Er trifft sich selbst: Klaus Florian Vogt (Bild, re.) trifft als sich erinnernder gereifter Parsifal sein Alter Ego (Nikolay Siderenko, Bild li.).

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Wien – Dort, wo sonst Stille herrscht – nach dem ersten Akt von Wagners Parsifal –, wurde doch wieder schüchtern geklatscht, wobei hernach ein lautes "Schande" hinzukam. Unklar dabei, ob der Ruf der anspruchsvollen, atmosphärisch starken Inszenierung Kirill Serebrennikovs galt oder der Tatsache, dass der Brauch ignoriert wurde, nach dem ersten Akt nicht zu klatschen. Wagner hatte es so verordnet.

Serebrennikov, der 2021 Russland nicht verlassen durfte und Parsifal digital aus der Ferne inszenierte, hat natürlich ein in jeder Hinsicht aufregendes Rückblende-Stück geschaffen. In filmischen Bildern sieht man den jungen Parsifal einsam die Welt erwandern oder im Gefängnis einen Mithäftling ermorden. Tenor Klaus Florian Vogt (Bild, re.) trifft als sich erinnernder gereifter Parsifal denn auch sein Alter Ego (Nikolay Siderenko, Bild li.).

Ausgereizter Klang

Das sind packende Momente surrealen Musiktheaters, in denen das Staatsopernorchester prachtvoll "aufgeigt". Dirigent Philip Jordan sorgt für energetische Aufladung, fusioniert Klarheit mit einem Klang, in dem dies typisch Narkotische lodert, das an Höhepunkten zum orchestralen Fiebertraum verdichtet wird. Dass mitunter dezibelmäßig ausgereizt wird, wirkt als logisch-greller Grenzgang im Dienste des Ausdrucks.

Für Tenor Vogt ist das zwar eine Herausforderung. Er beginnt etwas blass, dringt schließlich aber in Bereiche vor, die sein goldhelles Timbre glanzvoll erstrahlen lassen. Rund um ihn Qualität: Michael Nagy ist als Schmerzensritter Amfortas intensiv, Franz-Josef Selig gibt einen profunden Gurnemanz, imposant Derek Welton als Klingsor, den Ekaterina Gubanova als durchschlagskräftige Kundry erschießt. Packend auch der Chor. Am Ende erlaubter Applaus ohne "Schande"-Ruf. (Ljubisa Tosic, 10.4.2023)