Nach dem überragenden Erfolg von Richard Strauss' Rosenkavalier, einer Komödie für Musik, begannen er und sein Librettist Hugo von Hofmannsthal sich erneut dem Sujet der Komödie zu widmen. Besonders sollte bei der neuen Oper jedoch auf das Zusammenspiel von Komik und Tragik eingegangen werden. Es entstand die tragische Oper Ariadne auf Naxos, der Molières Balletkomödie Der Bürger als Edelmann (1670) vorangestellt wurde. Molières Stück, das er zusammen mit Jean-Baptiste Lully am Hofe des französischen Königs Louis XIV. aufführte, ist eine scharfe Gesellschaftskritik, die auch heute noch Aktualität besitzt. Nach dem vernichtenden Misserfolg der ersten Fassung bei der Uraufführung 1912 im Stuttgarter Hoftheater, entschieden sich Strauss und Hofmannsthal, ein anderes Vorspiel zu schaffen und den Edelmann komplett zu verwerfen. Nach gut einhundert Jahren will es das Staatstheater Darmstadt nochmal wissen und nimmt sich dieser ersten Fassung mit eigener Interpretation erneut an.

Dem wohlhabenden wie einfältigen Edelmann Jourdain missfällt sein bürgerliches Dasein und so wünscht er sich nichts so sehr, wie einen Adelstitel. Er beschäftigt eine ganze Schar an Philosophen, Fechtmeistern, Tanzlehrern und Schneidern, um sich den neuen Lebensstil einzuverleiben und zudem gleich noch seine Tochter an einen Adeligen zu verheiraten. In der Darmstädter Fassung von Beate Seidel und Christian Weise erhofft sich Jourdain durch die Aufführung der Oper Ariadne auf Naxos einen Besuch des Königs, um in dessen Gunst zu steigen. Schlussendlich wird er nicht nur von allen ausgenutzt, sondern fällt auch den Intrigen seiner Familie und anderen Nutznießern zum Opfer.

Man lässt ich in Darmstadt von Hofmannsthals Regieanweisungen inspirieren und schafft einen „großen Saal im Barock- oder Rokokostil, in welchem die Bühne von Theaterarbeitern eben eingebaut wird“. Der Saal im Hause des Edelmanns Jourdain wird noch durch eine Showbühne ergänzt, auf der sich das Geschehen wie in einem „Mantel-und-Degen-Film“ entfaltet – inklusive Fechtszenen, hektisches Umherspringen und vorhersehbaren Slapstick. Jourdains Auftritte gleichen dem eines geistig umnachteten, schrulligen Exzentrikers, dessen Wunsch nach Anerkennung nur auf Spott trifft. Während der Schauspieler Johann Jürgens als Edelmann mit eiserner Konsequenz durchaus ein Händchen für Komik bewies, fielen die anderen Schauspieler eher durch mittelmäßige Darstellung auf.

Nach Hugo von Hofmannsthal müsse man die Tiefe an der Oberfläche verstecken. Wenn sich dem Regisseur der Tiefgang der Ariadne jedoch nicht erschließt, bringt auch die Fülle der Oberflächlichkeiten keine neue Tiefe. Die Szenen der Komödie gleichen einer Tür-auf-Tür-zu-Komödie – und keiner sehr guten. Statt charmant-intelligentem Commedia dell'arte-Theater lacht man in Darmstadt über stolpernde Schauspieler, sächsische Dialekte und übertrieben schrill-bunte Kostüme, die die Augen schmerzen lassen. Musikalisch wird dass ganze mit einer Jazzband untermalt, die das Geschehen endgültig ins Groteske abdriften lässt.

Wer glaubt, das „zum Schreien komische“ Vorspiel überstanden zu haben, und das nun mit Ariadne auf Naxos ernstere Töne angestimmt werden, liegt falsch, denn der zweite Teil driftet ebenso ins Lächerliche ab. Von Gesellschaftskritik, Satire oder gar subtilen Spitzen keine Spur – stattdessen zielt man weiterhin auf plumpen Humor und billige Lacher.

Die Wände des Hauses schieben sich auseinander und offenbaren ein barockes Kulissentheater aus naturalistisch bemalten Kulissenteilen mit Wellen, Wolken und der wüsten Insel Ariadnes. Das Theater auf dem Theater funktioniert mit ihrer barocken Inszenierung und lässt kurzzeitig angemessene Ruhe aufkommen, bis die Altlasten des Vorspiels wieder auftreten. Mit unzähligen Requisiten, Darstellern und einem überladenen Bühnenbild entsteht ein horror vacui, worunter besonders die Musik leidet.

Kammersängerin Katrin Gerstenberger, vor Beginn der Vorstellung als ein wenig indisponiert angekündigt, ließ ihre stimmliche Schönheit nur vermuten. Sie verkörperte dennoch gekonnt die Tragik ihrer Rolle mit anmutigem Tiefgang. Bacchus, gesungen von Chris Lysack, gelangte schnell an die Grenzen seiner Möglichkeiten. Der Tenor besaß trotz angenehm runder Stimme wenig Volumen. Aki Hashimoto sang eine jugendliche, charmante Zerbinetta, mit klarer, freier Stimme mangelte es ihr dennoch an Artikulation und Bühnenpräsenz. Auch ihre Rolle driftete in ihrer Darstellung ins Karikierende ab.

Das Orchester war der Lichtblick des Abends, dessen Präsenz jedoch aufgrund des einnehmenden Bühnengeschehens geschmälert wurde. Dennoch ließ Hartmut Keil im Graben einen mehr als soliden Strauss-Klang ertönen. Mit recht differenziertem Spiel war der wahre Kern der Oper zu erahnen.

Schlussendlich bleibt die Darmstädter Produktion, dem Bürger als Edelmann eine neue Chance zu geben, ein gescheiterter Versuch. Der schmale Grat zwischen Komik und Tragik ist ein Balanceakt, dessen sich Regisseur Christian Weise nicht ermächtigen konnte. Die überbordende Anzahl an szenischen Ausschmückungen und Regieeinfällen waren nicht mehr als drei Stunden voller Profanitäten und belangloser Bilder. Von musikalischer Spannung und dramatischen Bögen keine Spur. Strauss und Hofmannsthal bekamen 1912 zu spüren, dass dieser Version der Ariadne beim Publikum durchfiel. In Darmstadt muss man feststellen: Humor ist eine große Kunst, die nicht leicht zu erreichen ist und daran hat sich auch nach einhundert Jahren nichts geändert.

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