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Wexford Festival Opera
21.10.2022 - 06.11.2022


La tempesta

Grand-Opéra in drei Akten und einem Prolog
Libretto von Eugène Scribe nach William Shakespeares The Tempest, übertragen ins Italienische von Pietro Giannone
Musik von Fromental Halévy

In italienischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 15' (eine Pause)

Koproduktion mit dem Teatro Coccia, Novara

Premiere im National Opera House in Wexford am 21. Oktober 2022



 

 

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Sturm in einer ernüchternden Inszenierung

Von Thomas Molke / Fotos: © Clive Barda

Jacques Fromental Halévy gehörte in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu den großen französischen Komponisten und konnte in seiner fast 40-jährigen Karriere Werke an allen drei Opernhäusern in der Kulturmetropole Paris herausbringen. Heute ist er eigentlich nur noch für seine Grand Opéra La Juive bekannt, die zu den bedeutendsten Werken der Gattung zählt. Umso interessanter macht es ihn natürlich für das Festival in Wexford, das sich ja auf Raritäten fernab des gängigen Repertoires spezialisiert hat. Mit Blick auf das diesjährige Festival-Motto "Magic & Music" ist die Wahl der Eröffnungspremiere auf Halévys am 6. Juni 1850 am Her Majesty's Theatre in London uraufgeführte Oper La tempesta gefallen, die gewissermaßen an das Festspielthema des letzten Jahres, "Shakespeare in the Heart", nahtlos anknüpft. Dabei ist vor allem die Entstehungsgeschichte des Werkes interessant. Das Opernhaus steckte in der Mitte des 19. Jahrhunderts in großen Schwierigkeiten und suchte nach einer neuen Attraktion. Was wäre also besser geeignet als eine Oper auf eine Vorlage von William Shakespeare, komponiert von einem Mann, dessen Werke auf den Pariser Bühnen große Popularität genossen? Allerdings sollte sie für den Publikumsgeschmack in England auf Italienisch gesungen werden. Da das Libretto von Eugène Scribe jedoch in französischer Sprache verfasst war, wurde es kurzerhand von Pietro Giannone ins Italienische übertragen. Dann wollte man auch noch eine große Rolle mit der damaligen Startänzerin in London, Carlotta Grisi, besetzen. Also wurden die Arien des Luftgeistes Ariel (Ariele) kurzerhand durch Ballettpassagen ersetzt und die Partie in eine stumme Rolle für eine Tänzerin umgewandelt. Letzteres sieht man in Wexford nicht. Hier bleibt man bei der Fassung mit Ariele als Sopranpartie.

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Prospero (Nikolay Zemlianskikh) und sein dienstbarer Luftgeist Ariele (Jade Phoenix)

Die Handlung der Oper fasst Shakespeares fünfaktiges Stück zu drei Akten mit einem vorangestellten Prolog zusammen und lässt einzelne Handlungsstränge weg. So fehlen beispielsweise der Königsbruder Sebastian und seine von Prosperos Bruder Antonio angezettelte Intrige, den König Alonso im Schlaf zu ermorden, um selbst Herrscher über Neapel zu werden. Überhaupt bleiben der König und Antonio in der Oper recht blass, und auch ihre Versöhnung mit Prospero wird am Ende des Stückes eher beiläufig abgehandelt. Dafür konzentriert sich die Oper auf die Liebesgeschichte zwischen Miranda und Fernando und enthält für die beiden große Arien und Duette. Nicht von Shakespeare stammt auch das Wirken von Calibanos Mutter Sicorace, die ohne auf der Bühne zu erscheinen, im Hintergrund die Fäden zieht. So überredet sie ihren Sohn zunächst, magische Blütenblätter zu besorgen, die ihr ihre alte Macht zurückgeben sollen. Calibano übergibt ihr die Blätter jedoch nicht, sondern beschließt, sie selbst zu nutzen, um seinen Erzfeind, den Luftgeist Ariele, gefangen zu nehmen und Miranda in seine Gewalt zu bringen. Die eintreffenden Stefano und Trinculo verhindern mit ihrem Gefolge jedoch Schlimmeres und setzen Calibano mit Alkohol außer Gefecht. Währenddessen ist Miranda geflohen und trifft selbst auf Sicorace, die sie überredet, ihren Geliebten Fernando zu töten, da er ihrem Vater nach dem Leben trachte. Der Anschlag misslingt natürlich, und es kommt zu einer großen Versöhnung mit Happy End.

