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Wexford Festival Opera
22.10.2019 - 03.11.2019


Do
rilla in Tempe

Melodramma eroico-pastorale in drei Akten
Libretto von Antonio Maria Lucchini
Musik von Antonio Vivaldi

In italienischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 10' (eine Pause)

Produktion des Teatro La Fenice Venedig

Premiere im O'Reilly Theatre im National Opera House in Wexford am 23. Oktober 2019



 

 

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Barocke Opulenz in Wexford

Von Thomas Molke / Fotos: © Clive Barda

Antonio Vivaldi wird heutzutage vor allem mit seinen zahlreichen Instrumentalwerken assoziiert, von denen die vier Jahreszeiten am bekanntesten sein dürften. Dabei schlug das Herz des begnadeten Geigenvirtuosen aus Venedig eigentlich für die Oper, auch wenn er sich erst im Alter von 35 Jahren relativ spät mit dieser Gattung beschäftigte. Er selbst gibt an, knapp 100 Opern komponiert zu haben, von denen rund 35 Werke und einige Pasticcios erhalten sind. Im Repertoire halten konnte sich allerdings lediglich sein Orlando furioso. Nun hat auch das Wexford Festival Opera diesen Komponisten auf den Spielplan gestellt und widmet sich damit seit über 30 Jahren erstmals wieder einer Barockoper. Die Wahl ist dabei - nicht zuletzt, weil es sich um eine Übernahme-Produktion des Teatro La Fenice in Venedig handelt - auf das am 9. November 1726 im Teatro Sant'Angelo in Venedig uraufgeführte Melodramma eroico-pastorale Dorilla in Tempe gefallen, das damals wahrscheinlich einen großen Erfolg verbuchen konnte. Immerhin wurde es in den folgenden Jahren mindestens dreimal wieder aufgenommen, einmal sogar außerhalb Venedigs in Prag, was für die damalige Zeit keine Selbstverständlichkeit war. An den meisten Opern zeigte man nach der jeweiligen Uraufführungsserie kein Interesse mehr.

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Admeto (Marco Bussi, rechts) will seine Tochter Dorilla (Manuela Custer) mit dem Hirten Nomio (Véronique Valdès) verheiraten.

Die Handlung spielt in Tempe, einer Landschaft zwischen dem Olymp und dem Ossa-Gebirge in Thessalien, und vermischt zwei mythologische Sagen mit einer leicht verworrenen Liebesgeschichte. Der Gott Apollo befindet sich hier als verkleideter Schäfer Nomio am Hof des Königs Admeto, dem er laut Mythos neun Jahre lang dienen musste, als er als Strafe für die Ermordung der Zyklopen aus dem Olymp verbannt worden war. Als Schäfer verliebt er sich in Dorilla, die Tochter des Königs. Diese liebt allerdings einen anderen Schäfer, Elmiro, den wiederum die Nymphe Eudamia begehrt, um die Filindo vergeblich wirbt. Als eines Tages der Drache Python Tempe bedroht und ein Orakel verkündet, dass Dorilla geopfert werden müsse, um den Drachen zu besänftigen, tötet Nomio den Python und rettet Dorilla. Dafür bittet er Admeto um die Hand seiner Tochter, die dieser ihm natürlich sofort gewähren will. Doch Dorilla weist aus Liebe zu Elmiro Nomio zurück. Elmiro beschließt, Dorilla zu entführen, um die Hochzeit zwischen ihr und Nomio zu verhindern. Doch die Flucht wird von Nomio vereitelt. Elmiro wird zum Tode verurteilt. Dorilla stürzt sich aus Verzweiflung in den Fluss, wird allerdings von Nomio gerettet. Dieser gibt sich schließlich als Gott Apollo zu erkennen und ordnet an, dass Dorilla und Elmiro verheiratet werden und dass auch Eudamia das Liebeswerben Filindos erhören soll. So gibt es am Ende zwei glückliche Paare, die einen Lobgesang auf den Gott Apollo anstimmen.

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Doch Dorilla (Manuela Custer) liebt den Hirten Elmiro (Josè Maria Lo Monaco).

