„Barkouf – ein Hund, (nein, eine Frau) an der Macht“ in Köln stürmisch gefeiert

Oper Köln/Barkouf/ Ensemblemitglieder der Oper Köln, Chor der Oper Köln, Pudel Marie /Foto @ Paul Lecraire

Bissige Satire und eine spritzige Liebeskomödie mit wundervoller Musik, das ist „Barkouf oder ein Hund an der Macht“, die erste Operette, die Jacques Offenbach für die Pariser Opéra Comique geschrieben hat. Die Uraufführung war am 24. Dezember 1860 und wurde von den Zeitgenossen nicht verstanden. Nach acht Aufführungen verschwand das Werk in der Versenkung. (Rezension der Premiere v. 12.10.2019

 

Der 2019 erstmalig in Berlin vergebene „Oper! Award“ zeichnet diese Koproduktion der Oper Köln mit der Opéra du Rhin Strasbourg als Wiederentdeckung des Jahres aus. Sie wurde in Strasbourg bereits am 8.12.2018 aufgeführt kommt am 12.10.2019 im Rahmen des Offenbach-Jahres nach Köln.

Der Trailer der Opéra du Rhin Strasbourg lässt ahnen, dass es schmissige Musik, tolle Couplets und Ensembles und ein zeitloses Bühnenbild gibt.

Oper Köln/Barkouf/Sunnyboy Dladla/Foto © Paul Leclaire

Mit erstklassiger Besetzung, unter anderem Faust-Preisträger Matthias Klink als Großwesir Barabeck, Patrick Kabongo als Offizier Saèb, Susanne Elmark als Blumenmädchen Maȉma, Katrin Zukowski als Périzade, hässliche Tochter Barabecks, Judith Thielsen als Orangenhändlerin Balkis, Sunnyboy Dlada als ihren anarchistischen Geliebten Xaȉloum und Bjarni Thor Kristiansson als Großmogul, wird die bitterböse Satire über die große Politik und eine fast gescheiterte Liebesbeziehung zwischen Maȉma und Saèb in Köln gespielt, getanzt und gesungen.

Das bestens aufgelegte Gürzenich-Orchester dirigiert Stefan Soltesz, renommierter Richard-Strauss-Experte, der sich nicht zu schade ist, dieses Kleinod der frühen französischen Operette genregerecht zum Strahlen zu bringen und Funken aus Offenbachs Musik zu schlagen. Maȉmas Lied „Ici, Barkouf“ bleibt im Ohr.

Die Namen der Rollen verraten es bereits: Die Librettisten Eugène Sccribe und Henri Boisseaux haben die Handlung im Orient, in Lahore angesiedelt, um bei der Zensur des Zweiten Kaiserreichs Napoleons III. nicht zu sehr anzuecken.

Das macht die international gefragte französische Regisseurin Marianne Clément natürlich nicht, sie verlegt die Handlung in die zeitlose Gegenwart. Die deutsche Bühnen- und Kostümbildnerin Julia Hansen zitiert ein sozialistisches Pseudo-Parlament in DDR-Optik und ein gewaltiges Aktenarchiv, in dem sich die Hundehütte Barkoufs befindet. Die Personenführung und das Timing sind so durchdacht, dass die zum Teil deftigen Gags zünden und eine Bombenstimmung aufkommt.

Ausgangspunkt der Handlung ist, dass der Großmogul einen Hund, nämlich Barkouf, als Vizekönig einsetzt, weil das Volk im letzten Jahr bereits zehn Regierungschefs wegen Unfähigkeit und Korruption aus dem Fenster gestürzt hat. Diesen Hund sieht man bis zum Schluss nicht, er scheint aber sehr bissig und gefährlich zu sein.

Oper Köln/Barkouf/Kathrin Zukowski, Matthias Klink /Foto © Paul Leclaire

Die einzige, die den Hund zähmen und seine Sprache deuten kann, ist das Blumenmädchen Maȉma, bei der man den Hund beschlagnahmt hatte. Als Dolmetscherin Barkoufs ordnet sie Steuersenkungen, die Abschaffung der Todesstrafe die Amnestierung von Anarchisten und weitere populäre Wohltaten an. Barabeck, der Maȉma wie ein Hund folgt, ist der betrogene Betrüger. Weibliche List siegt über männliche Intrigen. Außerdem kann der Hund Klüngel riechen. Das Volk lässt Barkouf hochleben.

Großwesir Barabeck und seinen Entourage zetteln einen Staatsstreich an. Barkouf muss sterben! Was für eine geniale Regime-Kritik haben sich Jacques Offenbach und sein Librettist Eugène Scribe da ausgedacht!