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Miranda (Hila Baggio) zwischen ihrem Vater Prospero (Nikolay Zemlianskikh, rechts) und Calibano (Giorgi Manoshvili, links)

Während die Oper viele magische Momente enthält, die zum diesjährigen Festspiel-Motto "Magic & Music" passen, sucht man diese Magie in Roberto Catalanos Inszenierung vergeblich. Wenn sich der Vorhang zum Prolog hebt, sieht man auf der Bühne zahlreiche Betten, in denen Antonio, Alonso und Fernando mit ihrem Gefolge liegen. Von der Seite treten dunkle Gestalten in schwarzen Trenchcoats mit schwarzen Plastikfolien auf, mit denen sie dann bei Ausbruch des Sturmes den König und sein Gefolge zudecken. Das Bild erinnert an ein Lazarett oder einen Leichensaal, soll aber wohl die Mannschaft auf dem Schiff darstellen, die des Nachts auf der Rückfahrt nach Neapel vom Sturm überrascht wird. Gleichzeitig wird hier auf Antonios schlechtes Gewissen angespielt, wenn er in einer Art Vision in einem Lichtkegel im Hintergrund seinen tot geglaubten Bruder Prospero erblickt. Wie Prospero heben sich auch der Luftgeist Ariele, Miranda und Fernando durch nahezu weiße Kostüme von den anderen Figuren, die alle farblos dunkel gekleidet sind, ab. Soll das ihre Reinheit oder ihren "guten Charakter" unterstreichen?

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Calibano (Giorgi Manoshvili) raubt Miranda (Hila Baggio) (im Hintergrund: Chor).

Fragen wirft auch das Bühnenbild von Emanuele Sinisi auf. Vor einer farblosen Wand im Hintergrund, die mehrere mit Steinen zugemauerte Öffnungen besitzt, hinter denen mal der Luftgeist Ariele, später auch Antonio erscheinen, sieht man eine Mauer mit einem riesigen Loch. Auf dem Boden liegen noch vereinzelte Steine, die dann vom Chor eingesammelt und abtransportiert werden. Über dem Loch ist in großen Buchstaben "Nostalgia" zu lesen. Soll das heißen, dass man hier mit einem klassischen, konventionellen Ansatz der Geschichte gebrochen hat? Anders lässt sich das wohl nicht erklären, wenn man überhaupt einen Sinn darin suchen will. Die nicht auftretende Hexe Sicorace erscheint durch zwei Lautsprecher, die aus dem Schnürboden herabgelassen werden. Man hat allerdings nicht den Eindruck, dass ihre Stimme aus den Lautsprechern erklingt, sondern von der Seite eingesungen wird. Da fragt man sich natürlich, wieso man überhaupt diese Lautsprecher auf die Bühne herabsenkt. Unklar bleibt auch, wieso der Baum, in den Calibano Ariele im zweiten Akt einsperrt, der riesige Kopf einer antik anmutenden Statue ist, die auf der Rückseite eine Mulde hat, in der Ariele "gefangen" ist. Ebenso sinnfrei bleibt die Tatsache, dass Trinculo und Stefano mit ihren Gefährten den Kopf dieser Statue mit rotem Wein bespritzen. Soll damit der Plan unterstrichen werden, dass sie nun Rache an Prospero nehmen wollen? Das lässt sich zwar vielleicht von Shakespeares Stück herleiten, wird im Libretto der Oper jedoch nicht weiter verfolgt. Besonders albern wird dann der Schluss, wenn die dunklen Gestalten vom Anfang in ihren Trenchcoats wieder auftreten und mit Wassereimern ein Bett füllen, in das Prospero ein Schiff setzt, mit dem er dann wohl am Ende die Insel verlässt.

