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WIEN / Staatsoper: DON GIOVANNI

Toxische Beziehungen und eine gruselige Höllenfahrt

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Christiancan Horn (Don Giovanni), Peter Kellner (Leporello). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Stephan Brueckler

WIEN / Staatsoper:  DON GIOVANNI

21. Aufführung in dieser Inszenierung

14. Jänner 2024

Von Manfred A. Schmi

Am Beginn der Corona-Pandemie zunächst als stream angeboten, hat die heftig diskutierte Inszenierung von Barrie Kosky inzwischen das Repertoire erobert und ist da um zu bleiben. Koskys wie gewohnt exzellente Personenführung  ist das eine, die umstrittene Bühne mit der kahlen, abweisenden, grauen Steinwüste das andere. Was will die Bühnenbildnerin Katrin Lea Tag damit sagen? Ist es erkaltetes Lavagestein, das darauf hinweist, dass die glühende Leidenschaft des einst vom Liebreiz der Frauen entflammten Don Giovanni längst erloschen, erkaltet und zu Stein geworden ist? Der zum Wüstling heruntergekommene Don Giovanni nichts anderes als ein gehetzter, süchtiger Sammler von weiteren Opfern, und sei es mit roher Gewalt? Ein Mann, dem es nur noch um die Erweiterung seines Registers und längst nicht mehr ums hedonistische Genießen geht? Egal ob jung oder alt, schön oder hässlich, dick oder dünn, geht es hier nur noch um Zahlen-Statistik und nicht mehr um Menschen?

Christian van Horn, die neue Besetzung des Don Giovanni in der anlaufenden Aufführungsserie erfüllt in seiner Gestaltung dieser Rolle viele dieser Kriterien, ist ein brutaler, zynischer, nihilistischer Mann, immer auf der Jagd und angetrieben von einem schier unersättlichen Zwang. Er wirkt aber bei seinem Hausdebüt zuweilen fast eine Spur zu sympathisch und nicht so abgründig verkommen wie sein Vorgänger Kyle Ketelsen, der als Inkarnation des aalglatten, lässig und schlaksig daherkommenden Bösen die Bühne beherrschte. Horn verdient, im Gegensatz dazu, fast das Mitleid, das ihm Donna Elvira am Schluss anstatt der Liebe entgegenbringen will. Stimmlich überzeugt der wohltönende, elegante Bariton aber durchwegs und hinterlässt einen guten Eindruck. Eine neue Stimme, die man gerne bald wieder hören möchte.

Neu ist auch Antonio Di Matteo als schaurig klingender Komtur, der bei seinem blutbesudelten Erscheinen zum Gastmahl mit seinem mit einem unheimlichen Hall versehenen Bass tatsächlich für Gruseln sorgt. Hier ist die etwas hohl klingende Stimme am rechten Platz. Bei seinem Eingreifen als Komtur im ersten Akt, als er Don Giovanni verfolgt und von ihm ermordet wird, wirkt die verzerrte Klangfarbe allerdings noch eher befremdlich.

Das Rollendebüt von Bogdan Volkov als Don Ottavio fällt zufriedenstellend aus. Ein feiner, nicht zu aufdringlicher Mozart-Tenor, der in der seelenvoll dargebotenen Arie „Dalla sua pace“ an Michael Schade denken lässt.

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Christian van Horn (Don Giovanni), Patricia Nolz (Zerlina) und Federica Lombardi (Donna Elvira)

Alle übrigen Besetzungen sind nicht neu und mit Ausnahme von Federica Lombardi, die als Donna Elvira eine Frau in einer – wie man heute sagen würde – toxischen Beziehung zu einem Mann darstellt, der sie schamlos verrät und ausnützt, durchwegs mit bewährten Kräften aus dem Haus besetzt. Peter Kellner hat die Rolle des Leporello in der vorherigen Inszenierung bereits gut ausgefüllt. In der Kosky-Regie kommt er aber nicht an die prägende Gestaltung dieser Figur durch Philippe Sly heran. Die geradezu symbiotische Beziehung von Don Giovanni und Leporello ist einem eher übliche Herr-Diener-Verhältnis gewichen. Dafür gibt es etwas mehr komische Momente.

Slavka Zamecnikovas Donna Anna gewinnt im Laufe der Handlung immer mehr Selbstbewusstsein und reift zu einer Frau heran, die aus ihren Erfahrungen mit der Männerwelt gelernt hat.  Von inneren Konflikten und Emotionen heimgesucht, sehnt sie sich nach Frieden und innerer Ruhe, Liebe, aber auch nach blutiger Rache am Verursacher allen Leids. In der koloraturreichen Arie „Or sai chi l’onore“ gerät Zamecnikova kurz an die Grenzen ihrer Gestaltungskraft. Wenn Anna am Schluss die Verehelichung mit ihrem Bräutigam um ein Jahr verschiebt, um Zeit zum Nachdenken und Überdenken zu haben, bleibt es mehr als fraglich, ob diese Verbindung tatsächlich je zustande kommen werde.

Die Mezzospranistin Patricia Nolz und Martin Hässler sind ein munteres, frisches Paar junger Verliebter, das von den Nachstellungen Don Giovannis arg betroffen ist und seine Lehren daraus ziehen wird. Oder auch nicht.

Philippe Jordan am Pult des Staatsoperorchesters sowie am Hammerklavier gestaltet einen mozartisch bis ins kleinste Detail gelungenen Opernabend. Der Schlussapplaus ist ebenso beachtlich wie der Besucherschwund auf der Galerie nach der Pause, der viele Lücken hinterlässt.

 

 

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