Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



The Bassarids (Die Bassariden)

Musikdrama in einem Akt
Libretto von Wystan Hugh Auden und Chester Kallman
nach der Tragödie Die Bakchen des Euripides
Musik von Hans Werner Henze
Revidierte und reduzierte Fassung (1992) mit Intermezzo (Originalfassung)

in englischer Sprache mit verschiedensprachigen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (keine Pause)

Premiere an der Komischen Oper Berlin am 13. Oktober 2018


Homepage

Komische Oper Berlin
(Homepage)
Aus nächster Nähe

Von Roberto Becker / Fotos von Monika Rittershaus

Die drei großen Opernhäuser der Stadt wollen mit ihren Premieren ein Zeichen setzen. In der laufenden Spielzeit baute die Deutsche Oper weniger mit der Stückauswahl als vielmehr mit dem dafür eingeladenen Regisseur auf Kontroverse. Frank Castorf lieferte denn auch mit seiner Version von Verdis La forza del destino den Aufmerksamkeitseffekt, den man wohl einkalkuliert hatte. Wenngleich der noch etwas krawalliger ausfiel, als zu erwarten war. Die Lindenoper folgte am Nationalfeiertag ausgerechnet mit Otto Nicolai. Aber nicht etwa mit seiner Revolutionsoper Regina, sondern mit den Lustigen Weibern von Windsor. Dafür sprach immerhin, dass Nicolai zu den berühmten Vorgängern Daniel Barenboims am Pult des Hauses gehört und seine Oper 1849 an diesem Haus uraufgeführt wurde. David Bösch war gleichwohl nicht der richtige Regisseur, um das Stück zu einem Zugpferd fürs Repertoire der nächsten Jahre zu machen. Daran ändert auch der stimmliche Luxus nicht, mit dem sie ausstaffiert wurde.

Vergrößerung Der blinde Seher im Zentrum

Damit hatte Barrie Kosky von vornherein gute Karten. Zumal der einzige Künstlerintendant unter den drei Chefs selbst inszenierte und mit Hans-Werner Henzes Bassariden (in der englischen Originalversion) auch bei der Stückauswahl ambitioniert vorging. Die Geschichte bricht an der Komischen Oper ohne folkloristisch historisierenden Schnickschnack, gleichwohl aber mit archaischer Wucht übers Publikum herein. Verhandelt wird der Gegensatz von ungezügelter, sprichwörtlich dionysischer Lust und einer Welt von (Selbst)-Beherrschung und Ordnung. Dieser Gegensatz ist personifiziert in Gott Dionysos persönlich und in Pentheus, König von Theben. Wenn der Gott nach Theben kommt und dort die Menschen in seinen Bann zieht, dann geht es ihm freilich um einen Rachefeldzug, um die Bewältigung eines Traumas.

Vergrößerung

Zweikampf zwischen zwei Männern - doch der König (links) hat gegen den Gott (rechts) keine Chance

Wie Wotan ist dieser Gott also ziemlich menschlich gestrickt. Es genügt ihm aber nicht, das Volk aufzustacheln, um gegen die herrschende Ordnung zur rebellieren, er treibt die Mutter des Königs Agaue so weit in einen Rausch, dass sie im Exzess den eigenen Sohn zerfleischt, weil sie ihn für einen jungen Löwen hält. Dass der Palast niedergebrannt wird, ist gegen diesen mit jeder Zivilisation brechenden Kindermord fast noch harmlos.
Nimmt man diesen zentralen Kern des Geschehens und die Jahre der Entstehung und Uraufführung des Werkes (1966 ins Salzburg), dann ergibt sich der Bezug zum Stand des Umgangs mit der Vergangenheit in Mitteleuropa gleichsam von selbst. Henze ging es hier natürlich um mehr als eine antike Tragödie. Um die geht es natürlich auch. Für den szenischen Umgang mit diesem Werk, das sich im Repertoire etabliert hat, bietet das eine Reihe von verschiedenen Möglichkeiten des Zugangs.