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Happy End: vorne von links: Calibano (Giorgi Manoshvili) und Prospero (Nikolay Zemlianskikh), dahinter von links: Fernando (Giulio Pelligra), Miranda (Hila Baggio), Alonso (Rory Musgrave) und Antonio (Richard Shaffrey) mit dem Chor

Halévys Musik enthält zwar wunderschöne Passagen ist aber bisweilen etwas repetitiv. So haben gerade die Szenen zwischen Miranda und Fernando musikalisch Längen. Auch fragt man sich, ob die schwarz gekleideten Gestalten, die wohl als Gefolge zu dem Luftgeist Ariele gehören, ein Überbleibsel der Ballettszenen darstellen sollen, die man ansonsten vergeblich in der Oper sucht. Zumindest werden sie im Programmheft als Tänzerinnen und Tänzer ausgewiesen. Auch war ja die Partie des Ariele als stumme Rolle für eine Tänzerin konzipiert, wovon man in der Produktion jedoch nichts merkt. Jade Phoenix begeistert zwar als Luftgeist mit strahlendem Sopran und glasklaren Höhen. Aber man hätte doch vielleicht gerne gewusst, wie die Ballettmusik für diese Figur geklungen hat. Von dem restlichen Ensemble sticht vor allem Giorgi Manoshvili als Calibano hervor. Der junge georgische Bass punktet durch eine dunkle Stimmfarbe, die den Charakter der Partie wunderbar einfängt. Darstellerisch zeigt er ihn dabei mit einer bewegenden Verletzlichkeit. Die größten Momente hat er im zweiten Akt, wenn er beschließt, die magischen Blütenblätter für seine eigenen Interessen zu nutzen. Da hat Halévy die ergreifendste Musik der ganzen Oper komponiert. Manoshvili ist außerdem Teilnehmer der diesjährigen Wexford Factory, die von Rosetta Cucchi 2020 ins Leben gerufen worden ist, um junge Künstler*innen zu fördern. Gleiches gilt für den jungen Bariton Nikolay Zemlianskikh, der die Partie des Prospero übernimmt und mit markanten Tiefen die Autorität des Zauberers unterstreicht.

Hila Baggio punktet als Miranda mit beweglichem Sopran, der in den Arien und im Duett mit Fernando große Strahlkraft besitzt. Wenn Miranda allerdings im finalen Rondo ihr Glück besingt, bleibt Baggio in den Läufen ein wenig blass. Giulio Pelligra verfügt als Fernando über eine hervorragende Mittellage, klingt in den Höhen aber ein bisschen angestrengt. In den kleineren Partien lassen Gianluca Moro mit einem hellen Tenor und Dan D'Souza mit kraftvollem Bass aufhorchen. Der von Andrew Synnott einstudierte Chor des Wexford Festival Opera überzeugt durch homogenen Klang. Francesco Cilluffo führt das Orchester des Wexford Festival Opera mit sicherer Hand durch die Partitur.

FAZIT

Für den Auftakt des diesjährigen Festivals hätte man sich zumindest szenisch etwas anderes gewünscht. Ob das Werk musikalisch einen Platz im Repertoire verdienen würde, darf bezweifelt werden.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Francesco Cilluffo

Inszenierung
Roberto Catalano

Bühne
Emanuele Sinisi

Kostüme
Ilaria Ariemme

Choreographie
Luisa Baldinetti

Licht
D. M. Wood

Chorleitung
Andrew Synnott

 

Orchester des Wexford Festival Opera

Chor des Wexford Festival Opera

Solistinnen und Solisten

Prospero
Nikolay Zemlianskikh

Miranda
Hila Baggio

Calibano
Giorgi Manoshvili

Fernando
Giulio Pelligra

Ariele
Jade Phoenix

Alonso
Rory Musgrave

Antonio
Richard Shaffrey

Stefano
Gianluca Moro

Sicorace
Emma Jüngling

Trinculo
Dan D'Souza

Tänzerinnen und Tänzer
Sara Catellani
Andrea Di Matteo
Nicola Marrapodi
Giada Negroni
Andrea Carlotta Pelaia
Alessandro Sollima

 


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