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WIEN/Staatsoper: ELEKTRA – (17.12.)

WIEN / Staatsoper: „ELEKTRA“ – 17.12.2023

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Camilla Nylund (Chrysothemis). Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

 Die Repertoireverarmung schreitet immer weiter voran. Während man an der Wiener Staatsoper z.B. Werke von Giacomo Meyerbeer oder Franz Schreker, Leoš Janáček oder Bohuslav Martinů weiterhin vermisst, werden immer wieder Werke, die sich ohnehin im Spielplan der Staatsoper befinden, neu inszeniert. In dieser Saison wurden bzw. werden „Turandot“ und „Lohengrin“ neu inszeniert, obwohl deren jeweilige letzte Neuproduktion noch gar nicht so lange zurückliegt, und demnächst sollen angeblich „Don Carlo“ und „Die Zauberflöte“ neuinszeniert werden…

Ich kann mich noch an die jährlichen Richard-Strauss-Festtage in der Direktionszeit von Egon Seefehlner erinnern, bei denen man in einem Monat sieben oder acht verschiedene Strauss-Opern sehen konnte. Das ist heute leider nicht mehr möglich. Im festen Repertoire befinden sich eigentlich nur noch „Salome“ (deren letzte Neuinszenierung ebenfalls unnötig war), „Elektra“ und „Der Rosenkavalier“. Dazu werden dann alle paar Jahre „Ariadne auf Naxos“, „Die Frau ohne Schatten“, „Arabella“, „Daphne“ und „Capriccio“ für wenige Aufführungen wiederaufgenommen, um dann sogleich wieder vom Spielplan zu verschwinden. Leider wird „Die schweigsame Frau“ nicht mehr wiederaufgenommen, obwohl wir da noch immer eine durchaus brauchbare Marelli-Inszenierung im Fundus haben müssten. Und leider ist „Die Liebe der Danae“ in der opulenten Inszenierung von Alvis Hermanis wegen des vorzeitigen Abgangs von Franz Welser-Möst als Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper nicht wie geplant von den Salzburger Festspielen an das Haus am Ring übernommen worden. „Die ägyptische Helena“ ist überhaupt seit 1972 nicht mehr an der Staatsoper gespielt worden. Und in der goldenen Zeit der Wiener Volksoper (in der Direktionszeit von Albert Moser) konnte man zwei weitere Strauss-Opern im Haus am Gürtel sehen: „Feuersnot“ und „Intermezzo“. Aber heute spielt man dort lieber parallel zur Staatsoper die „Salome“…

Die „Straussianer“ dürfen sich aber derzeit über eine Aufführungsserie der „Elektra“  freuen, die Dank des Dirigenten als außerordentlich zu bezeichnen ist. Glücklicherweise spielt die Staatsoper dieses Werk nicht mehr in der schlechten Laufenberg-Inszenierung, die unnötigerweise in der Ära von Dominique Meyer herausgekommen ist, sondern in der legendären Produktion von Harry Kupfer aus dem Jahr 1989.

Alexander Soddy hat sich binnen kürzester Zeit zu einem der besten Dirigenten am Haus am Ring etabliert. Nach seinem fast unbemerkt gebliebenen Debüt (2018 mit „Il barbiere di Siviglia“´) machte er das erste Mal so richtig auf sich aufmerksam, als er im September 2020 erstmals an der Staatsoper die „Elektra“  dirigierte.  Wie ich bereits in meinem Bericht von der „Elektra“-Vorstellung vom 5.1.2023 (https://onlinemerker.com/wien-staatsoper-elektra-lang-anhaltender-jubel-und-noch-zwei-weitere-vorstellungen/) hervorgehoben habe, begeistert der britische Dirigent mit der Rücksichtnahme auf die Sänger. Natürlich lässt er auch gewaltige Klangeruptionen zu, aber er sorgt dafür, dass die Stimmen der Sänger nie in den Orchesterfluten untergehen. Das Orchester der Wiener Staatsoper glänzte wieder einmal mit seinem warmen Streicherklang, mit brillanten Holzbläsern und mit volltönenden Blechbläsern. Soddy fächert die Partitur immer wieder transparent auf, um gleich danach einer gewaltigen Klangentladung Raum zu geben. Allein schon wegen dieser Orchesterleistung unter diesem Dirigenten muss man sich eine Vorstellung dieser Aufführungsserie ansehen!

Leider musste die amerikanische Sopranistin Christine Goerke, die bereits 2020 an der Wiener Staatsoper als Elektra beeindruckte, wegen einer Schulterverletzung diese Aufführungsserie absagen. In der von mir besuchten Vorstellung sang nun Aušrinė Stundytė die Titelpartie. Ich habe die litauische Sopranistin als sehr gute Singschauspielerin in Erinnerung (als Katerina in „Lady Macbeth von Mzensk“ in Lyon und Paris und als Renata in „Der feurige Engel“ in Lyon). 2020 beeindruckte sie mich bei den Salzburger Festspielen als Elektra (neben Asmik Grigorian als Chrysothemis) unter der musikalischen Leitung von Franz Welser-Möst. Aber diesmal enttäuschte sie. Ihre Stimme klang an diesem Abend viel zu klein, die Tiefe zu wenig fundiert und die Höhen wurden fast nur geschrien. Hoffentlich war dies nur eine schlechte Abendverfassung und nicht bereits ein böses Zeichen für eine vorzeitige Stimmabnützung.   

Mir ist schon bewusst, dass man in Zeiten von Grippe- und Corona-Wellen froh sein muss überhaupt kurzfristig eine Interpretin für die Titelrolle zu finden, aber wenn die Sängerin der Elektra die weitaus kleinere Stimme hat als die Sängerin der Chrysothemis, dann stimmt einfach die Besetzungskonstellation nicht. Camilla Nylund war als Chrysothemis mit ihrem leuchtkräftigem Sopran die alles überragende Lichtgestalt des Abends.    

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Michaela Schuster (Klytämnestra). Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Michaela Schuster ist eine noch recht vitale Klytämestra, die wortdeutlich mit großer Intensität und Ausdruckskraft ihrer Tochter die Albträume schildert, die sie plagen.   

Günther Groissböck ist als Orest mit seinem großvolumigen, weich strömenden Bass eine ausgezeichnete Hausbesetzung (und somit besser als so mancher Gast in dieser Partie) und Thomas Ebenstein ein bewährter Aegisth.

Mit Wolfang Bankl (Pfleger des Orest), Daria Kolisan (Vertraute), Alma Neuhaus (Schleppträgerin), Lukas Schmidt (junger Diener), Marcus Pelz (alter Diener), Stephanie Houtzeel (Aufseherin), Stephanie Maitland, Juliette Mars, Daria Sushkova, Regine Hangler und Aurora Marthens (Fünf Mägde) waren auch die Nebenrollen zufriedenstellend besetzt. Aber wie bereits erwähnt, das eigentliche Ereignis fand im Orchestergraben statt.

Am 20. Dezember hat man noch einmal Gelegenheit, „Elektra“ in dieser Besetzung sehen zu können, es gibt noch Karten.  

Walter Nowotny

 

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