Opernpremiere in Köln :
Discokugel über Karthago

Von Klaus Heinrich Kohrs
Lesezeit: 4 Min.
Gesanglich in magischer Harmonie: Veronica Simeoni und Enea Scala als Didon und Énée in „Les Troyens“
Geglückter Auftakt zur Intendanz von Hein Mulders an der Kölner Oper: Wenn es darauf ankommt, gehen die Regie-Ideen von Johannes Erath für „Les Troyens“ glänzend auf. Und das Gürzenich-Orchester wird zum Hauptakteur.

Wie das Riesenpferd, Symbol der drohenden Vernichtung Trojas, realisieren? Berlioz hatte sein tatsächliches Erscheinen gar nicht vorgesehen, konventionelle Inszenierungen haben es mit allerlei Zimmermannshandwerk versucht, zuletzt hat in München Christophe Honoré in seiner weitgehend missglückten Inszenierung die Flucht in einen Neonschriftzug „Das Pferd“ angetreten. In Köln nun ist in der ersten Premiere der Ära des neuen Opernintendanten Hein Mulders eine grandiose Lösung zu sehen: Johannes Erath im Verein mit Heike Scheele und Norman Heinrich (Bühne und Kostüme) reduziert die von Berlioz erdachte Massenszene der Einholung des vermeintlichen Weihegeschenks kammerspielartig: Die Unheilsprophetin Cassandre gerät in einen erotischen Vernichtungskampf mit dem fürchterlichen Tier, das am Ende die Oberhand gewinnt. Als Votiv in Miniaturform ist es zuvor schon durch den ersten Akt gegeistert: Hectors Witwe Andromache stellt es in ihrer Trauer-Pantomime neben den Helm des getöteten Gatten. Es soll das Symbol einer glänzenden Zukunft werden. Erath verzichtet dafür auf Hectors Sohn, den kleinen Astyanax, der eben dieser Garant sein sollte: ein schmerzlicher Verzicht um den Preis erheblichen Symbolgewinns.

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