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Musiktheater
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Die Zauberin

Oper in vier Akten
Text von Ippolit Wassiljewitsch Schpaschinski
Musik von Peter Iljitsch Tschaikowski

in russischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 50' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Frankfurt am 4. Dezember 2022



Oper Frankfurt
(Homepage)
Tschaikowskis Lieblingsoper

Von Thomas Molke / Fotos von Barbara Aumüller

Tschaikowskis siebte und drittletzte Oper Die Zauberin nahm für den russischen Komponisten einen besonderen Stellenwert ein. Auch wenn sich das Stück nicht so großer Bekanntheit erfreut wie beispielsweise Eugen Onegin und Pique Dame, hielt Tschaikowski es für sein bestes und schönstes Bühnenwerk. Das sahen die Kritik und das Uraufführungspublikum allerdings anders. Im Gegensatz zu Eugen Onegin und Pique Dame basiert das Libretto nicht auf einer großen literarischen Vorlage, die für das Publikum der damaligen Zeit von gewisser Relevanz war, sondern stammt von Ippolit Wassiljewitsch Schpaschinski, der sich zwar als Schriftsteller in der damaligen Zeit großer Beliebtheit erfreute, für ein Libretto allerdings kein besonders gutes Händchen hatte. So hatte Tschaikowski bei der Komposition stets gegen zu große Textlastigkeit des Librettos zu kämpfen. Vielleicht lag es daran, dass die Oper sehr schnell in Vergessenheit geriet und außerhalb Russlands nirgends auf dem Spielplan stand. Erst in den letzten Jahren stieg auch in Westeuropa das Interesse an diesem Werk mit Aufführungen in Antwerpen (2011), Erfurt (2012), Wien (2014) und Lyon (2017), und jetzt reiht sich auch die Oper Frankfurt mit einer Neueinstudierung ein, kurz bevor die erste kritische Ausgabe dieses Werkes 2023 erscheinen wird.

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Mamyrow (Frederic Jost, Mitte) klagt Nastasja (Asmik Grigorian) als Zauberin an (links: Kitschiga (Magnús Baldvinsson), rechts: Paisi (Michael McCown)).

Erzählt wird die Geschichte der Witwe Nastasja, die von allen Kuma genannt wird und in der Nähe der Stadt Nischni Nowgorod eine Gastwirtschaft betreibt, in der die Gäste frei diskutieren und feiern können. Dies ist dem Geistlichen Mamyrow ein Dorn im Auge, da er dadurch den Verfall der Sitten fürchtet und den Einfluss der Kirche gefährdet sieht. Deshalb hat er Nastasja beim Fürsten angeklagt, eine Zauberin zu sein, die ihre Gäste verhext und zur Unzucht antreibt. Der Fürst erscheint mit Mamyrow in der Gastwirtschaft, um sich selbst ein Bild zu machen, und erliegt dabei Nastasjas Charme. Sehr zum Missfallen der Fürstin sucht er sie fortan häufig auf und macht ihr Avancen, ohne dabei von ihr erhört zu werden. Mamyrow stachelt mit seiner Schwester Nenila die Fürstin an, gegen das Verhalten ihres Mannes vorzugehen. Es kommt zum Eklat zwischen dem Fürstenpaar, und der gemeinsame Sohn Juri verspricht seiner Mutter, Nastasja zu töten. Was Juri nicht weiß, ist, dass Nastasja heimlich in ihn verliebt ist. So erwartet sie seinen Anschlag und schafft es, auch ihn mit ihrem Charme zu bezaubern. Juri erkennt, dass die Vorwürfe unberechtigt sind, und beschließt, mit Nastasja zu fliehen, da er weiß, dass seine Eltern einer Hochzeit mit ihr niemals zustimmen würden. Die Fürstin will die Flucht vereiteln und sucht einen Zauberer auf, der ihr ein Gift überreicht. Sie verkleidet sich als Pilgerin und reicht Nastasja das Gift. Als Juri mit Nastasja fliehen will, stirbt sie in seinen Armen. Der Fürst tötet seinen Sohn, weil er in ihm den Rivalen um Nastasjas Gunst erkennt, anschließend auch seine Gattin und verliert den Verstand.

