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Zürich/Opernhaus: GÖTTERDÄMMERUNG – Göttlicher Abgesang

04.12.2023 | Oper international

Zürich: Opernhaus – Richard Wagner: «Götterdämmerung» – Andreas Homoki (Inszenierung) – Camilla Nylund (Brünnhilde) – Klaus Florian Vogt (Siegfried) – Philharmonia Zürich –
Gianandrea Noseda (Leitung)

  • Dezember 2023
  • gbn

Göttlicher Abgesang

Am 3. Dezember 2023 dämmert es in Zürich den Göttern ein letztes Mal, bevor im Mai 2024 die «Ring»-Zyklen beginnen.

Ein fantastisches Projekt – quasi das Vermächtnis des Opernhausintendanten und Regisseurs Andreas Homoki an «sein» Opernhaus und das Publikum – findet zu seinem fulminanten Abschluss. Der Intendant des Opernhauses schenkt Zürich einen bildgewaltigen, differenziert inszenierten und musikalisch einmalig schönen «Ring». In der «Götterdämmerung «zieht der Regisseur nochmals sämtliche Register.

Andreas Homoki, den ich spätestens seit seiner Basler «Elektra» vor vielen, vielen Jahren mehr als nur schätze, ist ein Freund grosser Bilder – und der moderaten Modernisierung. Damit trifft er mindestens zwei Fliegen auf einen Streich. «Einsteigern» ermöglicht der Regisseur mit seiner Theatersprache den Einstieg in ein Werk, hier eben in den «Ring». Er erzählt die Geschichte für jedermann. Für die kundigen Zuschauer hält er viele Interpretationsmöglichkeiten bereit, welche durchaus kontrovers diskutiert werden (dürfen).

Bei jeder Figur arbeitet Homoki in seiner Regie die besonderen Eigenschaften heraus. Besonders eindrücklich gelingt ihm das bei Gunther und Hagen. Gunther, welcher doch des öfteren in der Darstellung etwas farblos gerät, ist hier die von Angst und Unsicherheit getriebene Marionette, deren Fäden in den Händen Hagens und am Schluss des ersten Aktes in denjenigen von Siegfried sind. Hagen wird als spindeldürrer, intriganter, sadistischer Oberschurke mit äusserlicher Ähnlichkeit mit Rasputin gezeichnet, der es sichtlich geniesst, seine Halbgeschwister sowie letzten Endes auch Siegfried in die Pfanne zu hauen.

Inhaltlich einer der stärksten Einfälle ist, wenn Brünnhilde bei der Waltrauten-Erzählung sich auf einmal in Walhall befindet und Wotan – ihrem Vater – ins Auge blickt – und nicht mehr nachvollziehen kann, um was es da eigentlich geht. Der Satz «Staunend versteh’ ich dich nicht» ist damit erklärt. Kein Wunder – hat doch Wotan selber seiner Tochter die Gottheit von ihr geküsst. Und was Brünnhilde noch wusste, hat sie Siegfried übertragen. Deshalb ist es nur verständlich, dass Brünnhilde im todbringenden Ring nur noch Siegfrieds Liebespfand erkennt. Dies sei hier nur als Beispiel, derer es an diesem Abend noch viele gibt, erzählt. Man muss die Aufführung erleben – und diskutieren!

Musikalisch – allererste Sahne, gaaaanz grosse Oper! Freya Apffelstaedt, Lena Sutor-Wernich und Giselle Allen liefern eine sehr ansprechende Nornenszene. Bezaubernd und gesanglich bestens aufeinander abgestimmt umgarnen Ulyana Alexyuk (Woglinde), Niamh O’ Sullivan (Wellgunde) und Siena Licht Miller (Flosshilde) flirtend den Helden Siegfried, bevor sie ihm eindringlich drohend den bevorstehenden Tod verkünden.

Die eigentlich undankbaren Partien der Gibichungen Gunther und Gutrune sind bei Daniel Schmutzhard und Lauren Fagan allerbestens aufgehoben. Lauren Fagan besticht mit wunderbarem Gesang und sieht zudem fabelhaft aus. Es stellt sich da fast die Frage, ob Siegfried, der eigentliche Naturbursche, der sich ja auch bei Gelegenheit die eine oder andere Rheintochter «frisch gezähmt» hätte, nicht auch ohne Vergessenstrank Gutrunes Reizen erlegen wäre. Daniel Schmutzhard gefällt gesanglich sehr und verleiht der «Marionette» Gunther die entsprechende Persönlichkeit.

Abgrundtief böse gerät David Leigh der Oberschurke Hagen. Wie eine Spinne umgarnt er seine Opfer. Wer einmal in seinem Netz ist, kommt nicht wieder raus. Was stimmlich nicht ganz so schwarz ist, wie ich es gerne mag, macht der Sänger mit seiner mitreissenden Rollengestaltung – und da beziehe ich die gesangliche Leistung mit ein! – wieder wett.

Sarah Ferede gefällt als leidenschaftliche Waltraute mit ausdrucksstarker und fein differenzierter gesanglicher Leistung.

Christopher Purves, welcher sich als Alberich hinter dem Strunk der Weltesche versteckt, wirkt eindringlich mit grosser Stimme auf seinen Sohn Hagen ein. Dieser erkennt für einen Moment, dass er später auch mit seinem Vater um den Ring kämpfen wird – und das beunruhigt ihn, denn Alberich ist nicht ohne …

Der Chor der Oper Zürich (Einstudierung: Ernst Raffelsberger – bravo!!) ist musikalisch schlicht und ergreifend grossartig. Schade nur, dass einige Choristen ihre «schauspielerische Ader» zuweilen etwas zu sehr ausleben; etwas weniger wäre da deutlich mehr und deutlich weniger unfreiwillig komisch.

Mit Spannung erwartet, nun Realität: Klaus Florian Vogt als Siegfried. Der begnadete Sänger – er gibt in Zürich sein umjubeltes Rollendebüt als «junger» und «alter» Siegfried –  schafft es, das Heldische mit dem Lyrischen zu verbinden und entwickelt so das musikalische Bild des Helden weiter – grandios! Absolut berührend und mitreissend! Klaus Florian Vogt arbeitet sämtliche Facetten dieser Partie heraus: unbändiger Tatendrang, Lebensfreude, Wut und – am Schluss in der Sterbeszene die erschütternde Erkenntnis. Nicht nur Prahler – sondern auch Mensch. Das bringt der Sänger mit seiner wunderbaren Stimme, welche er sicher führt, grossartig zum Ausdruck.

Für mich zählt sie zu den besten der heutigen Brünnhilden: Camilla Nylund! Auch ihr Rollendebut in dieser Partie ist nicht nur gelungen, sondern zu einer Offenbarung geraten. Die Sängerin begeistert mit grosser Sicherheit und viel, viel Leidenschaft. Sie meistert die riesige Partie souverän – von Müdigkeitserscheinungen keine Spur. Sie führt ihre wunderbare Stimme souverän und teilt ihre stimmlichen Kräfte geschickt ein. Die Freude, welche sie an dieser Partie hat, ist sicht-, spür- und hörbar.

Die Philharmonia Zürich unter dem mitreissenden Dirigat von Gianandrea Noseda zaubert grosse Klangbogen aus dem Orchestergraben und vollendet dadurch einen Opernabend der Superlative!

Riesiger Applaus für alle Beteiligten! Wir alle freuen uns auf die zyklischen Aufführungen dieses wunderbaren «Rings».

Michael Hug

 

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