„Heute Abend – Lola Blau“ – klassischer Kabarett-Abend in der Oper Köln

Oper Köln/Lola Blau/ Katrin Wundsam/ Foto © Paul Leclaire

Katrin Wundsam ist Lola Blau. Und der Song: „Im Theater ist was los“ zieht sich wie ein roter Faden durch das Programm. Wundsam, als jugendliche Naive, als glamouröse Marlene-Dietrich-Diva, als fesche Lola, die die Männer durchschaut, als Lotte Lenya mit Zigarettenkippe im Mundwinkel, als Operettendiva und zum Schluss als resignierte Kabarettistin „wirkungslos vom eigenen Klang berauscht“, zieht alle Register als Schauspielerin, Tänzerin und vor allem als Liedgestalterin, die sie ist. Sie wurde 2009 von Uwe Eric Laufenberg ins Ensemble der Kölner Oper engagiert und hat unter anderem als Dorabella, Carmen, Prinz Orlovsky, aber auch als Sängerin der Luciano-Berio Folk-Songs beim WDR-Sinfonieorchester Furore gemacht. (Besuchte Vorstellung: 10.10.20

 

Georg Kreisler, der die Revue, die er 1971 seiner Frau Topsy Küppers auf den Leib schrieb, mit einer Rahmenhandlung versah, verarbeitet damit seine eigene Migrationsgeschichte. Als Wiener Jude emigrierte er 1938 in die USA, wo er durchaus erfolgreich war, kehrte aber 1946 wieder nach Wien zurück. Sein bissiger Wortwitz kann nicht ins Englische übertragen werden. Er ist fassungslos darüber, dass der Antisemitismus in Europa immer noch endemisch ist.

In 15 Nummern skizziert er das Emigrantenschicksal einer jungen jüdischen Sängerin, vom ersten Vorsprechen für eine Rolle in Linz über das Engagement als Nachtclub-Sängerin, Ausweisung aus der Schweiz, Überfahrt in die USA mit Auftritt als große Dame, aber auch als jüdisches Mädchen, Tingeln als Revuestar in den Staaten und Rückkehr nach Europa. Nach einem erfolglosen Versuch, als Schauspielerin Fuß zu fassen wird sie Kabarettistin und resigniert schließlich.

Vordergründig ein Kabarett-Programm und eine Emigrationsgeschichte,  ist es letztlich die Entwicklung einer naiven Österreicherin, deren Geliebter von den Nazis nach Dachau deportiert wird, und die durch dieses Trauma in Depression und Sucht verfällt, zu einer resignierten reifen Kabarettistin.

Oper Köln/Lola Blau/ Rainer Mühlbach, Katrin Wundsam/ Foto © Paul Leclaire

Ursprünglich in Köln erstmalig am 10.4.2015 im Foyer des Musicaldom, später im Saal 3 des Staatenhauses aufgeführt, ist dieses Zweipersonen-Stück fast uneingeschränkt Corona-tauglich. Katrin Wundsam als Lola Blau, Rainer Mühlbach als Leo und als Pianist, Dorrit Baurecker als Akkordeonspielerin und zwei Statisten gestalten einen abwechslungsreichen Abend in der von Rainer Mühlbach und der Regisseurin Eike Ecker erarbeiteten Fassung für die Oper Köln. Die Inszenierung konnte trotz Corona-Pandemie mit kleinen Korrekturen bezüglich der Abstandsregeln voll übernommen werden. Nur das Publikum, das 2014 noch eng beieinander wie in einem plüschigen Kabarett saß, ist jetzt über eine viel weitere Fläche verteilt. Die Protagonisten tragen dezente Headsets, so dass die Sprache voll verstanden wird.

Die umsichtige musikalische Begleitung durch Rainer Mühlbach und bei zwei Chansons die Akkordeonspielerin Dorrit Baurecker dient ganz der unfassbar wandlungsfähigen Katrin Wundsam als Lola Blau zur Begleitung.

Oper Köln/Lola Blau/ Katrin Wundsam/ Foto © Paul Leclaire

Mit enormer Bühnenpräsenz zeigt sie die Gefühle dieser Protagonistin von der jungen Naiven zur abgebrühten Dramatischen, die einen Herrn Direktor um eine Rolle anbettelt und dabei alle Register zieht, vom französischen Chanson bis zur Persiflage der Operette. Enorm stilsicher kann sie mit Mut zur Vulgarität und wenigen Requisiten und Tanzschritten Seelenzustände verdeutlichen.

Rainer Mühlbach und Eike Ecker haben sich die Pflege Georg Kreislers auf die Fahne geschrieben, dessen Kabarett abgesehen vom Unterhaltungswert durch Wortwitz und musikalische Brillanz auch echte Denkanstöße gibt.

So hat sich das Bühnenleben in dem halben Jahrhundert seit Entstehen des Stücks nicht wirklich geändert. Immer noch leben Künstlerinnen und Künstler mit Zweijahresverträgen und windigen Engagements als freie Musiker am Rand der Armutsgrenze, wie die Corona-Pandemie zeigt.

 

  • Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer
  • Oper Köln / Stückeseite
  • Titelfoto: Oper Köln/Lola Blau/ Rainer Mühlbach, Katrin Wundsam/ Foto © Paul Leclaire 
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