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„Salome“ an der Oper Frankfurt: Am Haken

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Salome und Jochanaan, Ambur Braid und Nicholas Brownlee.
Salome und Jochanaan, Ambur Braid und Nicholas Brownlee. Foto: Barbara Aumüller © Barbara Aumüller

Finster, zu Ende gedacht, unheimlich schön: Barrie Koskys Inszenierung von Richard Strauss’ „Salome“ ist wieder im Programm der Oper Frankfurt.

Während Barrie Kosky an der Staatsoper in München mit der „Fledermaus“ dem Affen Zucker gibt, ist an der Oper Frankfurt seine „Salome“ wieder im Programm. Als totaler Kontrast anscheinend, aber doch gleichermaßen konsequent aus dem Geist der Musik geboren.

Selbst Salomes Tanz, der überhaupt kein Tanz ist, sondern so stupide wie schockierend darin besteht, dass Ambur Braid sich eine unendliche Haarsträhne aus dem Unterleib zieht – rotblond wie das Haar des Frankfurter Jochanaan –, entwickelt sich zwingend und bezwingend mit den verschiedenen Phasen des entsprechenden Richard-Strauss-Orchesterstücks. Ambur Braid sitzt breitbeinig auf dem Boden wie eine Gliederpuppe, sie zieht und zieht, mal geht es leichter, mal ist es unangenehmer, sie staunt und verzieht ihr Gesicht, mal ist es angeekelter, mal ist es verzweifelter.

Die Frankfurter „Salome“ stammt von 2020, ist also noch lange nicht so alt, dass sie (nun bei der zweiten Wiederaufnahme) ihre Haltbarkeit unter Beweis stellen müsste. Aber verblüffend ist doch, wie man sie immer wieder als besonders karg, reduziert und geradezu bilderlos im Gedächtnis speichern wird, dabei ist so viel darin zu entdecken, dass man erneut nicht weiß, wo zuerst hinschauen.

Auch gilt es aufzupassen, die Figuren zu erwischen, wenn sie kurz in den Lichtkegel kommen. Der Lichtkegel ist auch viel spannender, als man ihn in Erinnerung hatte. Ausstatterin Katrin Lea Tag und der fürs Licht zuständige Joachim Klein schicken Salome selbst in die Finsternis, in der der Gefangene Jochanaan hockt. Klischeebeladenes Personal wie die zankenden Juden bleibt praktisch unsichtbar, andere streift das schweifende Licht flüchtig, dem Salome schwer entkommen kann. Im Finsteren stecken, selbst aber permanent angeleuchtet werden: ein Alptraum von Anbeginn an.

Ambur Braid ist also wieder Salome und gibt ihr das delikate Gesicht einer höheren Tochter, einer amerikanischen Cheerleaderin zwischen Drama und Horrorgeschichte, die es bei Kosky definitiv auch ist. Ihr Sopran nimmt an Hochdramatik zu, und wie sie sich damit wie losgelassen auf der Riesenwelle der Strauss-Musik davontragen lässt, ist riskant, aber authentisch. Vom ersten bis zum letzten Bild, vom bizarren Fantasievögelchen bis zum Monster, gehört ihr der Abend.

Es könnte doch Liebe sein

Nicholas Brownlee gibt seinem Jochanaan neben einem missionarisch sonoren Bassbariton und dem faszinierend bloßgestellten Leib eine frappierende Friedfertigkeit und Zartheit mit. Wenn er und Salome sich näher kommen – von einem Kuss Meilen entfernt –, ist nicht nur schwüle Erotik im Saal, sondern tatsächlich die Möglichkeit von Zuneigung und Liebe.

Neu in der Produktion ist Matthias Wohlbrecht als Herodes, dessen Tenor das ideale Maß an nicht zu karikaturesker Grellheit mitbringt, während er und Claudia Mahnke als Herodias zugleich ein braves Ehepaar in grauem Anzug und Kostümchen zeigen. Beide Figuren viel anregender konturiert, als es die Erinnerung noch wissen wollte. Dezenter lässt sich zudem nicht zeigen, dass das alles aus einer Familienkonstellation erwächst. Zwischendurch – die ständig sich umkleidende Salome jetzt mit Rolli und wippendem Pferdeschwanz als (fast) brave Schülerin – sind das bloß Eltern mit einer Tochter im Collegealter.

Michael Porter glänzt als frischgebackener Narraboth. Das Orchester unter dem Briten Leo Hussain arbeitet sich in den Abend hinein. Mag einem am Anfang die pure Spannung fehlen, baut sie sich nach und nach auf, auch lässt Hussain das Orchester rücksichtsvollerweise erst brausen, wenn es alleine ist. Der Schluss in Bild und Ton: Weltklasse.

Oper Frankfurt: 12., 14., 19., 27. Januar, 3. Februar. www.oper-frankfurt.de

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