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Jennifer Holloway, Klaus Florian Vogt. Foto: Brinkhoff/Mögenburg
Jennifer Holloway, Klaus Florian Vogt. Foto: Brinkhoff/Mögenburg
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Nichts Neues über Tannhäuser – Kornél Mundruczó inszeniert Tannhäuser an der Staatsoper Hamburg

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Das erste Bild war vielversprechend. Keine dauersinnliche Venus, bei der Sänger zum Dauerbesuch da sind, sondern eine Aussteigerfamilie, die in den Schönheiten des Dschungels einerseits alternativ, andererseits vollkommen bürgerlich lebt: die Kinder turnen auf Papa Tannhäuser herum und von Venus erhält er erst einmal eine schallende Ohrfeige, als er bekennt, dass er gehen will, dass er es satthat und dass dieses Leben ihm auch nicht das gebracht hat, was er sich vorstellte. Schon in der Ouvertüre ist Tannhäuser schlafend zu sehen: Träume und vergangene Wirklichkeiten ziehen an ihm vorbei. Die Erinnerung an seine Hochzeit, sein Gefühl, zu ertrinken...

Nun ist die Interpretation, dass der Venusberg nicht gerade ewige Sinnlichkeit, sondern die Sehnsucht des Aussteigens generell zeigt, nicht neu, aber es ist hier ein überzeugendes Bild, in dem Tannhäuser seine ehemalige Anbetung nur noch zaghaft und halbherzig singt. Man durfte gespannt sein, wie Mundruczó, der in seinen Filmen durch psychologische Genauigkeiten aufgefallen ist, die Gegenwelt in der 1845 entstandenen Oper gestalten wird. Und das hatte leider wenig Konturen. Und vor allem war das, was er von der Aufeinanderprallung der beiden Welten so klug im Programmheft ausführt, gar nicht zu sehen. Es war nicht erkennbar, um was für ein Konzept es sich bei der Gegenwelt, nach der sich Tannhäuser sich so sehr zurücksehnt, eigentlich handelt. Die Halle des Sängerwettbewerbes: wohl so eine Art Galerie, in der Elisabeth arbeitet, in die dann die feine Gesellschaft einstürmt und mit einigen Slapsticks Schmunzeln hervorruft (Bühne von Monika Pormale). Andererseits war das alles ungenau und vor allem undeutlich in der Personenführung: das widerständige Benehmen Tannhäusers wirkte sehr stark dem wunderbaren Sänger Klaus Florian Vogt überlassen. Es gab kein kritisches Bild darüber, dass Elisabeth selbst der Preis fürs schöne Singen war und so emanzipiert und gerechtigkeitssuchend, wie sie von Jennifer Holloway mit einem reichlich kräftigen Vibrato angelegt war, hätte sie das wohl auch gar nicht mitgemacht. Und ganz schwer erträglich: das affirmative Schlussbild mit seinen grünen Leuchtkreuzen und der überdimensionalen Leuchtröhre als Sinnbild der Begrünung des Wanderstabes.

Ereignis des Abends, das die über dreißigjährige Inszenierung von Harry Kupfer ablöst, waren insgesamt die SängerInnen, allen voran Vogt, der nun schon seit Jahren auf den Tannhäuser hinarbeitet. Seine glockenreine, etwas metallene und geradezu filigrane Stimme kann er fabelhaft inhaltlich einsetzen. Später vermeidet er jegliche Forcierung, er singt auch seinen großen Ausbruch geradezu leicht und mit phänomenal wirkender Kontrolle über seine Stimme. Darüber hinaus ist bei Vogt die Aussprache zu bewundern: man versteht wirklich alles: „Deklamation als Gesang und Gesang als Deklamation“, wie Wagner es 1852 für den Tannhäuser verlangte. Und großartig auch seine karikierende Ratzinger-Imitation im Papstzitat. Tanja Ariane Baumgärtner als kämpferische Aussteigerin Venus: auch gesanglich eine Augenweide. Groß auch Georg Zeppenfeld als Hermann und schlicht und unendlich ergreifend Christoph Pohl als Wolfram von Eschenbach. Der Chor prächtig, die Orchesterwiedergabe unter Kent Nagano riss in ihrer zeitweisen Behäbigkeit nicht vom Stuhl, war aber insgesamt okay. In den starken Beifall mischten sich viele Buhs. 

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