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„Don Pasquale“ mit der Oper Frankfurt: Geht zu Bett, Großväterchen

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Der Titelheld (l.) und die junge Norina, die nur lieb ist, solange das Skript es vorsieht.
Der Titelheld (l.) und die junge Norina, die nur lieb ist, solange das Skript es vorsieht. Foto: Matthias Baus © Matthias Baus

Die Oper Frankfurt zeigt im Bockenheimer Depot Donizettis „Don Pasquale“ verschattet, aber freundlich.

Frankfurts Opernintendant Bernd Loebe hat immer betont, die wegen der Corona-Lockdowns abgesagten Premieren auf jeden Fall so oder so ähnlich nachholen zu wollen. Und er hat auch klargemacht, dass das ein paar Jahre dauern könnte. In der Tat.

Jetzt ist für Gaetano Donizettis „Don Pasquale“ die Stunde gekommen. Ursprünglich für den November 2020 angekündigt, inzwischen schon bei den noch bis Ende dieser Spielzeit ebenfalls von Loebe geleiteten Tiroler Festspielen in Erl gezeigt, eröffnete er nun ein bisschen außer der Reihe die Spielzeit im Bockenheimer Depot. Der Zufall will es dabei, dass Donizettis Oper vorzüglich zu Molières „Geizigem“ passt, mit dem soeben die Schauspielsaison begonnen hat: Zweimal fliegt dem Titelhelden und dem Publikum die europäisch-abendländische Variante der Zwangsehe um die Ohren, die blutjunge Frau und der uralte Mann, der mit Tricks und Druck eines Besseren belehrt werden muss. Donizettis Werk wurde zwar erst 1843 uraufgeführt, 170 Jahre später als „Der Geizige“, aber den Zuschauern und Zuschauerinnen wird die Konstellation weiterhin vertraut gewesen sein. Es geht auch nur gut aus, weil das Genre Komödie es verlangt.

Dass Norina dem Don Pasquale eine runterhaut, ging dem Uraufführungspublikum allerdings zu weit. In Frankfurt geschieht ihm wenigstens kein Leid dabei, es ist da ein eher ... abstrakter Vorgang. Es fragt sich hier sogar, ob die freche junge Frau nicht überhaupt eine Kopfgeburt des alten Mannes ist, der hinterm imposanten grauen Zottelhaar noch dazu ein junger Kerl ist, Božidar Smiljanic.

Im Laufe der Spielzeit wird er unter anderem noch als Winterrunden-Figaro zeigen, was er kann. Als Pasquale umgibt ihn bei allem Schönklang und technischer Versiertheit der Stimme eine jugendliche Befangenheit. Sie passt freilich dazu, dass Regisseurin Caterina Panti Liberovici ihm wohlgesinnt ist und ihn außerdem in einen Zusammenhang mit dem Komponisten bringt. „Don Pasquale“ ist das Spätwerk Donizettis, der damals doch erst Mitte 40 war, bald darauf aber unter seinen lebenslangen Krankheiten regelrecht zusammenbrach. Bis zu seinem frühen Tod 1848 kam er nicht mehr richtig auf die Beine.

Ein „Don Pasquale“ aus der Matratzengruft. Sergio Mariottis Bühne – oben schön gerahmt von einem Bogen des Bockenheimer Depots – wird von einem außerordentlich großen Bett dominiert, das relativ reibungslos auf der linken Seite durch eine Klappe rein- und rausgeschoben werden kann. Das ist ganz ulkig, auf Dauer vielleicht ein bisschen wenig, wie überhaupt Motive und Bewegungen sich stark wiederholen. Der Stuhl, der umfällt, aber auch das allgegenwärtige Schreibpapier und die weißen Feder, die wie ein Blumenbouquet getragen werden können, vor allem jedoch Schreibgerät darstellen. Nicht nur Pasquale selbst, sondern auch sein Widerpart Malatesta, Mikolaj Trabka, hantiert damit. Das konterkariert zwar die Idee, dass Donizetti-Pasquale vom Bett aus an seiner Oper arbeitet, aber es befördert zugleich den Eindruck, hier gelte es für alle Beteiligten, einem Skript zu folgen, welches gerade erst am Entstehen ist. So ist das Leben, klar.

Hinter Pasquales Schlafzimmer erhebt sich entsprechend eine Theaterbühne mit luftigen Vorhängen und Gelegenheiten zu Schattenspielen und überhaupt Verschattungen. Doppelungen des Personals durch zwei Tänzerinnen, Mirjam Motzke und Madeline Ferricks-Rosevear, haben eher dekorativen Charakter. Sie sind umso einfacher durchführbar als jene, die Pasquale hier heimsuchen, häufig hinter venezianischen Masken verborgen. Raphaela Roses seidige Kostüme erinnern an die Commedia dell’arte, die immer naheliegt, wenn alte Männer sich an jungen Frauen vergreifen wollen, es ihnen aber nicht gelingt.

Alles nur Kunst – die gelingt, und darin besteht in Frankfurt auch das Happyend für Pasquale – und alles nur ein Traum, so wird es sein und leuchtet es auch ein. Und doch verzichtet die Regie damit auf einige zutiefst menschliche Turbulenzen, die Donizettis Musik ebenfalls anbietet. Spielerin und Spieler sind doch so aufgeweckt, dass man nichts dagegen hätte, ihnen häufiger in die lebhaften Gesichter zu blicken statt auf die mystifizierenden Masken.

Trabka ist ein finsterer Doktor Malatesta, ein eitler Rabe mit einem Bariton von metallischer Schärfe und Präzision. Ihm ist einiges zuzutrauen, dem Sänger wie der Figur, die sich hier durchaus zum Todesvorboten aufschwingt. Das junge Paar hat in der stilisierten Atmosphäre wenig Gelegenheit zu leidenschaftlicher Liebe, dafür singt es umso holder davon. Der gleißende Tenor des Spaniers Pablo Martínez, erstmals an der Oper Frankfurt zu erleben, klingt etwas steril, aber das mag eine Schattenseite der Standfestigkeit sein und passt auch dazu, dass Ernesto in der Handlung unterm Strich wenig ausrichten kann. Bianca Tognocchi ist bei den rücksichtslosen Spitzentönen stark gefordert, darunter aber lässt sich kein süßerer, fülligerer, goldenerer Norina-Gesang denken.

Das Depot ist ein ungewöhnlicher Ort für eine Oper mit nicht ganz kleiner Instrumentalbesetzung, aber das Opern- und Museumsorchester nimmt den Raum mit wonniger Finesse ein. Kapellmeister Simone Di Felice arbeitet einen wie abgedämpften, leichten und doch kernigen Ton heraus. Auch im Schlussbeifall war das Orchester der womöglich größte Star des Abends.

Oper Frankfurt im Bockenheimer Depot: 27., 29. September, 1., 2., 4., 6., 8., 9., 12., 14., 15. Oktober. www.oper-frankfurt.de

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