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Die Messagiera kommt im Schutzanzug: Martin Platz als Orfeo und Almerija Delic (im Video) in der Nürnberger „L’Orfeo“-Produktion. Foto: Ludwig Olah
Die Messagiera kommt im Schutzanzug: Martin Platz als Orfeo und Almerija Delic (im Video) in der Nürnberger „L’Orfeo“-Produktion. Foto: Ludwig Olah
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Monteverdis „L’Orfeo“, zeitgenössisch fortgeschrieben am Staatstheater Nürnberg

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Als erste Opernpremiere der neuen Saison hat Nürnbergs Staatsintendant Jens-Daniel Herzog als Regisseur Claudio Monteverdis „L’Orfeo“ auf die Bühne gebracht. Die gekürzte und stellenweise stark modernisierte Orchesterfassung stammt von Frank Löhr und Joanna Mallwitz. Hörenswert, findet unser Kritiker Juan Martin Koch.

Na so was – die Oper hat noch gar nicht angefangen, und der Deus ex machina ist schon da!  Landesvater Söder hatte es kurzfristig leider doch nicht einrichten können, persönlich zur ersten Nürnberger Opernpremiere zu kommen, aber so eine Erscheinung per Videobotschaft macht ja auch gleich mehr her. Oder auch nicht. Sparsamer Applaus.

Jede Menge Videobotschaften – von Stefan Bischoff bereitgestellt oder absichtsvoll handy-verwackelt live – hat auch Staatsintendant und Regisseur Jens-Daniel Herzog für uns parat. Zunächst kosmisch-verschwurbelt à la Terrence Malick, dann bedeutungsplakativ: Zum Tod Eurydices sind Krankenwagen und Not-OP, später von der Pandemie leergefegte Großstadtschluchten und als Unterwelt Waldbrände zu sehen.

Manches ist videotechnisch beeindruckend gelöst – der Gang Eurydices aus dem Totenreich etwa –, dennoch überfrachten die Bilder die Szenerie über weite Strecken, lassen das eigentliche Drama trotz der aktuellen Dringlichkeit, die Herzog dem Stoff abzugewinnen versucht, kaum zur Entfaltung kommen.

Das interessanteste an diesem Abend ist somit die musikalische Gestaltung. Frank Löhr und Generalmusikdirektorin Joanna Mallwitz haben eine einerseits plausibel gekürzte, andererseits stilistisch von der historischen Aufführungspraxis bis in die Gegenwart hineintönende Fassung erarbeitet. Weit auseinander sitzen die verschiedenen Instrumentalgruppen und verbinden sich raummusikalisch zu teils überraschend stimmigen, dann wieder zu etwas plump ins Filmmusikalische oder Pseudoavantgardistische abdriftenden Fortschreibungen von Monteverdis harmonischer und instrumentaler Sprache.

Joanna Mallwitz koordiniert das bravourös, die Musiker*innen der Staatsphilharmonie zeigen sich äußerst versiert. Wenn es dann einmal für längere Phasen oder eine geschlossene Nummer zum Original zurückgeht, wird aber eben auch klar, wie vollendet Monteverdis musikdramatische Vision schon war.

Das berühmte „Possente spirto“ ist so ein Moment, und Martin Platz meistert das als Orfeo mit großer Ausdruckskraft und erstaunlich stilsicher. Ähnliches gilt für das weitere Ensemble, darunter Andromahi Raptis als betörende Musica, Julia Grüter als innige Euridice, Almerija Delic als dramatische (in Corona-Schutzkleidung auftretende) Messagiera und verführerische Proserpina.

Großer Jubel für diese vor allem hörenswerte Produktion im erschütternd schütter besetzten Zuschauerraum. Da muss doch mehr gehen: Söder ex machina – Ihr Einsatz!

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