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Bayreuther Festspiele 2021

Der fliegende Holländer

Romantische Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache

Aufführung im Festspielhaus Bayreuth am 04. August 2021 (3. Aufführung)


Aufführungsdauer: ca. 2h Stunden 20' (keine Pause)


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Bayreuther Festspiele
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Tatort, Folge 2713: Kein Schiff wird kommen

Von Stefan Schmöe, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath


Wir haben den fliegenden Holländer wohl bisher immer falsch verstanden. Da dachten wir, ein reuiger Sünder (dessen Vergehen irgendwie aus grauer Vorzeit stammt) müsse durch eine erlösungsbereite Frau gerettet werden (was uns freilich nie überzeugt hat), oder dass ein mysteriöser Fremder allemal eine aufregendere Zukunft (auch erotisch) verspricht als das allzu brave Spießbürgertum (das haben wir gerne geglaubt). Wir hätten uns an Dürrenmatt halten sollen, der uns ja eindringlich eingetrichtert hat, dass eine Geschichte erst zu Ende gedacht ist, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat. Der Schweizer Dramatiker hat ja auch aufgezeigt, wie alte Damen Rache nehmen können für ergangenes Unrecht. Und wie die bürgerliche Welt mit ihren Idealen ganz, ganz schnell zusammenbrechen kann hinter ihrer glatten Fassade. Aber so diffizil denkt Regisseur und Bühnenbildner Dmitri Tcherniakov dann doch nicht: Eine handvoll gewaltbereiter Halunken müssen herhalten, um eine Kleinstadt in Schutt und Asche zu legen.

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Männerrunde mit Steuermann (links) und Daland in der Dorfkneipe

Die Handlung irgendwie in die Gegenwart zu übertragen, das ist ja inzwischen besserer (oder schlechterer) Stadttheaterstandard. Hier ist es eine gesichtslose Häuserzeile im Nebel, die vermutlich nicht einmal in der Nähe des Meeres liegt ,mit Allerweltsklinkerfassaden und Kirche, variabel verschiebbar. In der Kneipe erzählt man sich so allerlei, wie das (Achtung, Klischee) unter Männern so üblich ist, und da kann man auch schon mal auf dem Tisch einschlafen wie der "Steuermann" (mittelprächtig: Attilio Glaser), da kann man mit Reichtum protzen ("ich zahl´ die nächste Lokalrunde"), da mag man womöglich auch die eigene Tochter verhökern (na ja, wohl eher seltener). Die Frauen treffen sich in ermüdend tristen Alltagskostümen (Elena Zaytseva) zur Chorprobe draußen auf der Straße (in Zeiten von Covid19 fast wieder glaubwürdig) und singen Lieder aus Zeiten, in denen noch gesponnen wurde, nur die pubertäre Senta mag sich nicht anpassen - schwierig, die Jugend von heute. Würde nicht Asmik Grigorian mit jugendlich strahlendem, höchst intensivem, immer drängendem Sopran die Rolle absolut glaubwürdig verkörpern, auch optisch perfekt die junge Rebellin geben, dann wäre das Konzept wohl schnell krachend gescheitert. So ist es jedenfalls ziemlich spannend, weil die genaue Personenregie den Krimi, den Tcherniakov im Sinn hat, doch ziemlich gut in Gang setzt.


Vergrößerung in neuem Fenster In der Pubertät verhalten sich Adoleszenten manchmal merkwürdig. Senta z.B. singt eine Ballade.

