Große Bühne für große Gefühle – „Madame Butterfly“ bei den Bregenzer Festspielen 2022

Bregenzer Festspiele 2022/MDM: BUTTERFLY/ Foto © Anja Köhler

Ein wahrhaft außergewöhnlicher Abend!

Die lange erwartete „Madame Butterfly“ auf der Seebühne der Bregenzer Festspiele gilt als ein besonderes Ereignis. Gespannt sah man der Premiere dieser Oper von Giacomo Puccini entgegen. Allein das beeindruckende monumentale Bühnenbild versprach, nicht nur optisch, sondern auch musikalisch ein außerordentliches Erlebnis zu werden. Da überrascht es auch nicht, dass bereits vor der Premiere ein Großteil der Vorstellungen ausverkauft war. (Rezension der Premiere vom 20. Juli 2022)

 

Erwartungsvoll begab man sich an seinen Platz, allerdings mit einem etwas beklemmenden Gefühl, denn in der Ferne kündete sich ein heftiges Gewitter mit Blitz und Donner an und ließ nichts Gutes ahnen. Dennoch wagte es die Spielleitung, die Premiere stattfinden zu lassen. Aber als nach rund einer Stunde ein erster Regenschauer niederprasselte, war der Abbruch zum Leidwesen der rund 7000 Zuschauer unvermeidlich. Der zweite Teil der Aufführung musste im Festspielhaus halbszenisch, aber dennoch packend emotional fortgesetzt werden. Dies allerdings nur für die Zuschauer, die sicherheitshalber schon im voraus eine Hauskarte erworben hatten. Leider mussten über 5000 Opernfreunde enttäuscht nach Hause gehen.

Bregenzer Festspiele 2022/MDM: BUTTERFLY/ Foto ©Karl Forster

Wer kennt sie nicht, die tragische Geschichte von Cio-Cio-San, welche sich vom Korsett der traditionellen Enge und gesellschaftlichen Gepflogenheiten in ihrer japanischen Heimat befreien will. Sie verliebt sich in den Marineoffizier F.B. Pinkerton, welcher den exotischen Reizen der „Butterfly“ erliegt und sie heiratet. Von der sie umgebenden konservativen Gesellschaft wird sie verstoßen. Für ihn war es jedoch mehr ein abenteuerlicher Rausch, denn er glaubte, dass in Japan eine Ehe nötigenfalls ohne größere Konsequenzen wieder aufgelöst werden kann. Sein Freund Sharpless warnt ihn zwar vor diesem fatalen Schritt, kann ihn aber nicht verhindern. Pinkerton wird wieder nach Amerika zurückgerufen und muss seine Butterfly zurücklassen. Dort wartet sie drei Jahren lang voller Sehnsucht und Hoffnung auf Pinkerton‘s Rückkehr. Zwischenzeitlich bringt sie ihren gemeinsamen Sohn zur Welt. Suzuki, die Vertraute von Cio-Cio- San, ahnt den Ausgang und leidet mit. Als Pinkerton tatsächlich wieder zurückkommt, ist er verheiratet. Hier entscheidet sich das Schicksal der Butterfly. Schließlich gibt es für sie keinen anderen Weg, als durch ihre eigene Hand aus dem Leben zu scheiden.

Wie bringt man eine derart intime Handlung auf die riesige Seebühne? Das werden sich viele gedacht haben, aber es funktioniert!

Michael Levine hat für diese Inszenierung ein gigantisches schlichtes Blatt Papier mit angedeuteten zarten Zeichnungen im japanischen Stil entworfen, auf welchem sich die ganze Handlung abspielt. Trotz der 300 Tonnen wiegenden und aus 117 Elementen zusammengesetzten Konstruktion wirkt das Bühnenbild leicht und beinahe zerbrechlich. Die Szenerie ist von verschiedenen Ebenen her begehbar. Als die Amerikaner in Erscheinung treten, zerreisst das Blatt an zwei Stellen und daraus hebt sich ein Mast mit einer riesigen amerikanischen Flagge.

