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Wexford Festival Opera
24.10.2023 - 05.11.2023


Zoraida di Granata

Melodramma eroico in zwei Akten
Libretto von Bartolomeo Merelli
Musik von Gaetano Donizetti

In italienischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 30' (eine Pause)

Koproduktion mit dem Festival Donizetti, Bergamo

Premiere im National Opera House in Wexford am 24. Oktober 2023
(rezensierte Aufführung: 27. Oktober 2023)



 

 

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Zwei Tenöre im Kampf um die Sopranistin

Von Thomas Molke / Fotos: © Clive Barda

Gaetano Donizetti kann beim Wexford Festival Opera als eine Art Hauskomponist bezeichnet werden. Seit der Gründung des Festivals im Jahr 1951 standen seine Werke nämlich bisher in insgesamt 17 Spielzeiten als Hauptproduktionen auf dem Spielplan, wobei die kleineren Formate dabei noch gar nicht mitgerechnet sind. Begünstigt wird diese Tatsache natürlich dadurch, dass Donizetti mit seinen rund 70 Opern einen breiten Fundus an größtenteils vergessenen Belcanto-Schätzen hinterlassen hat, den es bei einem Festival, das sich auf unbekannte Opern spezialisiert hat, zu entdecken gilt. Wenn man bedenkt, dass selbst die heute aus dem Standardrepertoire nicht mehr wegzudenkenden komischen Opern L'elisir d'amore und Don Pasquale in Wexford bereits 1952 und 1953 präsentiert wurden, als deren Bekanntheitsgrad noch relativ gering war, kann man dem Festival zu Recht bescheinigen, zur Donizetti-Renaissance einen entscheidenden Beitrag geleistet zu haben. In diesem Jahr stellt man im Rahmen des Mottos "Women and War" ein Frühwerk des Komponisten aus Bergamo vor, das den Startschuss zu seiner folgenden Karriere gab: Zoraida di Granata.

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Almuzir (Konu Kim) will Zoraida (Claudia Boyle) zwingen, ihn zu heiraten.

Dabei handelt es sich um Donizettis sechste Oper und die erste, die auch bereits drei Jahre nach der Uraufführung 1822 außerhalb Italiens in Lissabon gespielt wurde. Die Uraufführung stand allerdings unter keinem guten Stern. Kurz vor der Premiere verstarb der für die Partie des Abenamet geplante Tenor Americo Sbigoli an einem geplatzten Blutgefäß. Da es keinen adäquaten Ersatz gab, transponierte Donizetti kurzerhand die Partie für einen Mezzosopran und kürzte sie. Für eine Wiederaufnahme 1824 weitete er die Partie für den Mezzosopran aus, da ihm nun eine bessere Interpretin zur Verfügung stand. Nun präsentiert das Wexford Festival Opera als Koproduktion mit dem Festival Donizetti in Bergamo beide Versionen, wobei in Wexford die ursprünglich geplante Fassung von 1822 mit einem Tenor gespielt wird, die schon vor der Uraufführung abgeändert worden war, und in Bergamo die zweite Fassung von 1824 mit der aufgewerteten Mezzo-Partie zu hören und sehen ist. Ein Vergleich der beiden Versionen dürfte sicherlich lohnenswert sein.

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Abenamet (Matteo Mezzaro) will sich das Leben nehmen.

