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Musiktheater
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Undine

Romantische Zauberoper in vier Aufzügen
Libretto vom Komponisten nach der Erzählung Undine von Friedrich de la Motte Fouqué
Musik von Albert Lortzing

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 30' (eine Pause)

Premiere am 29. Oktober 2022 im Opernhaus Leipzig


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Oper Leipzig
(Homepage)

Und was fangen wir nun mit der Seele an?

Von Stefan Schmöe / Fotos von Kirsten Nijhoff

Ausgerechnet Lortzing! Seine Intendanz mit dessen Undine als erster "großen" Opernpremiere zu beginnen (in der anderen Spielstätte, der Musikalischen Komödie, war zwei Wochen zuvor schon Leo Falls Dollarprinzessin angelaufen), ist schon eine verwegene, auf jeden Fall ungewöhnliche Entscheidung des neuen Opernchefs Tobias Wolff. Zur Erinnerung: Vorgänger Ulf Schirmer hatte seine Amtszeit mit dem Festival Wagner 22 spektakulär beendet und dabei alle Opern des in Leipzig geborenen Komponisten aufgeführt - auch die kaum gespielten Jugendwerke. Das ist sozusagen momentan der Leipziger Operngoldstandard, an dem Wolff sich messen muss. Zwar lässt sich einwenden, dass Lortzing der Stadt Leipzig sehr viel enger verbunden war als Wagner und seine erfolgreichste und wohl glücklichste Lebensphase hier verbracht hat (auch die Komposition der Undine fällt in diese Zeit), aber Lortzing steht eben auch wie kein anderer für die Epoche des musikalischen Biedermeier. Natürlich ist es lobenswert, dieses allzu einfache Klischee zu hinterfragen; sicher ist freilich auch, dass Lortzing anders als sein um 12 Jahre jüngerer Zeitgenosse nicht die Musikwelt revolutionieren und ein Gesamtkunstwerk pseudoreligiösen Ausmaßes schaffen, sondern doch lieber den Geschmack des bürgerlichen Publikums bedienen wollte. (Mit der bösen Pointe, dass er 1851 verarmt starb, während Wagner Dank seines königlichen Mäzens Ludwig II. die meisten seiner Pläne realisieren konnte.)

Szenenfoto Umzug in die Menschenwelt: Undine und Hugo heiraten.

Über die musikalischen und dramaturgischen Schwächen der Undine kann auch diese ambitionierte und an sich höchst ehrenwerte Produktion nicht hinwegtäuschen. Lortzing bedient sich mit der gleichnamigen Erzählung Friedrich de La Motte Foqués eines seinerzeit sehr populären Stoffs, den er selbst zum Libretto umarbeitete. Undine hat als Wesen der Wasserwelt keine Seele, was bedeutet, dass ihr kein Leben nach dem Tod bestimmt ist und (wichtiger) dass sie nicht wirklich liebesfähig ist. Durch die Liebe eines Menschen kann sie allerdings eine Seele erhalten, und so riskiert ihr Vater Kühleborn ein gefährliches Experiment: Er entführt das Kind eines Fischerpaares und schiebt ihnen quasi als Ersatz die junge Undine als Adoptivtochter unter, lenkt später die Wege des tapferen und liebestollen Ritters Hugo in ihre Nähe - und es kommt, wie es kommen muss: Die beiden heiraten, doch bald wird Hugo ihrer überdrüssig und wendet sich der gesellschaftlich versierteren Prinzessin Bertalda zu (die in Wahrheit die entführte Fischerstochter ist, die von einem Herzog aufgezogen wurde). Undine kehrt zurück in die Wasserwelt, zieht aber Hugo mit hinunter, der fortan dort leben muss. Lortzing bleibt bei der musikalischen Schilderung der Geisterwelt hinter den Abgründen von Webers Freischütz zurück und erst recht hinter Wagners fast zeitgleich entstandenem fliegenden Holländer. Noch problematischer: Er verschränkt die Geisteroper mit dem musikalischen Lustspiel, wofür er eigens zwei neue Figuren einführt - den Knappen Veit und den Kellermeister Hans. Zwar tragen ausgerechnet diese beiden am Ende maßgeblich dazu bei, dass Undine den ungetreuen Hugo in die Fluten ziehen kann (sie öffnen den Brunnen, durch den die verstoßene Undine überhaupt erst Zugang zur Burg bekommt), aber vorher dreht sich ziemlich viel Musik ganz konventionell um die Freuden des Weintrinkens und ähnlicher Petitessen. Konventionell hübsch, aber belanglos.

Szenenfoto

Großer Auftritt von Bertalda, Undines Nebenbuhlerin, als Jagdgöttin Diana.

Regisseur Tilman Köhler versucht den Spagat, die Geschichte relativ geradlinig zu erzählen und trotzdem nicht in eine "es war einmal"-Welt zu geraten. Dafür hat Bühnenbildner Károly Risz eine riesige Treppe auf die Drehbühne gesetzt, deren Rückseite eine mit Parkett ausgelegte Wand ergibt, die wie eine Ufermauer wirken kann; umgeben ist diese inselartige Anlage von graublauen Vorhängen, eine Anspielung auf das Wasser. In diesem abstrahierten Gegensatzpaar Land-Wasser entwickelt sich die Handlung durchaus schlüssig, und mehr würde es eigentlich auch nicht brauchen. Köhlers genaue Personenregie könnte konzentriert für sich sprechen und eine Geschichte erzählen davon, dass so eine Seele seinen Besitzer zerreißen kann und vielleicht sogar zerreißen muss, und dass hier alle Hauptpersonen gleichzeitig Täter und Opfer sind, und damit wäre viel erreicht. Problematisch wird die Angelegenheit durch die rätselhaften Kostüme (Susanne Uhl), die zwar teilweise sehr effektvoll angelegt sind (die weißen und blauen Kleider Undines; Bertaldas erster Auftritt als Jagdgöttin Diana), im Wesentlichen aber aus stark individualisierten modernen Outfits bestehen, für die Herren teilweise in recht unglücklichen kurzen Hosen (soll das eine Hinterwäldler-Aura sein?), und damit suggeriert die Inszenierung natürlich eine irgendwie aktuelle Ausdeutung. Nur ist die nicht zu erkennen, und dadurch hängt die Regie letztendlich in der Luft.

