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NEW YORK – WIEN / Die Met im Kino: NABUCCO

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Foto: Metopera

NEW YORK – WIEN / Die Met im Kino /  Village Cinema Wien Mitte: 
NABUCCO von Giuseppe Verdi
Übertragung: 6. Jänner 2024  

Man hat zu Verdis Bibel-Epos „Nabucco“ schon allerlei Regieeinfälle gesehen. Hierzulande. Nicht an der Metropolitan Opera in New York – früher. (Mittlerweile ist Intendant Peter Gelb ganz auf den Zeitgeist-Zug aufgesprungen.) Aber „Nabucco“ ist eine sehr alte Inszenierung, sie stammt aus dem Jahr 2001, und man kennt sie, sie wurde schon 2017 im Kino gezeigt – damals mit einem absolut fabelhaften Placido Domingo. Aibigail und Zaccaria wurden übrigens damals von denselben Sängern interpretiert wie nun in dieser Wiederaufnahme.

Heute wäre eine Inszenierung wie jene von Elijah Moshinsky eine Entscheidung, zu der sich wohl niemand durchzuringen wagte. Nein, er zeigt Nabucco nicht im blauen Anzug als Berlusconi und folglich hassenswerten Faschisten. Nein, für ihn sind die gefangenen Hebräer keine Insassen eines Konzentrationslagers mit den entsprechenden gestreiften Sträflingskostümen. Hier wird eine Oper voll der wildesten Emotionen als ebensolche Geschichte erzählt.

Dass das Bühnenbild von John Napier ein großer Wurf war und ist, müsste jeder zugestehen, der nicht völlig vernagelt ist. Zwei Szenerien auf einer Drehbühne, hier Burg- und Mauerartiges in Jerusalem, dort Babylon mit einem gewaltigen Baal-Tempel (dessen enorm steile Treppe den Sängern einiges abverlangt). Kein retardierender  Szenenwechsel, alles gleitet ineinander, nichts stört den dramatischen Fluß des Geschehens.

Der „Chor der Gefangenen“ ist nicht nur ein Höhepunkt, weil es einfach das berühmteste Stück der Oper (und von Verdi überhaupt) ist, sondern weil es sich als Genieidee herausstellt, die leidenden Israeliten hier nicht die Hände ringen und sich dramatisch an die Brust klopfen zu lassen, um den Zuschauer ihr Leid mitzuteilen. Vielmehr sitzen sie unbeweglich da in Reih und Glied – und während sie ihren Chor immer mezzavoce singen, sind sie quasi in Trauer erstarrt. Das wirkt enorm als Theateridee und als Aussage. 

Mehr als die dramatische Geschichte der beiden Hauptfiguren und des jüdischen Kollektivs ist in der Inszenierung nicht vorgesehen, ganz ohne belehrenden Subtext oder willkürlich interpretierenden Überbau  – der böse König, der geläutert wird, die böse Tochter, die bestraft wird, der bedauernswerten Gefangenen. Da liegt dann alles an der Besetzung, und was diese Met-Aufführung betrifft, so war es ein Abend der Damen.

Vor allem Liudmyla Monastyrska. Als Peter Gelb sie einsetzte, um Anna Netrebko als Turandot zu ersetzen, geschah dies wohl vor allem als Statement –  weil sie Ukrainerin war. Und sie überzeugte auch nicht besonders. Ihre Abigail hingegen ist brillant, nicht nur, weil man an ihr eine echte Hochdramatische hat, die ihre Attacken und Spitzentöne donnert, als ob es nichts kostet. Sie singt auch die lyrischen Passagen, und die sind gar nicht so wenige, mit wunderbar schlanker Stimme, geradezu betörend. Dazu ist sie, schwarzhaarig und rassig, die ideale „Bösewichtin“. Der Abend hätte „Abigail“ heißen müssen.

Immer, wenn die Fenena gut besetzt ist wie hier mit der bildschönen Russin Maria Barakova bedauert man, dass die Rolle so klein ist. Jedenfalls sang sie mit schönem Mezzo  ihre Passagen mit bestrickender Innigkeit.

George Gagnidze brauchte eine zeitlang, um in die Rolle hinein zu kommen, seine ersten Auftritte als der böse, gewalttätige König waren ohne Überzeugungskraft. Nach der Pause nahm er Fahrt auf, zwischen Wahnsinn und Läuterung, aber unter die großen Interpreten der Rolle würde man ihn nicht einreihen. Liegt vielleicht auch daran, dass die Erneuerungs-Regisseure der Inszenierung (Moshinsky ist 2021 gestorben) nicht so gut gearbeitet haben wie einst Luc Bondy, für den Gagnidze ein beängstigender Scarpia gewesen ist…

Der Koreaner SeokJong Baek wurde als Met-Debutant und Ismaele von der Kritik freundlich empfangen, war aber als Darsteller unsicher und als Tenor noch nicht auffallend.

Und Dmitry Belosselskiy, der schon 2017 als Zaccaria schwach war, hat nichts an Überzeugungskraft zugelegt. Ein Bass, dem Saft und Kraft fehlt.

Daniele Callegari am Pult des vorzüglichen Met-Orchesters neigte bei lyrischen Passagen zum Schleppen, warf sich aber im übrigen mit Begeisterung in alle Farben und Register, die Verdi in diesem Werk, das ihn berühmt machte, beschworen hat. Eine altmodische Aufführung? Gewiß. Aber doch mehr als bloße Bebilderung.

Renate Wagner

 

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