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„Die Hugenotten“ von Meyerbeer in Ludwigshafen: Ein feste Burg ist unser Set

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„Die Hugenotten“ im Pfalzbau: Der zagende Raoul, Anton Rositskiy.
Der zagende Hugenotte Raoul, Anton Rositskiy. Foto: Christian Kleiner © Christian Kleiner

Wieler, Morabito und Viebrock bringen die „Hugenotten“ nach Hollywood.

Giacomo Meyerbeer ist bis heute das am massivsten betroffene Opfer von Richard Wagners Judenhass und Konkurrenzausschaltung. Hinzu kam, dass das fortschreitende 19. Jahrhundert ein wenig den Sinn für Humor und Leichtigkeit verlor, dafür aber einen tüchtigen Nationalismus züchtete, der immer weniger anfangen konnte mit einem deutschen Juden aus der brandenburgischen Provinz, der mit einem italienischen Vornamen in Paris Riesenerfolge feierte.

Dass Meyerbeer den noch unbekannten und klammen Wagner in dessen Pariser Zeit finanziell unter die Arme griff, machte es aus Wagners Sicht noch schlimmer. Wagner und endgültig der Antisemitismus des 20. Jahrhunderts sorgten jedenfalls nach Kräften dafür, dass der vorzügliche Witz von Hans von Bülow, „Rienzi“ sei Meyerbeers beste Oper, heute von keinem Menschen mehr verstanden wird.

Hass und Vernichtungswillen, darum fällt einem das bei dieser Gelegenheit vielleicht ein, sind auch Grundlage und Antrieb der Handlung von „Die Hugenotten“, heute wie alle Meyerbeer-Opern eine Rarität. Alle paar Jahre wird sie inzwischen wieder auf die Bühne gebracht. Aber es braucht immer von Neuem eine hochinteressierte und hochinteressante Regie, um jenen Mix aus Repräsentation und Raffinesse, Drama und Irrwitz zusammenzubrauen, nach dem es die Grand opéra verlangt. Für das Nationaltheater Mannheim haben nun Jossi Wieler und Sergio Morabito im Verein mit der Ausstatterin Anna Viebrock diese Aufgabe übernommen. Das Stammhaus ist in Großsanierung, inszeniert wurde in einer der Ausweichspielstätten, dem Pfalzbau Ludwigshafen. Ein guter Ort, nicht zu riesig und geeignet für Janis Liepins’ feinziselierten Orchesterklang, den ausgezeichneten Chor (von Dani Juris einstudiert) und das große Ensemble, dessen zentrale Figuren sich die Seele aus dem Leib singen müssen. Allerdings muss wegen anderer Nutzungen des Hauses praktisch im Block gespielt werden, und ein fünfstündiger Opernabend unter der Woche ist auch für das Publikum sportlich.

Das bewährte Trio Wieler-Morabito-Viebrock hat sich unterdessen mit Formfragen anderer Art befasst und kommt zu einem originellen Ergebnis. Anstatt auf das bereitstehende Pferd der Gewaltexzesse vor und in der Bartholomäusnacht von 1572 zu springen, greifen sie die bezaubernde, komplexe Leichtigkeit der Musik auf, jenen selbst für eine Oper drastischen und eigenartigen Gegensatz zwischen Tragödie und Schönheit, und verlegen die Szene in ein Filmstudio. Die typisch steil gerahmte Viebrock-Bühne bietet neben Kirchenelementen (sorgsam recherchierte) Bauteile aus Roms Cinecittà. Die Kostümwelt ist das goldene Hollywood, aber umso besser kann man sich auch in historische Schale werfen.

Marguerite de Valois als Drahtzieherin des dann entgleisenden Geschehens ist eine vor Selbstbewusstsein strotzende Filmproduzentin und Hauptdarstellerin glänzend choreografierter Massenszenen. Estelle Kruger wirft sich und ihren Sopran komplett hinein, um sie herum Opernschurken, -heroen und -heroinen. Anton Rositskiy ist der glücklose, naive Hugenotte Raoul, hier ein Chaplin-Typ mit einem über Stunden unermüdlich glänzenden Tenor. Der Bass Sung Ha ist sein eisern protestantischer Diener (er ist es, der das Lied „Ein feste Burg“ allenthalben auf den Lippen hat), Astrid Kessler die recht defensive, aber sehr in Raoul verliebte Katholikin Valentine. Auch sie hat mehr Pech als Verstand. Der beschwingte Zugang hindert die Regie nicht daran, deutlich zu machen, wie hier Menschen zermahlen werden. Auch wird der Abend dem Film-Konzept nicht unterworfen, es läuft so mit, schafft Abstand, sorgt vor allem dafür, dass die Geschichte zivil bleibt. Wobei auch Herrschaften mit Tennisschlägern zum Morden fähig sind.

Überhaupt wird nicht geschönt, aber die Dinge dürfen schillern. Auch die Toten (die massakrierten Hugenotten) sind nicht vergessen, geistern zwischen der fidelen katholischen Menge umher, während die Musik sich von ihrer revuehaften Seite zeigen kann, ohne mit den Bildern in Widerstreit zu geraten. Ja, warum sollte die Filmproduzentin im Prunkgewand der Marguerite nicht zwischendurch den Rock raffen und letztlich einen Cancan andeuten? So war es damals, so ist es immer wieder.

Nationaltheater Mannheim im Pfalzbau Ludwigshafen: 28. Januar, 1., 3., 5. Februar. www.nationaltheater-mannheim.de

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