Szenenfoto Vieles dreht sich aber gar nicht um die großen Fragen nach Liebe und Seele, sondern um den Alkoholkonsum: Knappe Veit (oben) und Kellermeister Hans.

Parallel dazu will Köhler den Mechanismen der Spieloper ganz offen gerecht werden. Immer wieder treten die Akteure direkt ans Publikum und sprechen direkt zum Publikum, und auch bei den schier endlosen gesprochenen Passagen greift der Regisseur nicht ein, obwohl Kürzungen hier sicher hilfreich wären (zumal Köhler die Geschichte um die ausgetauschten Kinder in allen musikalischen Zwischenspielen pantomimisch aufgreift und verdeutlicht, der gesprochene Text daher oft gar nicht nötig ist). Es mag edel gedacht sein, den originalen Lortzing in behutsam modernisierter Ästhetik, aber in den wesentlichen Aspekten werktreu zu spielen, aber es hat den Preis, dass die Spannung über den dreieinhalb Stunden langen Abend immer wieder abfällt. Gleichwohl sind die Buh-Rufe nach der Premiere (gekontert durch etwa gleich starke Bravi) nicht recht nachvollziehbar. Mit einer verkitschten Märchenästhetik droht dem Werk der Sturz in die Lächerlichkeit - das passiert Köhler, der den Schluss bewusst offen hält, jedenfalls nicht.

Szenenfoto

Der Eklat: Undine (links unten), verstoßen, und Vater Kühleborn, oben Hugo und Bertalda

Der vom Kapellmeister zum Musikdirektor beförderte Christoph Gedschold und das ausgezeichnete Gewandhausorchester treffen stilsicher einen erdig-satten, aber nicht schweren Tonfall, der die verschiedenen Stilebenen gut verbindet, der Geisterwelt ein Geheimnis beigibt, aber nicht überstrapaziert. Gegen Ende freilich, wenn Lortzings Musik sentimentale Beimischungen bekommt, dürfte das Dirigat straffer und strenger sein. Sängerisch profitiert die Oper Leipzig davon, alle Partien doppelt besetzt zu haben, denn die für die Hauptrollen Undine und Hugo vorgesehenen Sarah Daubel und Joseph Dennis mussten krankheitsbedingt passen - so gestaltet Olga Jelinková mit schönem, lyrisch geprägtem Sopran, der bei Bedarf aber auch zur Attacke fähig ist, die unglückliche Nixe anrührend und liebenswert kokett; zum ganz großen Glück fehlt die Emphase in den Liebesbekundungen zu Hugo. Der wird von Matthias Stier mustergültig mit sicherem Tenor gesungen (ein paar Spitzentöne bereiten ihm Mühe, aber das fällt kaum ins Gewicht), der sich in Lortzings Klangwelt bewegt - vielleicht täte eine schwerere, "heldischere" Stimme der Oper gut. Mathias Hausmann gibt mit metallisch-glänzendem Bariton einen imposant stimmgewaltigen Kühleborn, Olena Tokar eine in der Mittellage großartige, in der Höhe unscharf flackernde Bertalda. Spieltenor Dan Karlström legt den Knappen Veit vielschichtig an und wertet ihn zum komplexen Charakter auf, da klingt Wagners Meistersinger-David an; Hans Dolinsek gibt mit klangvollem Bass einen tadellosen Kellermeister Hans ab. Sehr nuanciert und präsent singt der Chor der Oper Leipzig (Einstudierung: Thomas Eitler - de Lint).


FAZIT

Der Start von Tobias Wolff hinterlässt ambivalente Eindrücke: Beim Premierenpublikum ging Lortzings Kalkül, die sehnsuchtsverhangene Zauberoper mit dem komödiantischen Singspiel zu verquicken, offensichtlich auf. Für ein programmatisches Signal, was auf die vergangenen Wagner-Festtage in Leipzig folgen könnte, fehlt es dem Werk aber doch an Substanz, und dafür findet auch die in vielen Teilen gelungene, mitunter auch ratlose Regie keine Lösung.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christoph Gedschold

Inszenierung
Tilman Köhler

Bühne
Karoly Risz

Kostüme
Susanne Uhl

Licht
Michael Röger

Chor
Thomas Eitler - de Lint

Dramaturgie
Marlene Hahn

Chor der Oper Leipzig

Gewandhausorchester Leipzig

Solisten

* Besetzung der Premiere

Bertalda
* Olena Tokar /
Mirjam Neururer

Ritter Hugo von Ringstetten
Joseph Dennis /
* Matthias Stier

Kühleborn
Jonathan Michie /
*Mathias Hausmann

Tobias
Peter Dolinšek /
* Sejong Chang

Marthe
Kathrin Göring /
* Karin Lovelius

Undine
Sarah Traubel /
* Olga Jelínková

Veit
Sven Hjörleifsson /
* Dan Karlström

Hans
* Peter Dolinšek /
Michael Raschle

Pater Heilmann
Sebastian Pilgrim /
* Randall Jakobsh



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