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Kritik - "Chicago" an der Komischen Oper Berlin Killer-Girls rocken den Knast

Die Komische Oper eröffnet ihr Ausweichquartier im Schillertheater mit dem Musical "Chicago". Eine kurzweilige Inszenierung mit opulenten Kostümen und viel Gekreische unter den Zuschauern.

Szene aus "Chicago" an der Komischen Oper Berlin (Inszenierung Barrie Kosky, Oktober 2023) | Bildquelle: Barbara Braun

Bildquelle: Barbara Braun

6.500 Glühbirnen strahlen, Glitzerherzchen blinken auf Korsagen, rote Federboas öffnen sich zu Blütenträumen – und das alles zu tiefschwarzem Humor und einer Story, die zynisch und abgründig und obendrein auch noch tatsächlich passiert ist. Barrie Kosky inszeniert eines der erfolgreichsten Broadway-Musicals neu, made in Berlin. Mit Stars, die allemal auch New York rocken könnten. Mit einem Text auf deutsch, der total witzig statt bieder ist. Mit Hits und großem Chor und Orchester und allem, was ein opulentes Musical braucht, um garantiert zum Dauerbrenner auch in Berlin zu werden.

Geschworene fallen auf gerissene Ladies rein

Szene aus "Chicago" an der Komischen Oper Berlin (Inszenierung Barrie Kosky, Oktober 2023) | Bildquelle: Barbara Braun Bildquelle: Barbara Braun Zwei Frauen bringen ihre Liebhaber um. Sie sind sexy, sie wickeln die Geschworenen, vor allem aber die Medien um ihre gierigen Fingerchen, sie lügen, betrügen, drücken auf die Tränendrüsen und schaffen es: Die Geschworenen fallen auf die Ladies rein und sprechen sie frei. So ist es tatsächlich geschehen in Chicago 1924. Daraus entstand erst ein Theaterstück und schließlich das 1975 uraufgeführte Musical von Bob Fosse, Fred Ebb und dem Komponisten John Kander. Kosky hat lange um die Rechte einer Neuinszenierung gekämpft, und es hat sich gelohnt.

Die 1.000 Gäste im ausverkauften Schillertheater jubelten und kreischten nach jeder Nummer, was neben der rasanten Regie den Künstler:innen galt. Katharine Mehrling als berlinernde Göre Roxy röhrt, tanzt, singt, bettelt, lügt, jammert, gewinnt und verliert einfach hinreißend, ebenso Ruth Brauer-Kvam, ihre Schicksalsschwester Velma, ruchlos, neidisch, böse und geschockt.

Kostümschlacht mit pinkem Hausmantel und rotem Samtanzug

Szene aus "Chicago" an der Komischen Oper Berlin (Inszenierung Barrie Kosky, Oktober 2023) | Bildquelle: Barbara Braun Bildquelle: Barbara Braun Beide sind Steh-auf-Frauen, die Reporter:innen lieben sie. Aufmerksamkeit heißt die Währung, mit der die Mörderinnen gewinnen, und das weit vor Instagram und TikTok. An ihrer Seite: Jörn Felix Alt als abgezockter Anwalt Billy Flynn mit den glimmergöttlichsten Kostümen vom pinken Hausmantel à la Playboychef Hugh Hefner bis zum roten Zirkusdirektor-Samtanzug. Er singt von Liebe und will nur Kohle. Das zynische Spiel mit den Gefühlen der Geschworenen macht ihm einen Heidenspaß.

Andreja Schneider als Gefängniswärterin, Ivan Tursič als ungeliebter und liebender Ehemann im verschossenen Pollunder und Hagen Matzeit als heulsusige Reporterin Mary Sunshine – sie und die Tänzer und Chöre und vor allem Adam Benzwi als musikalischer Inspirator, Motivator, Dirigent und Pianist machen "Chicago" zu einem Muss. In drei Stunden lässt sich die trübe Weltlage wenigstens zeitweise vergessen, um lachend in Farben, Stimmen und Musik zu schwelgen.

Sendung: "Allegro" am 30. Oktober 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Montag, 30.Oktober, 22:38 Uhr

Peter Kollwitz

Chicago Kritik

Was für ein fachlich schlimmer Text.

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