Vergrößerung Kosky fasziniert immer wieder mit eindrucksvollen Chorszenen

Ein Problem des Abends ist aber überraschenderweise auch die Regie. Es ist ein Carsen von der Stange Wichtige Neuinterpretationen der letzten Jahre haben sich dabei mehr oder weniger deutlich auf die Seite der erzählten Geschichte geschlagen. Etwa Peter Stein in Amsterdam 2005, oder die zupackende Aktualisierung, mit der Tilman Knabe 2008 in Hannover schockierte. Andere konzentrierten sich hingegen eher auf den grundsätzlichen Diskurs des Pentheus mit dem Widerpart Dionysos bzw. eine Auseinandersetzung mit dem Dionysischen, wie es etwa Frank Hilbrich in Mannheim vor allem aber Christoph Loy in München 2008 durchbuchstabiert haben. Im vorigen Jahr fokussierte auch Krzysztof Warlikowski in Salzburg seinen Blick eher auf die psychologische Komponente, projiziert die gleichwohl nicht explizit in eine gesellschaftliche, politisch klar identifizierbare Dimension.
Kosky geht es um das Exemplarische, um die aufeinandertreffenden Prinzipien. Er personifiziert sie in einem auch handgreiflichen Kampf ihrer jeweiligen Repräsentanten.

Vergrößerung

Verzweiflung pur ...

Bei Kosky bleibt der Zuschauerraum erleuchtet. Die eigentliche Bühne ist mit einer Treppe zugebaut, die an ein griechisches Theater erinnert. Der Gott kommt über den Rang. Sean Panikkar verkörpert ihn mit seinem exotischen Charme in Berlin ebenso selbstverständlich, wie schon im Letzten Jahr in Salzburg. Auch die Agaue Tanja Ariane Baumgartner war da schon mit von der Partie. Beide überzeugen auch in Berlin. Günter Papendell ist der Gegenpart des einen und der Sohn der anderen. Er wird zum Opfer von beiden. Die Vernunft hat in dem entfesselten und eskalierenden Klangrausch schlechte Karten. Das wird allemal klar. Aus dem hervorragenden Ensemble ragen Jens Larsen der alte Cadmus und Ivan Turši? als blinder Seher Tiresias heraus.

Die Tänzer und der Chor sind wie fast immer an der Komischen Oper von Otto Pichler präzise durchchoreographiert, spielen hier sogar eine Hauptrolle. Wenn auch eher reagierend. Vladimir Jurowski hält vom Pult aus das nicht nur Graben platzierte Orchester mit Übersicht zusammen und hat keinen geringen Anteil am Überwältigungspotenzial, dass diese Produktion entfaltet.


FAZIT

Barrie Koksy ist an der Komischen Oper eine überzeugende Variante von Hans-Werner Henzes Bassariden gelungen.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Vladimir Jurowski

Inszenierung
Barrie Kosky

Bühne und Kostüme
Karin Lea Tag

Choreographie
Otto Pichler

Licht
Franck Evin

Chöre
David Cavelius

Dramaturgie
Ulrich Lenz



Chorsolisten der Komischen Oper

Vocalconsort Berlin

Orchester der Komischen Oper


Solisten

Dionysus
Sean Panikkar

Penthaus, König von Theben
Günter Papendell

Cadmus, sein Großvater
Jens Larsen

Agave
Tanja Ariane Baumgartner

Autonoe, ihre Schwester
Vera-Lotte Boecker

Tiresias, ein blinder Seher
Ivan Turšić

Captain of the Royal Guard
Tom Erik Lie

Berge, Amme
Margarita Nekrasova

Tänzerinnen und Tänzer
Azzurra Adinolfi
Alessandra Bizzarri
Damian Czarnecki
Michael Fernandez
Paul Gerritsen
Claudia Greco
Christoph Jonas
Csaba Nagy
Sara Pamploni
Lorenzo Soragni



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Komischen Oper Berlin
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2019 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -