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WIEN / Staatsoper: HÄNSEL UND GRETEL

Märchenhaftes zur Weihnachtszeit

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Christina Bock (Hänsel), Florina Ilie (Gretel) und Miriam Kutrowatz (Taumännchen). Alle Fotos; Wiener Staatsoper / MIchael Pöhn

WIEN / Staatsoper: HÄNSEL UND GRETEL

24. Aufführung in dieser Inszenierung

28. Dezember 2023

Von Manfred A. Schmid

Ältere Semester werden sich noch an die legendär gewordenen Auftritte von Volksoperndirektor Karl Dönch in der Rolle der spektakulär auf die Bühne heruntersegelnden Hexe erinnern. Da seit 1944 Engelbert Humperdincks Märchenoper an der Staatsoper nicht mehr gespielt worden war, blieben die Aufführungen von Hänsel und Gretel nämlich fast 70 Jahre lang allein der Volksoper überlassen. Erst 2015 kam es, auf Wunsch von Christian Thielemann, zu einer Neuinszenierung im Haus am Ring, die nun alljährlich zur Weihnachtszeit das Publikum, darunter auch viele Kinder, begeistert. Adrian Nobles stimmungsvolle Inszenierung, mit einer gediegenen Rahmenhandlung und im fantasievollen Bühnenbild von Anthony Ward, von dem auch die Kostüme stammen, hatte bei der Premiere nicht nur das Publikum, sondern auch die Kritik entzückt. Besonders die mit Videoeinspielungen (Andrzej Goulding) bestückten Traumszenen von Hänsel und Gretel, die sich im Wald verlaufen haben und dort übernachten müssen, sind exzellent gelungen und unterstreichen die ebenso märchen- wie zauberhafte Handlung nach der gleichnamigen Vorlage der Brüder Grimm.

Schon bei Thielemann, der die Premiere leitete, wurde einem wieder einmal klar bewusst, dass Humperdincks Werk alles andere als eine bloße Kinderoper ist. Die u.a. von Richard Wagner inspirierte Instrumentation der farb- und melodienreichen, durch drei markante und leitmotivisch verwendete Zitate aus Volks- und Kinderliedern geprägten Partitur ist ein spätromantisches Meisterwerk. Da trifft es sich gut, dass mit dem britischen Dirigenten Alexander Soddy ein vortrefflicher Interpret mit dieser schwelgerischen, aber niemals überladen wirkenden, sondern höchst ökonomisch eingesetzten Musik betraut ist. Schon die Ouvertüre mit dem zu Beginn von den Hörnern vorgetragenen Schutzengelchor, der sich in innigen Abwandlungen emporschwingt und geradezu himmlische Sphären erreich, ist eine symphonische Offenbarung und fängt im weiteren Verlauf die Handlung stimmungsvoll ein: „Hokus pokus“ kündigt die bedrohliche Episode im Knusperhäuschen der Hexe an, bevor sich dann alles in Wohlgefallen und in einem Dankgebet auflöst. Besonderes Augenmerk widmet Soddy den Holzbläsern, und es gelingt ihm vortrefflich, zwischen den spirituellen Momenten, z.B. in den choralartigen Passagen, und den übermütigen Kinderszenen eine stimmige Balance herzustellen

Mit frischen Stimmen und ausgefeilten Darstellungen bringen Christina Bock und Florina Ilie als Hänsel bzw. Gretel kindliche Ausgelassenheit und Unbekümmertheit auf die Bühne. Bock ist ein springlebendiger, geradezu akrobatischer Hänsel, Ilie eine etwas sanftere, höchst sympathische Gretel. Ihr Duett im „Abendsegen“ ist fein ausgewogen und einfach ein Genuss.

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Monika Bohinec (Hexe)

Die Sopranistin Regine Hangler kommt mit der Mezzosopran-Rolle der Mutter gut zurecht und ist eine resolute, leicht genervte Gertrud, die einmal voll die Beherrschung verliert und den vollgefüllten Milchkrug zu Boden schmettert. Um einiges gelassener ist da schon Gertruds Mann Peter Besenbinder, der trotz der elenden Verhältnisse, in denen er und seine Familie leben müssen, den Humor und die Unbekümmertheit nicht verloren hat, sondern auf Gottes Hilfe in der Not vertraut, Trost aber wohl auch im Alkohol sucht und findet, und dann besonders gerne beschwingt vor sich hin trällert. Eine gute Rolle für den stimmstarken und wortdeutlichen Adrian Eröd.

Als Hexe ist die darstellerisch wie auch gesanglich bestens gerüstete Monika Bohinec der komische, irgendwie auch gruselige Mittelpunkt des Abends. Mit süßen Versprechungen lockt sie die Kinder in das angestrebte Verderben, verrät aber alsbald ihre wahre Natur und ihre bösen Absichten, was sich auch dadurch ankündigt, dass sie in ihren warmen Mezzo bewusst ein paar scharfe, bedrohlich klingende Töne einflicht. Eine gelungene Groteske.

Aus den Opernstudio kommt die vielseitige, schon in vielen Rollen eingesetzte und stets treffsichere Miriam Kutrowatz. Als Sandmännchen und Taumännchen betont sie mit hellem, überirdisch klingendem Gesang die Märchenhaftigkeit des Geschehens. Beachtlich auch die von Johannes Mertl geleitete Opernschule, die ihre Auftritte als gruseliger Echo- und erlöster Kinderchor eindrucksvoll gestaltet.

Viel Applaus für eine Opernaufführung, die inzwischen zum ebenso vertrauten, wie auch beliebten Repertoire des Hauses gehört wie die Fledermaus zum Jahreswechsel.

 

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