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Der Fürst (Iain MacNeil) liebt Nastasja (Asmik Grigorian).

Obwohl die Geschichte eigentlich im 15. Jahrhundert spielt, behandelt Tschaikowski darin das Verhältnis von Kirche und Staat im zaristischen Russland der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Regie-Team um Vasily Barkhatov geht einen Schritt weiter und verlegt die Geschichte in die Gegenwart, in der immer noch die russisch-orthodoxe Kirche und die Polizei Grenzen setzen und entscheiden, was erlaubt ist und was nicht, auch im Bereich der Kunst. Deswegen ist Nastasjas Gastwirtschaft in Barkhatovs Inszenierung ein Atelier, in dem sich die Kunstszene trifft und jeder nach seiner Façon leben darf. Eine kleines Podest in der Mitte der Bühne steht für die Möglichkeit, hier seine Meinung frei äußern zu können. Künstlerisch treffen hier volkstümliche Gegenstände wie Matrjoschkas und gelbe Blumengebinde auf ein abstraktes Haus mit Leuchtdioden, einen fernen Planeten im Hintergrund und einen Wolf, der auch in anderer Form immer wieder aufgegriffen wird. So treten beispielsweise die fünf Tänzer im ersten Akt, die Mamyrow auf Geheiß des Fürsten in ihren Tanz mit einbeziehen, mit Wolfsmasken auf. Im Laufe des Stückes verändert sich das Atelier unter dem Einfluss des Fürsten. Man hat den Eindruck, dass er den Raum nach den Vorstellungen Nastasjas umgestaltet. Im dritten Akt ist dann das Podest verschwunden, und der Raum wird von einem Bett dominiert, auf dem der Fürst vergeblich versucht, Nastasja zu verführen, und in dem sie anschließend auf Juri wartet. Juri wird von Barkhatov als sehr schwacher Charakter gesehen, der so recht keine eigene Meinung zu haben scheint, zunächst als Spielball seiner Mutter fungiert und später sich von Nastasja beeinflussen lässt. Wahre Liebe lässt sich eigentlich erst ganz am Schluss der Oper erkennen.

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Nastasja (Asmik Grigorian) will mit Juri (Alexander Mikhailov) fliehen.

Durch Einsatz der Drehbühne lässt sich das Atelier schnell in die Wohnung des Fürsten verwandeln, die recht modern eingerichtet ist. Im Hintergrund steht ein Glasschrank, auf dem mehrere wertvolle Gefäße stehen und in dem eine Ikone aufbewahrt wird, die für die Fürstin von besonderer Bedeutung zu sein scheint. Im vierten Akt übergibt sie dem Zauberer Kudma als Preis für das Gift diese Ikone. Kudma ist in Barkhatovs Inszenierung Mamyrow selbst, um zu betonen, dass der Mord letztendlich auch von der Kirche verursacht wird. Wieso Mamyrows Schwester Nenila, die Kammerzofe der Fürstin, die Fürstin jedoch mit "Mutter" anredet und damit in die Rolle einer Tochter schlüpft, erschließt sich nicht wirklich. Während in den ersten drei Akten die Szenenwechsel hinter geschlossenem Vorhang erfolgen, wird im vierten Akt alles aufgelöst. Die Möbel der Fürstenwohnung befinden sich nun im Atelier. Einzelne Kunstgegenstände aus dem Atelier wie das Haus und der Wolf stehen nun in der Wohnung des Fürsten, um anzudeuten, dass das Aufeinanderprallen der beiden Welten die Katastrophe heraufbeschwört. Eindrucksvoll wird das tragische Ende eingeleitet, wenn beispielsweise Nastasjas Freunde eine große Matrjoschka, die wie ein Sarg aufgerichtet ist, mit Gegenständen füllen, die Nastasja für ihre Flucht mitnehmen soll. Das Wirken des Giftes wird ebenfalls bewegend in Szene gesetzt, wenn sich Nastasjas Gewand an mehreren Stellen rot einfärbt. Wieso Juri allerdings anschließend im Atelier wild auf ein Bündel unter einer schwarzen Decke einsticht, was er seinem Vater kurz darauf als die ermordete Nastasja präsentiert, erschließt sich nicht wirklich. Dadurch bekommt der Mord des Fürsten an seinem Sohn eine ganz andere Richtung. Seine Frau erschießt der Fürst eigentlich eher beiläufig, da sie versucht, ihren Sohn vor der Kugel zu schützen.