Das Libretto basiert unter anderem auf der historischen Novelle Goncalve de Cordove ou Grenade reconquise von Jean-Pierre Claris de Florian aus dem Jahr 1791. Die Geschichte spielt um 1480, als Granada in Andalusien von den Moslems regiert wurde. Almuzir hat den König von Granada, Zoraidas Vater, getötet und selbst die Macht übernommen. Er möchte Zoraida heiraten, hat jedoch in Abenamet, einem getreuen Gefolgsmann des verstorbenen Königs, einen Rivalen um die Gunst der Prinzessin. Nachdem er Abenamet zunächst ins Gefängnis gebracht hat, plant er, ihn mit einer Intrige zu beseitigen. Im Kampf gegen die angreifenden Spanier soll Abenamet die arabischen Truppen anführen und dabei die Fahne führen. Sollte er sie verlieren, werde er mit dem Tode bestraft. Mit Hilfe seines Dieners Ali Zegri sorgt Almuzir jedoch dafür, dass Abenamet trotz siegreicher Rückkehr die Fahne verliert und zum Tode verurteilt wird. Zoraida erklärt sich bereit, Almuzir zu heiraten, wenn er Abenamet freilässt. Dies versteht Abenamet jedoch falsch und hält Zoraida für untreu. Als sie ihm ihre Liebe gesteht und gemeinsam mit ihm fliehen will, werden sie von Ali Zegri überrascht. Abenamet kann fliehen, aber nun soll Zoraida hingerichtet werden. In letzter Sekunde kann Abenamet sie vor dem Tod retten und die Intrige aufklären. Als er sich anschließend schützend vor Almuzir stellt, bereut dieser seine Taten und stimmt der Hochzeit zwischen Zoraida und Abenamet zu.

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Abenamet (Matteo Mezzaro, Mitte) kämpft mit Ali Zegri (Matteo Guerzè, 2. von links) um Zoraida (Claudia Boyle) (ganz links: Almuzir (Konu Kim)).

Das Regie-Team um Bruno Ravella verzichtet auf einen religiösen Bezug in der Inszenierung und betrachtet die Geschichte universeller. Im Zentrum steht das Liebesdreieck Abenamet - Zoraida - Almuzir, das unabhängig von der politischen Orientierung oder ethnischen Zugehörigkeit ist. Deswegen wählt Gary McCann für die Figuren auch moderne Kostüme, die bei Zoraida in den Farben eine große Ausdruckskraft besitzen. Zunächst trägt sie ein Kleid in sattem Blau. Wenn sie dem gefangenen Abenamet als Vision in seinen Träumen erscheint, tritt sie barfuß in weißem Kleid auf und erinnert an eine Art Geist. Als sie am Ende verbrannt werden soll, trägt sie ebenfalls ein weißes Kleid, um ihre Unschuld zu unterstreichen. Als Kulisse wählt McCann eine verfallene Burg, die in der Gestaltung durchaus aus der Zeit stammen könnte, in der die Geschichte spielt. Die zahlreichen Steine auf dem Boden deuten an, dass das Gebäude vielleicht Opfer eines Angriffs geworden ist. Von der Decke hängt ein zunächst undefinierbares schwarzes Gerüst herab, das sich in den großen Szenen von Abenamet und Zoraida auf diese herabsenkt und dabei fast wie ein Spinnennetz wirkt. Erst am Ende wird klar, dass es sich hierbei um ein buntes Fenster gehandelt hat, das ebenfalls bei einem Angriff zerstört worden ist. Wenn Zoraida und Abenamet am Ende doch noch zusammenkommen und Almuzir seine Schandtaten bereut, wird dieses Fenster in neuer Form aus dem Schnürboden herabgelassen. Soll das die Hoffnung auf eine bessere Zukunft bedeuten?

Als zusätzliche Figuren fügt Ravella zwei Tänzerinnen ein, deren Sinn sich nicht wirklich erschließt. Sind sie dem Motto des Festivals, "Women and War", geschuldet, weil Ravella vielleicht der Meinung war, dass die Frauen in diesem Stück mit Zoraida und ihrer Dienerin Ines unterrepräsentiert sind? Sollen es Dopplungen von Zoraida und Ines sein, weil sie zumindest ähnlich gekleidet sind? Dagegen spricht, dass sie beim lieto fine zu zwei Soldaten aus dem Chor gehen und mit ihnen zwei weitere Paare auf der Bühne bilden. Ansonsten erzählt Ravella die Geschichte in einer stringenten Personenregie und verfügt dafür auch über eine großartige Besetzung.

