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WIEN / Staatsoper: DIE FLEDERMAUS von Johann Strauss

Eine etwas zerfledderte Fledermaus zum Jahresausklang

WIEN / Staatsoper: DIE FLEDERMAUS

184. Aufführung in dieser Inszenierung

31. Dezember 2023

Von Manfred A. Schmid

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Foto: Johannes-Karl Fischer

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Die Fledermaus zu Silvester und das Neujahrskonzert am darauffolgenden Tag gehören bekanntlich zu den unverzichtbar gewordenen Traditionen des musikalisch gefeierten Jahreswechsels. Die 184. Aufführung der Strauß-Operette an der Staatsoper, im schwelgerischen Bühnenbild von Günther Schneider-Siemssen und in der vertrauten Inszenierung von Otto Schenk, die zeitversetzt auch im Fernsehen ausgestrahlt wird, erweist sich leider als eine etwas zähe, sich mühsam dahinschleppende Angelegenheit. Daran, dass sie 35 Minuten länger dauert als angekündigt, ist nicht nur der Champagner Schuld, der in eventuell dafür eigens verlängerten Pausen genüsslich getrunken wird, sondern das liegt vor allem am betulichen Dirigat von Simone Young. Ausgerechnet der zweite Akt, das Fest im Palast des Prinzen Orlofsky, wird unter ihrer Leitung zu einem Anlass für gähnende Langeweile. Dahinter muss irgendein mysteriöser Kraftakt stehen, denn es ist mehr als verwunderlich, wie es Young gelungen ist, dem Orchester, von dem tags darauf viele Mitglieder beim Neujahrskonzert zündende Walzer und spritzige Polkas aufspielen werden, diese gemächliche Gangart aufzuoktroyieren.

Dass Die Fledermaus diesmal so zerfleddert daherkommt, dazu trägt auch der dritte Akt im Gefängnis bei. Als Frosch – das in seiner aufgeblasenen Wichtigkeit operettige Pendant zur Buhlschaft im Jedermann – ist Johannes Silberschneider im Einsatz, der von rührigen Claqueurs auf der Galerie, die sich auch an anderen Stellen immer wieder lautstark bemerkbar machen, schon beklatscht wird, als er auftritt und noch kein Wort gesagt hat. Wunder hat man von ihm nicht erwartet, aber ein bisschen frischer Wind hätte nicht geschadet. Aber Silberschneider entpuppt sich nur als eine kleinere und leisere, zum Teil schwer hörbare Ausgabe des vertrauten steirischen Gerichtsdieners, wie ihn Simonischek in den letzten Jahren geprägt hat. Anspielungen auf die gegenwärtige Politik gibt es keine, was kein Fehler sein muss, aber dann ausgerechnet das Klimaticket als Lachanreiz in seine Bemerkungen einzuflechten, ist doch allzu banal. Vielleicht sollte man es doch einmal mit einer Fröschin versuchen.

Gesanglich erweist sich dieser Abend als eine solide Repertoireaufführung, was dem Anlass und den Stellenwert eigentlich nicht entspricht. Etwas mehr an stimmlichem Glanz dollte der Fledermaus zum Jahreswechsel schon beigemessen werden. Die weitaus beste Leistung erbringt die schweizerische Sopranistin Regula Mühlemann. Sie ist eine entzückend selbstbewusste Adele, die sich keck in Szene zu setzen weiß und nicht nur den Gefängnisdirektor und den Prinzen Orlofsky bezirzt und für sich begeistert, sondern auch das Publikum. Ihre beiden Arien im zweiten und dritten Akt – „Mein Herr Marquis“ und „Spiel’ ich die Unschuld vom Lande“ – sind komödiantisch wunderbar gestaltet und gesanglich eine wahre Freude.

Johannes Martin Kränzle ist eine verlässliche Besetzung für den Herrn von Eisenstein. Stimmlich ausgewogen und auch darstellerisch tadellos, liefert er ein ansprechendes Wiener Rollendebüt ab.

 Camilla Nylund hat die Rosalinde schon vor mehr als 10 Jahren gesungen. Inzwischen ist ihr edler Sopran fülliger geworden und für diese Rolle wohl schon etwas zu schwer. Den Csardas absolviert die schwedische Sängerin, die am Mozarteum in Salzburg ihre Ausbildung genossen hat und seit Jahren, vor allem als Wagner- und Strauss-Sängerin zur Weltspitze gehört, mit Anstand, aber nicht mit Bravour. Ganz ihre Rolle ist die Rosalinde wohl nicht mehr.

Die übrigen Rollen sind mit Kräften aus dem Haus besetzt. Martin Hässler überzeugt einmal mehr als souveräner, sympathischer Dr. Falke, Wolfgang Bankl ist ein bewährter, gutmütiger Gefängnisdirektor Frank, Hiroshi Amako ein unverdrossen Arien trällender Alfred.

Norbert Ernsts Rollendebüt als Dr. Blind fällt nicht ganz so überzeugend aus. Da haben andere schon trefflicher gestottert, und darauf gerade kommt es bei dieser Rolle an. Ileana Tonca passt als vorwitzige Ida gut zu deren Schwester Adele; beide sind sie ein herzerfrischend komisches Paar.

Die Mezzosopranistin Patricia Nolz, die mit ihren jungen Jahren schon auf eine erstaunliche Zahl von exzellenten Rollendebüts stolz sein darf, wirkt als Prinz Orlofsky leicht überfordert. Stimmlich durchaus okay und auch darstellerisch bemüht, wenn auch vielleicht etwas zu aufdringlich, fehlt es ihr an der entsprechenden exotischen Aura dieser Figur, die in der Wiener Gesellschaft als eine geheimnisumwobene, rätselhafte Person gilt. Da wäre eine Besetzung von außen vielleicht doch angeraten gewesen. Der Prinz Orlofsky könnte zauberhafter und durchaus auch etwas merkwürdiger sein.

Der Applaus ist, dem Anlass, nicht unbedingt dem Resultat entsprechend, immens. Man ist ja gekommen, um sich auf die anschließenden Silvesterfeierlichkeiten einzustimmen. Und das ist offensichtlich auch bei dieser Fledermaus gelungen

 

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