„Ah! mes amis, quel jour de fête!” (Freunde, was für ein Fest) das ist nicht nur die berühmte, mit hohen Cs gespickte Arie des Tonio aus der Regimentstochter, sondern gibt auch die Stimmung wieder, wenn die Wiener Staatsoper dieses Stück am Programm hat. Man spielt vor ausverkauftem Haus, und die gesanglichen Glanzleistungen werden ausgiebig bejubelt.

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Juan Diego Flórez (Tonio)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Ohne Glanzleistungen funktioniert dieses Stück auch nicht, schließlich haben wir es mit Donizetti von 1840 zu tun. Und hier kommen wir gleich zu Juan Diego Flórez, dessen Name mit dieser Oper bzw. der Partie des Tonio eng verbunden ist, schließlich war er 2007 auch der Premierensänger dieser Inszenierung. Am besprochenen Abend wurde er zwar leicht indisponiert angesagt, aber davon war wenig zu merken. Gesundheitsbedingt verzichtete er in der erwähnten Arie auf das (optionale) neunte hohe C, aber das trübte den Eindruck nicht: Flórez ist ein Tenor, wie man sich ihn vorstellt, und so geht Belcanto.bejubelt.

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Pretty Yende (Marie)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Soweit, so bekannt, doch ist es eigentlich nicht fair, dass der Tenor mehr Aufmerksamkeit als die Sopranistin bekommt, denn die Sängerin der Marie hat mehr zu tun und komplizierte Koloraturen zu bewältigen. In dieser Partie erweist sich Pretty Yende als Naturtalent und begeisterte mit stupenden Koloraturen. Zudem liefert sie ein Rollenporträt der Extraklasse ab, scheut auch keine körperlichen Mühen, den jungen Wildfang mit den rustikal-männlichen Manieren realistisch zu spielen. Zusätzliche Sympathiepunkte gewinnt sie, wenn sie deutsche Wörter ins tadellose Französisch streut… und wenn sich diese Marie ärgert, lässt sie es auf Zulu ordentlich klicken.

Adrian Eröd war mit der aufgesetzten Glatze des Sergeant Sulpice bewusst auf hässlich getrimmt, dafür waren seine noble Intonation und sein idiomatisches Französisch umso schöner, fast schon zu schön für diese schrullige Figur. Die Sache mit dem akzentfreien Französisch fiel an diesem Abend nicht allen leicht, das geht aber wiederum mit besserer Verständlichkeit für die Hobby-Frankophonen im Publikum einher.bejubelt.

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Pretty Yende (Marie) und Juan Diego Flórez (Tonio)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Stephanie Houtzeel gab als Marquise de Berkenfield eine köstliche Karikatur einer versnobten Dame; zusammen mit ihrem kauzigen Diener Hortensius (Marcus Pelz) bildete sie ein humoriges Duo. Schade nur, dass mit dem Einsatz von Marianne Nentwich die traditionelle Gesangseinlage der Herzogin von Crakentorp wegfiel, allerdings kann eine Kammerschauspielerin wie sie trotzdem für genug Getöse sorgen.

Bei aller Begeisterung über diesen gelungenen Abend sei aber nicht vergessen: La Fille du régiment brachte es zwischen 1840 und 1914 auf tausend Aufführungen am Uraufführungsort (die Pariser Opéra Comique), für ein zeitgenössisches Publikum ist das Werk aber doch kaum nachvollziehbar, obwohl es einen nicht uninteressanten Topos bedient (das Spiel mit den Geschlechterrollen bzw. das Mädel in einer Männerwelt). Natürlich sind etliche Opernlibretti kaum ernst zu nehmen, aber dieses Stück setzt schon ein recht schlichtes Gemüt voraus: Jeder geistig gesunden Mutter würde bei der Idee, ihr Mädchen von einem Regiment Soldaten aufziehen zu lassen, die Haare zu Berge stehen. Doch Wunder gibt es immer wieder, und man erlebt das einstige Findelkind Marie als selbstbewusste junge Frau, die sich in der Nähe des Schlachtfelds wohler fühlt als auf dem geriatrischen High Society-Parkett, wohin sie ihre zufällig auftauchende Tante, die sich später als ihre adlige Mutter herausstellt (die Marquise), verschleppt und verheiraten will (an die Crakentorps). Dass nach einigem Hin und Her die Liebe zu einem lederbehosten Tiroler Bauernburschen (also Tonio, seines Zeichens Überläufer des Feindes ins Franzosenlager) siegt, ist immerhin noch logischer und sympathischer als die Vorstellung von Krieg als unterhaltsames Abenteuer.bejubelt.

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Adrian Eröd (Sulpice)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Dass dieses Werk heutzutage noch auf den Spielplänen der großen Häuser besteht, ist daher zu einem Gutteil Laurent Pellys charmanter Inszenierung aus 2007 zu verdanken. Sie ist zwar schon fünfzehn Jahre alt (seinerzeit eine Koproduktion der Wiener Staatsoper mit dem Royal Opera House und der Metropolitan Opera), aber in dem ikonischen Bühnenbild mit Tiroler Bergen aus alten Landkarten zünden die vielen Pointen immer noch. An dieser Stelle sei auch daran erinnert, dass Pelly die Regimentstochter hinsichtlich der gesprochenen Texte ordentlich gestrafft und die Kriegsbegeisterung und den Hurrapatriotismus wegretuschiert hat, sodass ein musikalisches Gustostückerl nach dem anderen serviert werden kann. Donizettis schmissige, volkstänzerisch-militärische Melodien gehen einfach leicht ins Ohr, und in Maries gesungenem Wehmut nach ihrem alten Leben erkennt man den Vorläufer eines ganz großen Opernhits, nämlich „Addio del passato“ aus La traviata.bejubelt.

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Pretty Yende (Marie)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Michele Spotti erwies sich beim Dirigat dieses Hit-Stücks als ausgezeichnete Besetzung, denn das ist nicht die einfachste Aufgabe – die unermüdliche Konzentration eines Jungen ist da so manchem Arrivierten vorzuziehen. Donizetti und Rossini gelten ja nicht unbedingt als die Stärken des zweifelsfrei hochklassigen Staatsopernorchesters, aber an diesem Abend klang vieles leichtfüßiger als gewohnt – vielleicht war man da aufgrund des anstehenden Neujahrskonzerts auch schon auf ähnliches musikalisches Material eingestimmt.

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