Den Holländer gibt John Lundgren durchaus charismatisch, sowohl im Auftreten als auch im etwas ungenauen, aber düster-großformatigen Bass. Der mysteriöse Fremde, der sich durchaus faszinierend vom Graubraun in Graubraun des Alltags absetzt. So weit, so bekannt und gut. Mary (nicht schlecht, aber unscheinbar: Maria Prudenskaya) ist hier die Lebensgefährtin Dalands (vorbildlich textverständlich: Georg Zeppenfeld), warum auch nicht, und man speist gediegen im zu klein geratenen Wintergarten, aber mehr kann der Kleinbürger sich halt nicht leisten, und präsentiert der aufmüpfigen Tochter den Wunschschwiegersohn. Alles wie irgendwo schon mal gehabt, handwerklich gut inszeniert und dadurch durchaus fesselnd. Zumal das ausgezeichnete Festspielorchester unter der Leitung von Oksana Lyniv ungemein packend aufspielt. Die Dirigentin hebt das Neuartige dieser Partitur hervor, das sich abzeichnende Musikdrama, das Drängende und Bedrohliche, und auch in den konventionellen Nummern, die es beim Holländer ja noch gibt, mischt sich immer irgendeine Nebenstimme beunruhigend ein, die sagt: Vorsicht, Gefahr! Orchestral ist das ein dramatischer Holländer geworden, in der (zu stark zurückgenommenen, aber - wie alle Chorpassagen - betörend klangschön) großen Chorszene des dritten Akts in der hier beschriebenen dritten Aufführung ziemlich verwackelt, aber ansonsten (auch in der Balance mit den Sängerinnen und Sängern) ein vielversprechendes Bayreuth-Debut für die 43-jährige Dirigentin.

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Gemütliches Abendessen: Der Holländer, Mary, Daland und Senta

Was wir freilich nie für möglich gehalten haben: Erik, dieser Langweiler, könnte am Ende Recht behalten mit seinen Warnungen, die eigentlich immer die Handlung unnötig aufhalten, weil sich weder Senta noch das Publikum ernstlich für seine Einwände interessieren. Eric Cutler gibt ihn mit ganz interessant eingedunkeltem, auch höhensicherem Tenor, aber wabernder und dadurch immer ein wenig weinerlichen Stimme, sodass man wie immer denkt: Nimm lieber den Holländer, Senta, auch wenn der hier allzu alt erscheint für eine glückliche Lebensabschnittspartnerschaft. Dieser Holländer trägt aber ein ganz anderes Geheimnis mit sich herum, das der Regisseur zur Ouvertüre erzählt. Da sieht man eine Frau, die ein Kind verabschiedet, um dann leidenschaftlich einen Mann zu küssen - wobei sie vom zurückgekehrten Knaben überrascht wird. Schnitt. Ein älteres Kind, vermutlich der Knabe in fortgeschrittenem Alter, schlendert durch die gesichtslose Stadt, die Frau trifft erneut den Mann, wird aber abgewiesen. Vergeblich sucht sie Trost in der Kirche, wird in den Selbstmord getrieben. Texteinblendungen verraten, dass der H. ("Holländer") Jahre später unerkannt zurückkehrt. Um, wie wir sehen werden, seine Mutter grausam zu rächen. "Spiel´ mir das Lied vom Tod"? So bildgewaltig wie bei Sergio Leone geht es dann doch nicht zu, da bleibt Tcherniakov doch näher am deutschen Fernsehfilm.


Vergrößerung in neuem Fenster Straßenfest mit unerwünschten Gästen

Man ahnt ja früh, dass die Geschichte eine bitterböse Wendung nimmt. Tut sie auch verlässlich und endet im Knalleffekt. Wenig Überlebende. So spannend Tcherniakov auch erzählt, das arg konstruierte Finale hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Schaurig schöne Krimikost, die ziemlich weit an Wagner vorbei inszeniert ist. Wobei sich zu allem Überfluss auch das rächend Böse dann unerwartet einfach aus der Welt schaffen lässt.


FAZIT
Ein Fall für Krimi-Liebhaber: Die Inszenierung entwickelt zwar im genauen Zusammenspiel mit der (oft großartigen) Musik einiges an Spannung, der Plot entpuppt sich aber letztendlich als ziemlich, pardon, doof.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Oksana Lyniv

Inszenierung und Bühne
Dmitri Tcherniakov

Kostüme
Elena Zaytseva

Licht
Gleb Filshtinsky

Chor
Eberhard Friedrich

Statisterie, Chor und Orchester
der Bayreuther Festspiele


Solisten

Daland
Georg Zeppenfeld

Senta
Asmik Grigorian

Erik
Eric Cutler

Mary
Marina Prudentskaya

Der Steuermann
Attilio Glaser

Der Holländer
John Lundgren


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