Wie schon vor drei Jahren bei Donizettis Maria de Rudenz setzen Regisseur Fabio Ceresa und Bühnenbildner Giuseppe Palella auf eine opulente Ausstattung, die ganz im Sinne einer Barockoper ist. Palella teilt den Figuren dabei im Großen und Ganzen zwei Farben zu. Die aufwändigen Gewänder von Dorilla, Elmiro, Nomio, den Nymphen und den Hirten sind in Weiß passend zum Bühnenbild gehalten, was vielleicht ihre Nähe zur Natur darstellt. Die Kostüme des Königs, seiner Diener und Eudamias bilden in ihrem satten Grün einen starken Kontrast. Nomio trägt unter seinem weißen Umhang ein golden glänzendes Gewand, was ihn als verkleideten Gott kennzeichnet. Massimo Checchetto hat ein Bühnenbild konstruiert, das mit seinen beiden halbrund nach oben führenden Treppen mit zahlreichen antiken Statuen an einen Ausschnitt eines feudalen Renaissance-Schlossparks erinnert. Die Verzierungen der Säulen und des Aufgangs sind dabei genauso üppig gehalten wie die Kostüme von Palella. Da die Oper zu Beginn musikalische Anklänge an den "Frühling" aus Vivaldis vier Jahreszeiten enthält, wird auch im Bühnenbild auf den Zyklus des Jahres angespielt. Wenn Dorilla zu Beginn der Oper mit den Nymphen und den Hirten die Ankunft des Frühlings feiert, wird die ganze Bühne mit üppigen Blumenranken geschmückt. Auch Dorilla wird mit zahlreichen Blüten verziert. Im weiteren Verlauf der Oper durchläuft dieser Schmuck die einzelnen Jahreszeiten. Im Herbst sind die Ranken verblüht und erinnern in ihren Farben an fallendes Laub. Im Winter ist der Blumenschmuck verschwunden. Einzelne Flocken fallen aus dem Schnürboden herab, und die Diener Admetos zittern vor Kälte.

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Apollo (Véronique Valdès, oben Mitte) steigt in den Himmel empor (unten von links: Elmiro (Josè Maria Lo Monaco), Dorilla (Manuela Custer), Admeto (Marco Bussi), Eudamia (Laura Margaret Smith) und Filindo (Rosa Bove), dahinter Chor und Tänzer).

Neben diesem Augenschmaus bekennt sich Ceresa auch in seiner Regie zu einer gewissen Form des Kitsches, allerdings mit einem Augenzwinkern. So lässt er den Drachen Python als eine Art Riesenkobra, die von den Tänzerinnen und Tänzern in schlangenförmigen Bewegungen an Stöcken geführt wird, auftreten und über die Bühne gleiten. Dorilla wird an eine Säule als Opfer gefesselt und in letzter Sekunde von Nomio / Apollo gerettet, der den Drachen mit mehreren Stößen niederstreckt und ihm anschließend auch noch den Kopf abschlägt. Admeto wird in seinem wallenden Gewand mit einem bodenlangen Umhang leicht effeminiert wie ein nicht ernst zu nehmendes Kind interpretiert, das aufgrund seiner Machtposition seine Wünsche durchsetzt und dabei auf Verluste keine Rücksichten nimmt. Wieso seine Diener zunächst mit einem schwarzen Mundschutz auftreten und Dorilla mit weißen Regenschirmen in ihre Schranken weisen, bleibt etwas unklar. Witzig ist es allerdings schon, wenn sie Dorilla ständig daran hindern, zu viel Kalorien zu sich zu nehmen, und letztendlich auch Admeto die zahlreichen Leckereien entwenden. Schmunzeln lässt natürlich auch das lieto fine. Dass die intrigante Eudamia wirklich einlenkt und ihr Herz dem armen Filindo schenkt, bleibt genauso unglaubwürdig wie die plötzlich erwachte Liebe Admetos zu seiner Tochter und seine Bereitschaft, einer Vermählung mit Elmiro zuzustimmen. Apollo hat sich mittlerweile als golden glänzender Gott zu erkennen gegeben und wird unter dem Jubel des Chors mit Strahlenkranz in den Schnürboden emporgezogen.

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Eudamia (Laura Margaret Smith, oben) benutzt Filindo (Rosa Bove, unten) für ihre Intrige.