Bregenzer Festspiele 2022/MDM. BUTTERFLY/© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler

Andreas Homokis Inszenierung benutzt keine weit gesuchten Effekte. Vielmehr gelingt es ihm, durch eine sensible Personenführung und sehr emotionale Bilder genau die Stimmungen auf der riesige Bühne zu erzeugen, welche dieses Werkes zu einem Genuss werden lassen. Details, wie der Fahnenmast, welcher bei der Abreise von Pinkerton wieder versinkt, jedoch die Flagge auf dem Boden liegen bleibt und die Cio-Cio-San symbolhaft um sich wickelt, gleichsam als Erinnerung an Ihren Traum, sind solche Momente, wo die Emotionen Oberhand gewinnen. Der Kontrast zwischen den auf der Bühne optisch klein wirkenden Sängern unterstreicht die enorme Dimension der Bühne. Durch die hervorragende Beleuchtung von Franck Evin und mit Videoeffekten von Luke Halls wird diese Bühne faszinierend lebendig. Die zauberhaften Kostüme von Antony McDonald und die Choreographie von Lucy Burge tragen wesentlich zum Gesamtbild bei.

Die Verlegung des zweiten Teils der Aufführung ins Festspielhaus erfolgte überraschend zügig, sodass nach einer relativ kurzen Pause weitergespielt werden konnte. Man muss dem Team für diese Sonderleistung den verdienten Dank aussprechen.

Bei der Premierenbesetzung (sämtliche großen Partien sind 3-fach besetzt) muss als allererstes die usbekische Sopranistin Barno Ismatullaeva genannt werden. Ihr gelingt es vom ersten Ton an, die ganze Palette der Gefühle mit Leben zu erfüllen. Seien es Freude, Zweifel oder Angst, alles wird mit einer großen und bis ins feinste Detail sitzenden Stimme gesungen und hat wohl so manch eine Träne der Rührung im Publikum zur Folge. Herrlich!

Bregenzer Festspiele/MDM. BUTTERFLY/© Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Riku Seewald, als Dolore, der Sohn von Chi-Cio-San, spielte seinen Part berührend. Die Partie der Suzuki, welche eine markante Rolle in der Handlung innehat, war mit Annalisa Stroppa hervorragend besetzt. Es gelang ihr, ihr Leiden, aber auch Mitgefühl aufs schönste zu interpretieren und mit beeindruckender Stimme zu berühren.

In der Rolle des F.B. Pinkerton war der litauische Tenor Edgaras Montvidas zu hören. Er bewährte sich auf der Seebühne als junger Marineoffizier bestens und sang mit vollem Einsatz. Dennoch war bei ihm eine gewisse Premierenaufregung erkennbar, welche sich jedoch bei den folgenden Aufführungen zweifellos legen wird.  Konsul Sharpless, Pinkerton’s Vertrauter, Freund und Vermittler, wurde vom Irisch-Amerikanischen Bariton Brian Mulligan bestens interpretiert. Ein große und solide Stimme, welche beeindruckt.

Die weiteren Rollen waren mit Taylan Reinhard, als Vermittler Goro, Omer Kobiljak, als Fürst Yamadori, Stanislav Vorobyof, als Onkel Bonzo und Unnsteinn Árnason, als kaiserlicher Kommissar hervorragend besetzt.

Seit 1946 sind die Wiener Symphoniker das Hausorchester bei den Bregenzer Festspielen. Seit 2005 spielt das Orchester im Festspielhaus, wobei die Musik mittels modernster Technik von dort auf die Seebühne live übertragen wird.

Dieses Jahr wurde das Orchester vom neuen Conductor in Residence Enrique Mazzola dirigiert, welcher mit den Wiener Symphonikern diese wunderbare Musik aufs schönste zum erklingen brachte. Gerade im zweiten Teil im Festspielhaus, konnte man die Finessen dieser Zusammenarbeit noch intensiver erleben. Ein Genuss.

Premierenfeier/Foto @ Marco Stücklin/DAS OPERNMAGAZIN

Der Bregenzer Festspielchor unter der Leitung von Benjamin Lack und der Prager Philharmonische Chor unter der Leitung von Lukáš Vasilek, sind wie jedes Jahr, zuverlässige Stützen auf hohem Niveau. Statisten und das Wired Aerial Theatre sind ebenfalls unentbehrliche Mitwirkende an dieser Produktion.

Fazit: Obwohl man natürlich gerne die ganze Oper auf dem See erlebt hätte, war die Vergleichsmöglichkeit zwischen den beiden Spielorten, was die Akustik und den Klang der Stimmen anbelangt, ein unerwartetes Erlebnis. Natürlich werden wir im kommenden Jahr noch einmal hinfahren und die ganze Produktion auf dem See bestaunen. Wir wünschen den Bregenzer Festspielen und allen Mitwirkenden viele schöne Sommerabende.

 

 

  • Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
  • Bregenzer Festspiele / Stückeseite
  • Titelfoto: Bregenzer Festspiele 2022/MDM. BUTTERFLY/© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler
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