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Operetten-Premiere

Klaus Seiffert inszeniert in der Musikalischen Komödie Leo Falls „Madame Pompadour“

Milko Milev (M.) als König Ludwig XV. und Lilli Wünscher (in Grün) als seine Mätresse Madame Pompadour.

Milko Milev (M.) als König Ludwig XV. und Lilli Wünscher (in Grün) als seine Mätresse Madame Pompadour.

Leipzig. Die letzte „Madame Pompadour“ an Leipzigs Musikalischer Komödie liegt gut 20 Jahre zurück: Im Februar 1999 verabschiedete sich Günter Lohse mit Leo Falls Schwank als Regisseur vom Haus Dreilinden und wollte das Werklein ernstnehmen: als Sittenbild einer durch und durch verderbten Gesellschaft unmittelbar vor Ausbruch der Revolution. Das klingt nach einem interessanten dramaturgischen Ansatz – ging aber daneben, weil das 1922 in Berlin aus der Taufe gehobene Stück niederen Musiktheaters für derlei Deutungs-Versuche nicht genug Substanz mitbringt.

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Es reicht im Grunde nicht einmal für die Türen-Komödie, die Klaus Seiffert nun am Samstag im gut besuchten Haus auf die Bühne zu wuchten versuchte. Man kommt und geht zu selten, als dass die zahlreichen Türen, die Tom Grasshof, der auch die grellbunten zum großen Teil abscheulichen und absurd unvorteilhaften Kostüme ersann, in sein Bühnenbild einbauen oder einfach so in den Weg stellen ließ, mit Sinn zu füllen wären. Drum schieben die Damen und Herren des Chors oder vom Ballett, wer halt gerade ein bis zwei Hände frei hat, sie gern ein wenig hin und her.

Trotteliger Polizei-Minister

Dass die Sache mit den Türen nicht funktioniert, ist schade bis verhängnisvoll für die letzte Neuproduktion im Haus Dreilinden vor dem Total-Umbau in der kommenden Saison. Denn außer diesem Einfall steckte nicht mehr viel drin im Ideen-Füllhorn des Regisseurs. Drum lässt er sein Personal gut zweieinhalb Bruttostunden lang über die Bühne hampeln, knallchargieren, grimassieren. Besonders hart trifft es Justus Seeger als trotteligen Polizei-Minister Maurepas: Fortwährend muss er mit dem Kopf nicken, auf dass die enorme Perücke auf seinem Haupt und unter dem winzigen Dreispitz auch zünftig schaukle.

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Grenzdebiler König

Seiffert scheint derlei witzig zu finden – und auch die lendenlahmen Anzüglichkeiten im Textbuch Rudolph Schanzers und Ernst Welischs zu goutieren, weshalb er sie ungefiltert aus seiner Inszenierung herausschwiemeln lässt. Und, ja, sie generieren diesen oder jenen Lacher, aber dass ernsthaft Frohsinn aufkäme im Haus Dreilinden, dafür reicht es nicht. Immerhin retten Lilli Wünscher in der Titelpartie mit einiger Grandezza, Adam Sanchez als René mit jungenhaftem Charme, Jeffery Krueger als Calicot mit derber Komik, Mirjam Neururer als Belotte mit mädchenhafter Fröhlichkeit und Milko Milev als grenzdebiler König Ludwig offenkundig eigeninitiativ, was szenisch zu retten ist. Viel ist es nicht – und das bisschen reißen der alleingelassene Chor und das von Mirko Mahr in Bewegung gesetzte Ballett wieder ein.

Tief unter der Grasnarbe

Dabei beginnt Mahrs Choreographie ansehnlich: Da lässt eine Tänzerin als Madame Pompadour den König als Marionette ungelenk durchs zweifelhafte Vergnügungslokal „Musenstall“ taumeln, was immerhin ein Doppelpunkt ein könnte vor einem Spiel um die und mit den Geschlechter-Stereotypen, um Macht und Erotik und den Traum vom Liebesglück. Aber schon Augenblicke später lässt Mahr seine Tänzerinnen und Tänzer sich mit Revue-Gehampel tief unter die Grasnarbe graben.

Stimmlich nichts zu meckern

Und musikalisch? Stimmlich gibt es nichts zu meckern. Lilli Wünschers Stimme ist oben, wie sie ist. Aber erstens liegt ihr die Pompadour offenhörlich ziemlich gut, und zweitens entschädigen Wärme und Nuancen, Farben und vorbildliche Artikulation in den unteren und mittleren, selbst in den etwas höheren Lagen diesmal voll und ganz fürs Von-unten-ran-Vibrieren im ewigen Schnee. Ihr „Heut könnt’ einer sein Glück bei mir machen“, eine von zwei guten Nummern in diesem Werk, quillt über vor Lebenslust und Schönheit.

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Auf dem Niveau ist sonst nur Renés „Ich bin dein Untertan, dein treuer“ unterwegs. Adam Sanchez lässt in dieser Partie seinen Tenor mit vollem Einsatz, herrlichem Schmelz, prachtvoller Höhe durch die Partie glänzen. Dabei hält er sich nicht groß mit Zwischentönen auf und ist in dynamischen Fragen zufrieden mit den Lautstärkestufen an und aus – aber seine naive Freude am schönen Gesang steckt unmittelbar an.

Mirjam Neururer und Jeffery Krueger, Milko Milev und die hinreißende Aneta Rucková als Madeleine halten das Niveau. Allerdings lenkt Rucková mit ihrem Akzent über Gebühr die Aufmerksamkeit auf die ausführlichen Dialoge, die Seiffert bestenfalls aufsagen lässt. So betulich war die Behandlung gesprochener Sprache auch im Haus Dreilinden schon lange nicht mehr.

Wenigstens in Sichtweite

Im Graben laufen die Fäden zusammen bei Stefan Klingele, dem musikalischen Hausherrn der MuKo. Der tönt sein Orchester üppig und doch feinnervig ab – nimmt sich unten aber oft mehr Zeit, als die Sänger oben zu geben bereit sind. Und so gehen beide Etagen immer wieder sehr deutlich getrennt voneinander durchs Doppelstrich-Ziel.

Und weil der Dirigent also fortwährend damit beschäftigt ist, seine Schäfchen wenigstens in Sichtweite zu halten, kann er sich auf zu weiten Strecken mit so etwas wie Gestaltung nicht aufhalten – folglich verpufft vieles von dem wirkungs- und folgenlos, was Fall zwischen „Carmen“-Zitaten und Marschmusik immerhin an musikalischem Witz zwischen die Notenzeilen geklemmt hat.

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Unbebuht

Das MuKo-Publikum ist treu und gnädig. Der Applaus fällt mindestens freundlich aus, für Wünscher, Sanchez, Milev beinahe enthusiastisch, und selbst das Inszenierungs-Team kommt unbebuht aus dem Saal. Doch ändert dies nichts daran, dass diese Produktion den Trennungsschmerz deutlich lindert. Nun kann man das Haus Dreilinden gründlich durchlüften. Denn die nächsten Premieren der Musikalischen Komödie finden im Westbad statt.

Vorstellungen: 2., 7., 8., 11., 22., 23. 25. Juni, Karten (15–39 Euro) und Infos erhalten Sie u.a. bei der Ticketgalerie im LVZ Foyer, Peterssteinweg 19, im Barthels Hof, Hainstr. 1, in unseren Geschäftsstellen, über die gebührenfreie Tickethotline 0800 2181050 auf www.ticketgalerie.de oder an der Opernkasse sowie unter Tel. 0341 1261261

Von Peter Korfmacher

LVZ

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