Was die Akustik betrifft, erweist sich das O'Reilly Theatre als durchaus geeignet für Barockopern. Wieso man sie so viele Jahre gemieden hat, ist unklar (vielleicht weil die zu Beginn einer jeden Opernaufführung gespielte irische Hymne auf Barockinstrumenten etwas fremd klingt?). Andrea Marchiol lotet mit dem Wexford Festival Opera den Glanz von Vivaldis Musik differenziert aus. Für die szenische Umsetzung der Arien, die die eigentliche Handlung in der Barockoper zum Stillstand bringen, hat Ceresa gute Wege gefunden, so dass in keinem Moment Langeweile aufkommt. So lässt er beispielsweise Filindo, wenn dieser sich für die Zurückweisungen Eudamias rächen will, mit einer Flinte einen weißen Vogel jagen, der an einer Stange auf die Bühne gehalten wird und zu den Trillern der Musik entsprechende passende Bewegungen macht. Eudamia ist in Ceresas Inszenierung das Orakel, das verkündet, dass Dorilla geopfert werden müsse, um einen weiteren Versuch zu unternehmen, Elmiro für sich zu gewinnen. In ihrer Gleichnisarie wird sie zu einer Zauberin, unter deren Rock sich ein regelrechter Seesturm abspielt, in dessen Wogen Filindo unterzugehen droht.

Von den Solisten haben drei Sängerinnen die Partien bereits in Venedig interpretiert. Da ist zunächst Véronique Valdès in der Rolle des Nomio / Apollo zu nennen. Mit dunklem Mezzosopran und beobachtendem Spiel legt sie sehr erhaben die Partie des Gottes an, der in Liebe zu der schönen Dorilla entbrennt, am Ende aber erkennen muss, dass er sie nicht für sich gewinnen kann. Manuela Custer gestaltet die Titelpartie mit warmem Mezzosopran, der die Lieblichkeit der Figur unterstreicht. Besonders überzeugend gelingen ihr die leidenden Szenen. Rosa Bove verfügt als Filindo über einen sehr frischen Mezzosopran, der in den Läufen große Beweglichkeit besitzt. Mit dieser Figur hat man vielleicht ein wenig Mitleid, da sie sich vergeblich nach Eudamia sehnt. Laura Margaret Smith punktet als intrigante Eudamia mit beweglichem Mezzosopran, der in den Höhen große Strahlkraft besitzt. Wunderbar spielt sie auch die Hinterlist dieser Figur aus. Josè Maria Lo Monaco gestaltet die Partie des Hirten Elmiro mit virilem Mezzosopran und eindringlichem Spiel. Allerdings wirkt das weiße Haarnetz, das sie trägt, ein wenig feminin, so dass man sie im Gegensatz zu Nomio und Filindo am Anfang nicht unbedingt sofort als Hosenrolle identifiziert. Marco Bussi legt die Partie des Königs mit dunklem Bariton an, wobei die stimmliche Autorität durch die Darstellung allerdings wieder in Frage gestellt wird. Die vier Tänzerinnen und Tänzer sorgen als Diener, Nymphen und Hirten für optisch ansprechende Untermalungen der Szenen. Der Chor unter der Leitung von Errol Girdlestone rundet die gelungene musikalische Umsetzung überzeugend ab, so dass es am Ende verdienten Beifall gibt, der allerdings ein bisschen schwächer als bei Don Quichotte am Abend zuvor ausfällt. Vielleicht fremdelt das Publikum in Wexford nach über 30 Jahren noch ein wenig mit der Gattung Barockoper.

FAZIT

Das Team um Fabio Ceresa setzt dieses selten gespielte Werk opulent und mit witzigen Regie-Einfällen um. Für ein Festival, das sich überwiegend Opernausgrabungen widmet, würde die Barockoper auch für die kommenden Jahre noch einiges Potenzial bieten.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andrea Marchiol

Regie
Fabio Ceresa

Bühne
Massimo Checchetto

Kostüme
Giuseppe Palella

Licht
Simon Corder

Chorleitung
Errol Girdlestone



Orchester des Wexford Festival Opera

Chor des Wexford Festival Opera


Solisten

Admeto
Marco Bussi

Dorilla
Manuela Custer

Elmiro
Josè Maria Lo Monaco

Nomio / Apollo
Véronique Valdès

Eudamia
Laura Margaret Smith

Filindo
Rosa Bove

Ninfe
Rebecca Hardwick
Lizzie Holmes

Pastori
Meriel Cunningham
Emma Lewis

Tänzerinnen und Tänzer
Alessandra Bordino
Noemi Bresciani
Pieradolfo Ciulli
Francesca Penzo
Fillippo Stabile
Maura di Vietri

 


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