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Happy End (in der Mitte von links: Ali Zegri (Matteo Guerzè), Almuzir (Konu Kim), Abenamet (Matteo Mezzaro), Zoraida (Claudia Boyle), Ines (Rachel Croash) und Almanzor (Julian Henao Gonzalez), rechts und links daneben der Herrenchor)

Musikalisch ist die Oper sehr anspruchsvoll. Bei der Partie des Abenamet verwundert es nicht, dass Donizetti bei dem Tod des eingeplanten Tenors nicht sofort einen Ersatz zur Verfügung hatte. Matteo Mezzaro verfügt als Abenamet über einen in der Mittellage sehr kräftigen Tenor, der in den Höhen jedoch stellenweise etwas abflacht. Besonders die Übergänge machen ihm Schwierigkeiten. Wenn er sich nur in der höheren Stimmlage bewegen kann, besitzt sein Tenor eine große Strahlkraft. Vielleicht hätte man hier aber doch lieber einen Mezzosopran als Hosenrolle wie bei der Uraufführung 1822 gehört. Konu Kim glänzt als Bösewicht Almuzir mit stählernem Tenor und atemberaubenden Höhen, die er auch ohne scheinbare Anstrengung trifft, wenn er mitten in einer Arie auf einen Tisch klettert. Wie Almuzirs Charakter ist auch die Gesangslinie sehr hart angesetzt, was Kim absolut glaubhaft umsetzt. Julian Henao Gonzalez lässt als Abenamets Vertrauter Almanzor mit beweglichem, weichem Tenor aufhorchen, und Matteo Guerzè punktet als weiterer Bösewicht Ali Zegri mit schwarzen Tiefen.

Einen weiteren musikalischen Höhepunkt bilden die beiden Frauen. Da ist zunächst Claudia Boyle zu nennen, die in der Titelpartie begeistert. Mit strahlenden Höhen unterstreicht sie Zoraidas treue Liebe zu Abenamet und gestaltet die Partie mit großen dramatischen Bögen. In ihrer Musik sind bereits zahlreiche Donizetti-Heroinen angelegt, die in den weiteren ernsten Werken folgen sollten, nur dass ihr im Gegensatz zu Lucia, Anna Bolena und Lucrezia Borgia ein glückliches Ende bleibt. Auf dieses muss man aber in der Oper recht lange warten. Die Musik ist zwar wunderschön, hat aber bei einer reinen Spielzeit von gut drei Stunden durchaus ihre Längen. Rachel Croash glänzt als Zoraidas Vertraute Ines ebenfalls mit leuchtendem Sopran. Der Herrenchor unter der Leitung von Andrew Synnott rundet die sängerische Leistung des Abends überzeugend ab. Diego Ceretta führt das Orchester des Wexford Festival Opera mit präziser Hand durch die melodienreiche Partitur, so dass es am Ende begeisterten Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Mit Zoraida di Granata hat das Wexford Festival Opera wieder eine echte Rarität für Belcanto-Fans ausgegraben. Spätestens jetzt ist man neugierig geworden auf Donizettis zweite Fassung des Stückes, die 2024 in der gleichen Inszenierung in Bergamo zu erleben sein wird.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Diego Ceretta

Inszenierung
Bruno Ravella

Bühne und Kostüme
Gary McCann

Licht
Daniele Naldi

Chorleitung
Andrew Synnott

 

Orchester des Wexford Festival Opera

Chor des Wexford Festival Opera

 

Solistinnen und Solisten

Zoraida
Claudia Boyle

Almuzir
Konu Kim

Abenamet
Matteo Mezzaro

Ines
Rachel Croash

Almanzor
Julian Henao Gonzalez

Ali Zegri
Matteo Guerzè

Tänzerinnen
Luisa Baldinetti
Miryam Tomé

 

 


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