mehling als Mutter, Radoslaw Rydlewski als Onkel Gustav und Nora Lentner als Anna.

„Das Feuerwerk" in der Musikalischen Komödie: Michael Raschle als Vater, Milko Milev als Onkel Fritz, Hinrich Horn als Zirkusdirektor Alexander, Andreas Rainer als Onkel Heinrich, Angela Mehling als Mutter, Radoslaw Rydlewski als Onkel Gustav und Nora Lentner als Anna.

Leipzig. Doch, doch: Axel Köhlers Idee, Paul Burkhards "Feuerwerk" im Leipziger Herbst des Jahres 1989 spielen zu lassen, funktioniert. Weil der bornierte Spießer, dem diese bestenfalls unerhebliche Operette die Liebe erklärt, immer und überall wächst und gedeiht: 1939 in Zürich, wo der mundartliche Vorgänger-Schwank "Der schwarze Hecht" das Licht der Welt erblickte, 1950 in München, wo "Das Feuerwerk" seine Uraufführung erlebte, 1989 in Leipzig und am Samstagabend zur Premiere in der Musikalischen Komödie auch.

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Unter den wachsamen Augen Erich Honeckers

Da versammelt Köhler im von Okarina Peter und Timo Dentler liebevoll DDR-luxuriös eingerichteten und sehr geräumigen Wohn-/Esszimmer der Familie Oberholzer unter den wachsam Augen Erich Honeckers das zeitlose Verwandtschafts-Panoptikum: Michael Raschle ist der gutmütige Familienvater, Angela Mehling seine Frau, Nora Lentner das artige Töchterchen Anna, die das Träumen noch nicht ganz eingestellt hat. Sabine Töpfer ist die musikalische Köchin, Anne Kathrin Fischer, Carolin Masur und Dagmar Zeromska sind sich als Tanten nicht grün. Milko Milev, Radoslaw Rydlewski und Andreas Rainer pflegen als Onkels ihre harmlosen Ticks. Hinrich Horn als (West-)Zirkusdirektor Alexander, das schwarze Schaf der Familie, und seine glamouröse Frau Iduna (Mirjam Neururer) stehen für die andere Welt da draußen, in der Justus Seeger als Annas Verehrer Robert mit dem „Wir sind das Volk“- Schild um den Ring zieht. Als Teil jener Demonstration, von der auch das Fernsehen in der Schrankwand berichtet, von der allerdings niemand Notiz nimmt auf dieser Familienfeier.

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Aus der falschen alten Zeit

So liebevoll, wie das Mobiliar nachgebaut wurde, sind die Kunstfaser-Klamotten der Festgesellschaft aus alten Zeiten herübergerettet. Allerdings zum Teil aus den falschen. Denn die Schlaghosen des Zirkusdirektors hätte 1989 selbst im Westen niemand zum Kunstleder-Sakko getragen, und Robert sieht eher aus, als komme er von einer Anti-Vietnamkrieg-Demo im Ibbenbüren des Jahres 1972.

Fade Welten

Köhler charakterisiert sein Personal gekonnt als Allerwelts-Typen, die so bieder sind, dass es keines Zuhälters oder Porno-Darstellers im Kreise der Lieben bedarf, weil es bereits als hinreichend skandalös durchgeht, dass da einer zum Zirkus gegangen ist. Und das ist es dann auch. Denn mehr gibt dieses dramaturgische Nichts nicht her. Abgesehen vielleicht von Annas zirzensischen Tagträumereien, für die Köhler zwar die schlimm tapezierten Wohnungswände abheben lässt, aber sonst keine nennenswerte Idee entwickelt. Die Tanten verwandeln sich in Kinderschmink-Raubkatzen, und die Onkels sehen auch im Clowns-Ornat noch nach Hausmeister oder Partei-Funktionär aus. Dass diese fade Welt nicht als Gegenentwurf für ihr weiteres Leben taugt, muss Anna ziemlich schnell klar werden.

Musiktheater ohne Musik und Theater

Szenisch also bleibt Axel Köhler trotz der Ansiedlung im Leipziger Herbst des Jahres 1989 die Antwort auf die Frage schuldig, warum man dieses erbärmliche Stück Musiktheater ohne nennenswertes Theater im Leipzig des Jahres 2019 wieder spielen muss. Und weil bis auf die wenigen Dauerbrenner vom Schlage des „Oh mein Papa“ auch Musik im Grunde nicht vorkommt, obschon fortwährend wer singt oder das Orchester spielt, taugt auch sie kaum als Argument.

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Fruchtlose Bemühungen

Obwohl alle Beteiligten herausholen, was herauszuholen ist: Nora Lentner ist eine wirklich zauberhafte Anna, hinreißend naiv und gutgelaunt singt und spielt sie das sehr wohlgeratene Töchterlein. Mirjam Neururer darf als andeutungsweise verruchte Iduna den wunderbaren Clown, der ihr Vater einst war, mit französischem Akzent lobpreisen und singt ebenfalls sehr schön. Wie eigentlich ausnahmslos alle. Sabine Töpfer spielt überdies noch ganz passabel auf der Gitarre. Aber da die Ergebnisse von Burkhards kompositorischen Bemühungen sich kaum je im Ohr verkanten und nie den Kopf erreichen, geschweige denn das Herz, bleiben all die Bemühungen weitgehend fruchtlos.

Immerhin gut instrumentiert

Etwas besser sind die Voraussetzungen fürs Orchester der musikalischen Komödie unter der Leitung von Tobias Engeli. Denn bei aller musikalischen Dürftigkeit ist „Das Feuerwerk“ immerhin anständig instrumentiert. Vom Start der knappen Ouvertüre weg lässt Engeli das Orchester luxuriös und geschmeidig und sinnlich und satt klingen, schürft überraschende Details nach oben und verschafft den instrumentalen Effekten, dem Xylophon beispielsweise oder der Bassklarinette angemessene Aufmerksamkeit.

So ziehen sich die beiden guten Netto-Stunden dieser Produktion wenigstens nicht gar so sehr, wie sie es im „Feuerwerk“ sonst meist tun. Und das allein ist schon Anlass genug für den sehr freundlichen Applaus im vollbesetzten Saal.

Vorstellungen: 16., 19., 27., 28., 30. April, 21. Juni; Karten (15–39 Euro) und Infos erhalten Sie u.a. bei der Ticketgalerie im LVZ Foyer, Peterssteinweg 19, im Barthels Hof, Hainstr. 1, in unseren Geschäftsstellen, über die gebührenfreie Tickethotline 0800 2181050 auf www.ticketgalerie.de oder an der Opernkasse sowie unter Tel. 0341 1261261.

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Von Peter Korfmacher

LVZ

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