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Die Fürstin (Claudia Mahnke, links) reicht als Pilgerin verkleidet Nastasja (Asmik Grigorian, rechts) den Gifttrank.

Musikalisch zeichnet Tschaikowski in den einzelnen Akten sehr unterschiedliche Welten, so dass jeder Akt eine andere Farbe erhält. Während der erste Akt recht volkstümlich daherkommt, geht es im zweiten Akt bei den Auseinandersetzungen am Fürstenhof recht scharfzüngig zu. Der dritte Akt ist dann musikalische Leidenschaft pur, und der vierte Akt führt dann zu einem dramatischen Höhepunkt. Bei aller Raffinesse der Musik lässt sich aber trotzdem nicht leugnen, dass die Musik einige Längen und wenig Ohrwurmqualität hat. Häufig plätschert sie an einem vorbei, und man kann durchaus der Meinung sein, dass an der einen oder anderen Stelle Kürzungen gut möglich und angebracht gewesen wären. Valentin Uryupin taucht mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester mit viel Fingerspitzengefühl in die Klangvielfalt der Partitur ein und verzaubert aus dem Orchestergraben. Auch die Solistinnen und Solisten lassen keine Wünsche offen. Da ist zunächst Asmik Grigorian in der Titelpartie zu nennen, die mit hochdramatischen Spitzentönen überzeugt und den Zauber Nastasjas stimmlich wunderbar einfängt. Mit weicher Stimmführung gelingt es ihr, sowohl den Fürsten als auch Juri für sich zu gewinnen. Iain MacNeil lässt sich als Fürst zwar als leicht indisponiert ansagen, glänzt aber mit kraftvollem Bariton und intensivem Spiel. In seiner Wahnsinnsszene am Ende wächst er regelrecht über sich hinaus. Claudia Mahnke gestaltet die Fürstin mit sattem Mezzosopran und sauber sitzenden Spitzentönen. Zumindest am Anfang kann man mit ihr Mitleid haben, was aber endet, wenn sie sich zum Mord an der Rivalin entschließt. Alexander Mikhailov gibt den Juri mit sicherem Tenor. Hier hätte man sich vielleicht ein bisschen mehr Glanz in den Höhen gewünscht. Frederic Jost punktet als Bösewicht Mamyrow mit schwarzem Bass. Auch die übrigen kleineren Partien sind gut besetzt. Der von Tilman Michael einstudierte Chor der Oper Frankfurt glänzt durch homogenen, kraftvollen Klang.

FAZIT

Musikalisch ist Tschaikowskis Zauberin eine Entdeckung wert. An Eugen Onegin oder Pique Dame kann das Stück aber nicht heranreichen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Valentin Uryupin

Inszenierung
Vasily Barkhatov

Bühnenbild
Christian Schmidt

Kostüme
Kirsten Dephoff

Licht
Olaf Winter

Choreographie
Gal Fefferman

Video
Christian Borchers

Chor
Tilman Michael

Dramaturgie
Zsolt Horpácsy

 

Frankfurter Opern- und
Museumsorchester

Chor der Oper Frankfurt


Solistinnen und Solisten

Nastasja (Kuma)
Asmik Grigorian

Fürst
Iain MacNeil

Die Fürstin
Claudia Mahnke

Prinz Juri
Alexander Mikhailov

Mamyrow / Kudma
Frederic Jost

Nenila
Zanda Švēde

Iwan Schuran
Božidar Smiljanić

Foka
Dietrich Volle

Polja
Nombulelo Yende

Balakin
Jonathan Abernethy

Potap
Pilgoo Kang

Lukasch
Kudaibergen Abildin

Kitschiga
Magnús Baldvinsson

Paisi
Michael McCown

Künstler
Aslan Diasamidze

Tanz
*Rouven Pabst
*Gabriele Ascani
*Luciano Baptiste
*Guillermo de la Chica Lopez
Carlos Díaz Torres
*Jonathan Schmidt

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







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