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WIEN / Staatsoper: TOSCA

Floria Tosca und Cavaradossi in Höchstform, Scarpia schwächelt

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Elena Stikhina (Floria Tosca). Alle Fotos; Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: TOSCA

647. Aufführung in dieser Inszenierung

2. Feber 2024

Es stimmt schon: Über die Vorzüge der Margarete-Wallmann-Inszenierung ist schon alles gesagt und geschrieben worden. Ein Eingehen auf eventuelle Nachteile hat sich ebenso erübrigt, ist doch die Zahl der bisherigen Aufführung – 647 – allein schon so etwas wie eine Absolution in Ewigkeit. Jüngst habe ich angeregt, stattdessen die für viele geradezu undenkbaren Möglichkeit einer Ablöse dieser Produktion durch eine Neuinszenierung anzudenken. Das hat gerade noch gefehlt. Die Reaktionen waren alles andere als freudvoll. Inzwischen denke ich, dass es vermutlich doch sinnvoller wäre, die museale Tosca aus dem Jahr 1958 im Repertoire zu belassen, solange das Regietheater sein Unwesen treibt. Damit man erinnert wird, wie man früher einmal mit den Vorgaben der Librettisten und Komponisten umgegangen ist. Erst wenn das Regietheater selbst zum Museumsobjekt geworden ist – Anzeichen dafür gibt es ja vermehrt, wenn etwa Sängerinnen und Sänger öffentlich ihren Unmut äußern und ihr Mitmachen aufkündigen – wäre es dann an der Zeit, dem Wiener Publikum eine neue Tosca zu präsentieren. Die könnte dann durchaus auch Züge des Regietheaters aufweisen, denn nicht alles, was das Regietheater hervorgebracht hat, ist zu verdammen, sondern hätte zu einer Erneuerung einiges an wertvollen Impulsen beizutragen.

Nach diesen einleitenden Überlegungen ist es höchste Zeit, sich der aktuellen Aufführung zuzuwenden. Piotr Beczala präsentiert sich weiterhin in Höchstform und bestätigt einmal mehr seinen Ruf, der derzeit wohl beste Cavaradossi der Welt zu sein.  Der Schmelz in Beczalas Tenor und die Wärme, die er ausstrahlt, sind einzigartig. Beczala hat in dieser Rolle erst 2019 in Wien debütiert und einen Triumph eingefahren, der sich am besten wohl mit dem „Vittoria“-Ruf Cavaradossis, den er auch diesmal Scarpia selbstbewusst und trotzig entgegenschleudert, subsumieren lässt. „Recondita armonia“ singt er auch diesmal voller Leidenschaft und mit hell-klarer, eingängiger Stimme. Dass der auch darstellerisch überzeugende Sänger sein mit samt-seidig dargebotenes „E lucevan le stelle“ wieder capo singen wird, wurde zwar erwartet, ist aber alles andere als selbstverständlich, wie etwa Vittorio Grigolo bei seinem jüngsten  Auftritt in dieser Rolle im Herbst an der Wiener Staatsoper schmerzlich zur Kenntnis nehmen musste. Beczala, der sich in der hohen Kunst des italienischen Belcantos ebenso sattelfest erweist wie im Heldisch-Tenoralen, ist und bliebt ein einzigartiges, beglückendes Erlebnis und wird zu Recht gefeiert.

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Piotr Beczala (Cavaradossi)

Gefeiert und geliebt wird auch Elena Stikhinas famose Floria Tosca. Die Besetzung von Rollen, die traditionell großen, üppigen Stimmen und deshalb oft auch älteren Sängerinnen anvertraut wurden, durch schlankere Soprane ist ein Trend, der durchaus begrüßenswert erscheint. Vor allem wenn dann so leidenschaftsvoll, schön und präzise gesungen wird, wie das bei der jungen Russin der Fall ist. Daher verwundert es nicht weiter, dass Stikhina auch schon als Elektra, Lady Macbeth und sogar als Brünnhilde aufgetreten ist. Mit ihrem geschmeidigen Sopran kann Stikhina, die auch eine schöne Erscheinung und eine exzellente Schauspielerin ist, die Eifersucht der Diva und ihre Liebe zu Cavaradossi jedenfalls wunderbar gestalten. Elegant und schnittig segelt sie gesanglich  auf den Wellen der aufbrausenden, tosenden Musik. „Vissi d’arte“ war neben Beczalas „Lucevan“ ein weiterer Höhepunkt des Abends.  Auch da wäre ein Da capo durchaus in Reichweite gewesen.

Ziemlich weit weg vom stimmlichen Glanz und Furor seiner früheren Auftritte zeigt sich Erwin Schrott. Von seinem geradezu phänomenalen Baron Scarpia, der Floria Tosca nicht nur brutal an die Wäsche geht, sondern auch als gewiefter Verführer mit erotischen Signalen um sie wirbt, sind nur noch die vielsagenden Gesten und funkelnden Blicke übriggeblieben. Sein gerühmter, einzigartiger Bariton selbst erweist sich nur noch als Durchschnittsware, wie sie in vielen Repertoireaufführungen zwar die Regel ist, bei einem Opernabend aber, bei dem der klingende Namen des Uruquayers auf dem Programmzettel steht, doch eine Enttäuschung ist. Da hätte man sich mehr erwartet, obwohl man schon bei seinem jüngsten Auftritt in Vespri siciliani den Eindruck gewinnen musste, dass stimmliche Defizite vorliegen dürften. Es ist zu hoffen, dass es sich nur um eine vorübergehende Stimmkrise handelt.

Mit Evegnyi Solodovnikov, Marcus Pelz und Dan Paul Dumitrescu und als Cesare Angelotti, Sciarrone und Mesner werden für die Rollen der Schergen Scarpias und dem ihm zuarbeitenden Kirchendiener bewährte Kräfte aus dem Haus herangezogen.  Der Tenor Ted Black aus dem Opernstudio hat ein gutes Rollendebüt als Spoletta und ist nur beim ersten Auftritt etwas zu leise. Seind Kollege, der  südkoreanische Bass Stephano Park liefert einen tadelloser Schließer ab.

Gut ist der Chor, dessen Gesang bei der Kantate im Hof des Amtssitzes von Scarpia durch die geöffneten Fenster in den Salon hereinweht. Bertrand de Billy ist diesmal kein Gärtner, der Blumen feinsäuberlich arrangiert, sondern ein umsichtiger Dirigent, der die pompös-schrill drohenden Scarpia-Akkordballungen knallhart explodieren lässt, wenn es aber darauf ankommt, auf die Sängerin und die Sänger Bedacht nimmt, das melodramatische Auf und Ab wohldosiert zum Klingen bringt und sich dabei auf das wunderbare Cello-Solo und hervorragenden Bläsern-Solisten verlassen kann.

Der Applaus fällt stürmisch aus und dauert etwas länger als die üblichen fünf Minuten.

 

 

 

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