„Antikrist“ in Berlin : Die Melancholie des Machbaren
Das Drastische und das Eindeutige sind zwei verschiedene Dinge. Die Bilder, die der Regisseur Ersan Mondtag für die lang geschmähte Oper „Antikrist“ des dänischen Außenseiters Rued Langgaard (1893 bis 1952) gefunden hat, sind drastisch: Die große Hure, ein Klops aus erogenen Knautschzonen, trägt weibliche Brüste, hat Hoden und einen Penis, singt aber mit dem üppig süßen Wonnesopran von Flurina Stucki. Das Tier in Scharlach hat ebenfalls weibliche Brüste und eine behaarte Vulva, singt aber mit dem aufreizend strahlenden Tenor von AJ Glueckert. Aus dem Schnürboden herab hängt an einem Strick wie ein trauriger Selbstmörder ein wohl acht Meter langer Menschenleib. Sein Kopf trägt die Züge des Schauspielers Jonas Grundner-Culemann, der zugleich auf der Bühne mit großer Verstörtheit die Stimme Gottes spielt, die zu einem Erfüllungsgehilfen Luzifers geworden ist. Die rasierte Scham des riesigen Körpers zeigt aber ein weibliches Geschlechtsteil.