Und das Sujet ist zeitlos, das deuten die Masken der Verschwörer an, die die Gesichter lebender Staatsoberhäupter und Politiker, unter anderem Putin, Trump, Macron, Johnson und Erdogan zeigen.

Dazu kommt die gescheiterte Verkupplung Périzades mit Saèb und die wunderbare Liebesgeschichte zwischen Saèb und Maȉma, die natürlich glücklich endet. Zum Schluss mutieren Maȉma und Saèb optisch zum Kaiserpaar Napoleon und Eugénie. So bekommt man eine Frau an die Regierung! Das ist natürlich ein Regieeinfall von Marianne Clément. Auch Offenbach war, wie Wagner, im Grunde seines Herzens ein Monarchist.

Volker Hagedorn von der Wochenzeitung „Die Zeit“ schreibt anlässlich der Premiere in Strasbourg: „Tatsächlich ist diese Oper in ihrer paradoxen Mischung aus Pointe und Subtilität, aus Angst und Komik, einer schwärzeren, härteren Realisierung gewachsen, einer, die … unsere Ängste träfe und befreiend mit ihnen spielte, wie das nur Offenbach kann.“

Aus verschiedensten Gründen wurde die Uraufführung dieser Operette nach acht Aufführungen 1861 abgesetzt, das Libretto blieb mehr als 150 Jahre verschollen, bis der Musiker und Musikwissenschaftler Jean-Christophe Keck die handschriftliche Partitur im Haus der Offenbach-Familie entdeckte und die Erlaubnis bekam, sie zu edieren. Nach seiner Meinung ist „Barkouf“ gescheitert, weil die staatlich zensierten Kritiker und damit die Öffentlichkeit dagegen waren. Offenbach hat daraus gelernt und später nur noch viel konventionellere Operetten geschrieben.

Die Intendantinnen der Opèra du Rhin, die leider im Sommer 2019 verstorbene Eva Kleinitz, und der Kölner Oper, Dr. Birgit Meyer, waren sich einig, dieses Stück für das Offenbachjahr 2019 in Köln umzusetzen. Vorher wurde die Operette am 7. Dezember 2018 in Strasbourg aufgeführt. Die Zusammenarbeit war sehr eng, denn die Bühnenbilder mussten an die Verhältnisse in der Messehalle in Köln angepasst werden. In einem intimeren Rahmen eines „richtigen“ Theaters wäre das perfekte Timing der Gags sicher noch besser rübergekommen.

Besonders herausragend, auch schauspielerisch, ist der Tenor Matthias Klink als Barabeck, der beim Lied Maȉmas „Ici, Barkouf“ anfängt, sich wie ein Hund zu benehmen. Und Susanne Elmark als Maȉma, die mit ihrem Charme und mit wundervollen Couplets im französischen Stil, den bekanntesten der Partitur, die Herzen gewinnt.

Oper Köln/Barcouf/Bjarni Thor Kristinsson /Foto @ Paul Lecraire

Ein besonderes Lob verdient der Archivar mit dem quietschenden Schuh, der immer größere Aktenstapel von links nach rechts in die riesigen Kanzleiregale trägt und dabei immer mehr Missgeschicke aushalten muss. Er verkürzt die Zeit des Umbaus zwischen erstem und zweitem Akt.

Die Arien und Chöre sind genretypisch eher als Strophenlieder komponiert und werden in der Originalsprache gesungen, die Dialoge werden deutsch gesprochen. Es gibt eine Pause nach dem zweiten Akt, Aufführungsdauer 2 Stunden 50 Minuten.

Musikalisch ist dieser durchgeknallte Dreiakter erheblich moderner als alles andere, das von Offenbach überliefert ist. Es benutzt in der Verschwörungsszene sogar polytonale Mittel, was natürlich zu seiner Zeit, in der Richard Wagners Tannhäuser das modernste war, das je gehört wurde, sehr irritieren musste.

 

  • Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer /RED. DAS OPERNMAGAZIN
  • Oper Köln / Stückeseite
  • Titelfoto: Oper Köln/Barkouf/Foto © Paul Leclaire

 

 

 

Teile diesen Beitrag:

2 Gedanken zu „„Barkouf – ein Hund, (nein, eine Frau) an der Macht“ in Köln stürmisch gefeiert&8220;

  1. Hallo,
    falls es möglich ist, wäre es nett wenn Sie den Namen vom Hund ändern können. Es handelt sich um unseren Hund der nicht Uschi sondern Marie heißt.

    Wir würden uns freuen wenn es klappt.

    Danke und viele Grüße
    Simone Péus

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert