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BASEL/ Theater: PFERD FRISST HUT – musikalische Komödie nach Eugène Labiche, Musik von Herbert Grönemeyer – UA

Theater Basel: “Pferd frisst Hut”, musikalische Komödie nach Eugène Labiche, Musik von Herbert Grönemeyer – UA 4.11.2023

pfr
Photo: © Thomas Aurin

Die als Oper definierte Komödie basiert auf dem Bühnenstück «Ein Florentinerhut» des französischen Lustspieldichter Eugène Labiche aus dem Jahre 1851, das von Sabrina Zwach bearbeitet wurde.

Das Pferd des «Privatiers» Fadinard frisst den italienischen Strohhut einer ihm unbekannten Dame. Fadinard hinterlässt etwas Geld, um den Schaden zu begleichen. Ende der Geschichte? Weit gefehlt: Die Dame und ihr Liebhaber verlangen rigoros, den zerstörten Gegenstand wiederzubeschaffen, da sonst Madames eifersüchtiger Ehemann Verdacht schöpfen könnte. Auf der verzweifelten Suche nach dem Florentinerhut stolpert Fadinard jedoch von einem Problem ins nächste: Zum einen hat er seine ganze Hochzeitsgesellschaft mitsamt seiner Braut und seinem Schwiegervater im Schlepptau, zum andern verschlimmert eine rachsüchtige Exfreundin die Lage gehörig. Als die Baroninnen von Champigny Fadinard schliesslich für den für ihre Party gebuchten Tenor halten, während die Hochzeitsgesellschaft deren Buffet leerfrisst, gerät die Sache vollends ausser Kontrolle.

Dass sämtliche Locations in einem einzigen komplett schiefen Raum stattfinden, scheint angesichts der immer schräger werdenden Story durchaus passend. Die zahlreichen Türen lassen sich zudem herrlich in die verschiedenen Gesichter knallen, nicht der einzige running gag.

Regisseur Herbert Fritsch bietet dem Publikum Slapsticks vom Feinsten: Das grossartige Ensemble muss zwischen rasantem Wortwitz, zirkusreifer Bewegungsartistik und Musicalgesang die meist taumelnde Balance halten, was insbesondere Christopher Nell als Fadinard grossartig gelingt, der den Abend fasst im Alleingang trägt. Cécilia Roumi würgt sich als verkaterte Braut Hélène nicht nur durch ihre «Kotzarie», sondern auch irgendwie durch ihre Hochzeit. Die frivole Hutmacherin Clara (Sarah Bauerett) möchte – nicht grundlos – einen Skandal auf der Hochzeit ihres Ex machen. Florian Anderer als Polizist/Liebhaber macht vor allem mit seiner Hutnummer Furore, während das Objekt seiner Begierde Anais (Nanny Friebel) auf Drama macht. Florian Anderer und Gottfried Breitfuss brillieren als Baroninnen von Champigny, während Raphael Clamer als eifersüchtiger Ehemann von Anais vor allem in der «Badewannen-Szene» amüsiert. Positiv erwähnt werden sollten auch Jasmin Etezadzadeh als in die Braut verliebter Cousin und vor allem Hubert Wild als ständig unkender Schwiegervater.

Herbert Grönemeyer kennen viele, aber nur wenige wissen, dass Theater seine erste Liebe und er bereits mit 17 Jahren musikalischer Leiter in Bochum war. Tatsächlich zeigen die Ouvertüre und das Intermezzo grosses Kompositionstalent, zwar etwas schwülstig im Stil irgendwo zwischen Gershwin und alter Hollywood-Filmmusik, aber durchaus hörenswert. Die «Arien» tönen dann wieder wie Persiflagen auf Grönemeyers Pop-Musik und mussten wohl dem meist völlig abstrusen Text angepasst werden, aber auch hier gibt es einige Perlen, wie das «Italien-Lied», das auch als Encore gegeben wurde. Thomas Wise peitscht das Sinfonieorchester Basel fulminant durch die immer schneller werdenden Takte.

Manche Gags der über 3 Stunden dauernden Produktion werden unnötig in der Länge gezogen, die Texte schwanken zwischen dämlich und absurd und die Story ist geradezu demonstrativ unpolitisch und mutet in ihrer bukolischen Naivität beinahe wie ein anachronistischer Affront gegen unsere heutige Zeit an, in der man sich nicht mal mehr die Nachrichten anschauen will. Aber vielleicht gerade darum liessen sich die Basler Zuschauer mitreissen und feierten das Ensemble inklusive Grönemeyer mit grossem Applaus.

 

Alice Matheson

 

 

 

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