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NEW YORK – WIEN / Die Met im Kino: FLORENCIA EN EL AMAZONAS

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NEW YORK – WIEN / Die Met im Kino /  Village Cinema Wien Mitte;
FLORENCIA EN EL AMAZONAS von Daniel Catán
9. Dezember 2023 

Der aus Mexiko gebürtige Daniel Catan (1949  – 2011) zählte zu jenen Komponisten, die versuchten, ein „lateinamerikanisches“ Operngenre zu kreieren. Von seinen sechs fertig gestellten Opern erzielte „Il Postino“ die meiste Beachtung, weil Placido Domingo eine große Rolle für sich darin fand und mit dem Werk weltweit gastierte. Die Oper „Florencia en el Amazonas“, die 1996 in Houston uraufgeführt und in Amerika (und auch Mexiko) vielfach nachgespielt wurde, hat Europa nur an kleinen Häusern erreicht.

Nun erscheint das Werk im Spielplan der Metropolitan Opera in New York, wohl vor allem als Ergebnis des ausgeprägten Diversity-Spielplans, dem Direktor Peter Gelb seit einigen Jahren huldigt. Bei der Met in HD-Übertragung im  Village Cinema Wien Mitte fand das Werk einen halbvollen Saal.

Die „Florencia“ beruht auf einigen Figuren des berühmten Romans „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ von Gabriel García Márquez und ist (nicht nur der gut verdaulichen eindreiviertel Stunden reiner Spielzeit wegen) ein Leichtgewicht. Die schmale Geschichte einer kleinen Gesellschaft, die den Amazonas hinauffährt, die Titelheldin auf der Suche nach ihrer verlorenen Liebe, der vor Jahrzehnten irgendwann im Dschungel verschwunden ist, dazu zwei Paare, ein Kapitän und eine mystische Figur.

Zu Beginn geht man auf das Schiff in Richtung Manaus (Florencia ist eine Operndiva, sie soll im dortigen, weltberühmten Opernhaus singen), dann ist man am Schiff, und was sich zwischen einem Pärchen, das sich findet, und einem Paar, das erst durch eine Tragödie wieder zusammen findet, abspielt, ist mäßig interessant. Florencia selbst hängt nur ihren traurigen Gedanken nach, der Kapitän verehrt sie still, und viel mehr begibt sich nicht.

Ein wenig Dramatik kommt durch einen Sturm ins Spiel, der das Schiff zur Pause stranden lässt, was es nicht hindert, am Ende doch noch in Manaus zu landen (die berühmte Opernhaus-Fassade winkt in der Ferne) – aber da herrscht die Cholera. Das gibt allerdings der Oper das wunderschön-tragische Ende, dass Florencia in den Dschungel geht – und singend den real nicht vorhandenen Geliebten findend, sich in einen Schmetterling verwandelt…

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Fotos: Metopera

Poesie ist überhaupt das Geheimnis, mit dem Regisseurin Mary Zimmerman das Werk einigermaßen zu einem Theaterevent aufputzt, der von der amerikanischen Kritik ausreichend gewürdigt wurde. In einem enorm stimmungsvollen und dabei auch humorvollen Bühnenbild (Riccardo Hernandez) und attraktiven 19. Jahrhundert-Kostümen (Ana Kuzmanić) belebt die Regisseurin die Bühne nicht nur mit den wogenden Protagonisten, sondern auch einer meist der Choreographie (Alex Sanchez) anvertrauten Schar von Tieren (tanzende Piranhas, sehr witzig) und Allegorien (wehende Wassermassen). Weiters ist da  ein hinreißender Marionetten-Affe (an 16 Schnüren von unglaublicher Beweglichkeit), ein Krokodil, ein paradiesischen Vogel und vieles mehr. Wenn es stürmisch wird, dann wackeln die Bühnenarbeiter mit der Reling des Schiffs, und wenn sich die Handlung am Ende zur Cholera  verdüstert, wandern schwarze Gestalten, wie man sie aus Pestzeiten kennt, herum. Optisch fehlt es keinesfalls an Ideen, die schwache Geschichte am Laufen zu halten.

Musikalisch wird man von Catan in eine angenehme Wolke des Wohlklangs gehüllt, aus der man wieder herausgeht, ohne sich auch nur eine Phrase oder Sequenz gemerkt zu haben (das unterscheidet ihn von Puccini, mit dem er gern verglichen wird – aber etwas auch nur annähernd so Eingängiges wie „Nessun dorma“ wird man vergeblich suchen…) Yannick Nézet-Séguin, der sich im Pausengespräch natürlich angemessen begeistert über die Partitur äußerste, war erfolgreich deren orchestralen Raffinessen auf der Spur. Die Gesangslinie war nicht gleich überzeugend, aber da sich alle Sängerdarsteller mit voller Begeisterung in die Seelen ihrer Rollen stürzten, gab es da auch einiges Schöne.

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Titelrollen-Interpretin Ailyn Pérez, auch sie mexikanischer Herkunft, ist die schöne Heldin, mehr herzliche Frau als Operndiva, mit einem berauschenden Abgang, der durchaus etwas von einem Liebestod an sich hat. Gabriella Reyes verliebte sich als Rosalba geradezu unwiderstehlich in Arcadio: (Mario Chang) – für die große Liebesszene der beiden klatschte das Publikum sogar mitten in das Werk hinein. Vergleichsweise am Rande blieben Nancy Fabiola Herrera umd Michael Chioldi als das Paar Paula und Alvaro, obwohl sie eine sehr schöne Szene hat, als sie glaubt, ihr Mann sei tot und sie erkennt, dass sie ihn immer noch liebt. Gute Figur machte Greer Grimsley als Kapitän, und da ist noch Riolobo: (Mattia Olivieri mit manchmal etwas angestrengtem Bariton), der in der ersten Szene als eine Art Conferencier auftritt, aber später auch pompös als undurchsichtige Gottheit (Geist des Amazonas?) erscheint.  

Es gab aber an diesem Abend nicht nur die Oper selbst, sondern zusätzlich noch eine Show: Rolando Villazon, der derzeit an der Met den Papageno singt, wurde als Mexikaner abgestellt, das Werk zu präsentieren, und er war ganz er selbst – der zappelnde, übersprudelnde, die Hände nicht eine Sekunde ruhig haltende, die Augen begeisternd rollende Rolando, wie er leibt und lebt, mit jedem Satz in Superlativen schwelgend, kurz, ganz sein liebenswürdiges, leicht verrücktes Selbst. Vermutlich wird seine Einführung und seine Pausenpräsentation irgendwann als Hit an sich im Internet auftauchen…

Renate Wagner

 

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