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Jan Golebiowski, Daniel Frank. Foto: (c) Thomas M. Jauk
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Von Container zu Container – Peter Konwitschny setzt an der Oper Dortmund sein Ring-Projekt mit „Siegfried“ fort

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Der neue Nibelung-Ring in Dortmund schreitet voran. Zur „Walküre“ vom vorigen Jahr kommt jetzt der „Siegfried“. „Das Rheingold“ gibt es im nächsten Jahr und wie das Ganze endet, wissen zumindest die Wagnerfreunde, die sich an die „Götterdämmerung“ des legendären Rings in Stuttgart erinnern. Vor über zwanzig Jahren wurde damals mit ziemlichem Erfolg die Aufteilung der Tetralogie auf vier verschiedene Regisseure praktiziert. Barrie Kosky war in Essen auch mal Teil eines der dem folgenden Viererprojekte und hat dann in Hannover seinen eigenen „Ring“ komplettiert. Bei Tobias Kratzer wird man bald erleben, ob er auf seine Karlsruher „Götterdämmerung“ zurückgreift, wenn er in München die Tetralogie in Szene setzt. 

Peter Konwitschny macht das jetzt in Dortmund. Dabei hat der Regiealtmeister (klingt komisch, wenn man ihn erlebt, aber er ist es nun mal) den Ausstatter gewechselt, aber nicht seinen prinzipiellen Zugang. Hatte Frank Philipp Schlößmann die „Walküre“ bebildert, so ist jetzt beim „Siegfried“ mit Johannes Leiacker ein anderer seiner Stamm-Ausstatter mit von der Partie. 

Der hat ihm eine Kollektion von Containern auf die Bühne gestellt, die von außen alle gleich (deprimierend trist) aussehen, sich aber im Inneren unterscheiden und zur jeweiligen Szene passen. Siegfrieds Selbstfindungstrip aus der unwissenden Naivität des Kindes in Mimes Hütte und unter dessen Fuchtel hinauf auf den Brünnhildenfelsen ist diesmal nicht von Waldluft umweht – er ist also mit Containern gepflastert, die im dritten Aufzug im Hintergrund sogar zu einer Fassadenwand aufgetürmt sind.

Mimes Container-Hütte ist zumindest mit einem anheimelnden Waldmotiv tapeziert. Ein optischer Coup ist das Innere von Fafners Neidhöhle. Sein Container ist mit Gold ausgeschlagen und der Macho-Fanfner (Denis Velev) sitzt mit einer attraktiven jungen Frau in einer vergoldeten Badewanne. In dieser Gestalt vertragen sich Riesenwurm und Waldvogel (Alina Wunderlin) jedenfalls bestens. Bis Siegfried die Idylle stört und am Ende die Leichen von Fafner und Mime in der Wanne liegen. Erda (Aude Extrémo) schläft in einer Tiefkühltruhe. Nachdem er sich mit ihr einen heftigen verbalen Schlagabtausch geliefert hat, zieht er wütend den Stecker. 

Die Verweigerung jeglicher Naturopulenz erreicht auf dem Walkürenfelsen ihren Höhepunkt. Für Brünnhildes Schlafplatz muss dunkle Leere reichen. Sechs sichtbar postierte Harfen rechts und links der Bühne und ein paar illuminierte Flammentücher im Hintergrund sind schon alle optischen Zutaten für eines der gewaltigsten Liebesduette der Opernliteratur. Der Rest sind Orchesterklang und eine Dosis vokaler Strahlkraft für diese Begegnung von Brünnhilde und Siegfried. Die bietet Stéphanie Müther als sinnlich leuchtende und obendrein wortverständliche Brünnhilde wie erwartet. Aber auch Daniel Frank als nie kraftmeierischer, sondern immer auf gestaltenden Gesang bedachter Siegfried ist auf dem herausfordernden Weg zu ihr nicht die Puste ausgegangen. Im Gegenteil – er hat sich von Akt zu Akt gesteigert (vielleicht auch klug eingeteilt) und trägt zum grandiosen Eindruck des Finales, das voll auf die Musik fokussiert ist, gleichberechtigt bei.

Konwitschny spürt auch im „Siegfried“ immer wieder gekonnt sowohl dem szenischen Witz, als auch den Emotionen der Akteure nach. Es macht Spaß zu sehen, wie Mime und der Wanderer während der Wissenswette sich einen Schnaps nach dem anderen hinter die Binde kippen. Oder wie er bei Siegfrieds Kommunikationsversuchen mit dem Waldvogel einfach neben die Szene tritt und dem Orchester einen lautstarken Protest gegen Siegfrieds falsche Töne gönnt, um dann den Hornisten für die richtigen auf die Bühne zu schicken. Matthias Wohlbrecht nutzt seine Chance, Mime mit vehementer Eloquenz zu porträtieren. Vom darstellerisch überzeugenden Wanderer Thomas Johannes Mayer freilich hätte man sich mehr Durchschlagskraft erhofft.

Peter Konwitschny geht auch diesmal vom Werk, der Musik und deren weiterwirkender Relevanz für die Wirklichkeit aus und findet davon auf diesem Weg seine szenischen Lösungen. Damit hebt sich sein Zugang dezidiert von anderen aktuellen Ringprojekten aus einer Hand ab. Valentin Schwarz in Bayreuth sowie Stefan Herheim und Dmitri Tscherniakov an den beiden großen Berliner Opernhäuser versuchen auf ihre Art, mit einer aktualisierenden Überschreibung ein hermetisches Ringuniversum zu kreieren. Wobei die überstrapazierte (Koffer-) Metaphorik bei Herheim, aber auch das dystopische Institut bei Tscherniakov oder die genetisch determinierten Ausweglosigkeiten bei Schwarz erhebliche Kollisionen der Vorlage mit der von ihnen imaginierten Bühnenwirklichkeit in Kauf nehmen. 

Gabriel Feltz und seine Dortmunder Philharmoniker gehören natürlich zum Kontinuum dieses Rings. Er folgt der dramatischen Detailarbeit, lässt das Orchester aber auch mal von der Leine, so dass sich die Balance zu den Stimmen nicht sofort, aber dann zunehmend einstellt.

Alles in allem eine gelungene Ring-Fortsetzung, die mit reichlich Jubel bedacht wurde.

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