Oper „Der Goldene Hahn“ :
Eine Königin empfiehlt sich

Von Marc Zitzmann
Lesezeit: 4 Min.
Kühle Königin (Nina Minasyan) mit totem Zarewitsch zu Füßen.
Burleske der bösen Art: Nikolai Rimski-Korsakows Oper „Der Goldene Hahn“ wird an der Oper Lyon aufgeführt. Für den Komponisten war sein letztes Werk eine „Märchen-Fabel“ – magisch und belehrend.

Welcher Operngattung soll man Nikolai Rimski-Korsakows Dreiakter „Der Goldene Hahn“ zuordnen? Der Komponist nannte sein fünfzehntes und letztes, 1906/07 entstandenes Musiktheaterstück eine „Märchen-Fabel“. Tatsächlich findet man darin Magisches und Belehrendes, nur ist der Zauber eher faul und zielt das Didaktische weniger auf Erbauung ab denn auf Denunziation. So nebelhaft der tiefere Sinn der Geschichte, so sonnenklar indes die Intention: Im Gefolge der Niederschlagung einer Arbeiterdemonstration am 9. Januar 1905, die als „Petersburger Blutsonntag“ in die Geschichte eingehen sollte, beschloss der liberale Komponist, mit dem zaristischen System abzurechnen. Und zwar von der Spitze, dem kindisch-verzogenen Monarchen, seiner permissiven Amme, seinen missratenen Söhnen, über die ungeschlachten Generäle, kriecherischen Bojaren und hasenfüßigen Soldaten bis zum Volk, das jede Hand, die es schlägt, mit masochistischer Untertänigkeit küsst. „Der Goldene Hahn“ ist eine der wenigen Opern ohne jeden Sympathieträger. Man könnte das Stück eine „Märchen-Satire“ nennen: eine Folge naiv-pittoresker Vignetten mit holzschnittartigen Figuren, burlesken Szenen und oftmals ätzendem Tonfall.

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