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WIEN/ Staatsoper: IL TRITTICO

WIEN / Staatsoper: „IL TRITTICO“ –  17.02.2024

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Carlos Alvarez. Foto: Wiener Staatsoper/Stephan Brückler

Eigentlich hätte er schon in der Premiere der Neuinszenierung von Puccinis „Il Trittico“ die beiden Baritonpartien singen sollen; leider musste er im Oktober krankheitshalber absagen. Aber nun hat es doch noch geklappt: Carlos Álvarez kam nach längerer Pause endlich wieder nach Wien und sang zunächst in der Dreiecksgeschichte „IL TABARRO“ den Michele. Anfangs etwas zurückhaltend schien er sich noch stimmlich zu schonen. Doch bereits im Duett mit Giorgetta und vor allem in seinem großen Monolog „Nulla! Silenzio!“ bestach er nicht nur mit starkem Ausdruck, sondern auch mit seinem weich dahinströmenden Bariton und geschmeidiger Phrasierung. Und selbst in dieser lähmend-langweiligen Nicht-Inszenierung schaffte er es einen glaubhaften Charakter auf die Bühne zu stellen, einen eifersüchtigen und zutiefst verletzten Ehemann. Elena Stikhina beeindruckte als seine untreue Giorgetta mit schönem Material, aber ihr großer Moment kam erst nach der Pause. Wie bereits in der Premiere war Joshua Guerrero ein rollendeckender Luigi und die kleineren Partien waren mit Andrea Giovannini als Tinca, Evgeny Solodovnikov (als kurzfristiger Einspringer für Dan Paul Dumitrescu) als Talpa, Monika Bohinec als Frugola, Katleho Mokhoabane als Liederverkäufer sowie Miriam Kutrowatz und Agustín Gómez als Liebespaar gut besetzt. Ärgerlich war das Wiedersehen dieser Inszenierung. Die Regisseurin Tatjana Gürbaca hat sich im ersten Teil des „Trittico“ darauf konzentriert Unmengen von Statisten sinnentleert über die Bühne latschen zu lassen, während sie eine richtige Personenführung der Hauptdarsteller völlig vermissen ließ. Das einzige, das ihr eingefallen ist, war der völlig unverständliche und überflüssige Selbstmord Micheles am Schluss. Eine Spannung zwischen den drei Hauptpersonen will überhaupt nicht aufkommen. Wenn ich daran denke, wie spannend das Otto Schenk seinerzeit mit Marilyn Zschau, Wladimir Atlantow und Renato Bruson szenisch umgesetzt hat…

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Monika Bohinec, Elena Stikhina. Foto. Wiener Staatsoper/ Stephan Brückler

Nach der ersten Pause glänzte Elena Stikhina in der Titelrolle als „SUOR ANGELICA“. Mit ihrem strahlenden Sopran, den sie farbenreich einzusetzen versteht, und berührendem Ausdruck gelang ihr eine beeindruckende Interpretation der wegen eines Fehltritts unfreiwillig ins Kloster gesperrten Schwester Angelica. Dabei schaffte sie es glaubhaft einen Bogen zwischen Bangen um das Wohl ihres unehelichen Kindes, aufrichtiger Religiosität und Verzweiflung, die sie ergreift, nachdem sie vom (in dieser Inszenierung nur vermeintlichen) Tod ihres Kindes erfahren hat, zu spannen. Ein nicht ganz gelungener Spitzenton hat da den positiven Gesamteindruck kaum geschmälert. Die beeindruckende Michaela Schuster ist hier keine eiskalte Fürstin, sondern eher ein reiches, oberflächliches Vorstadtweib, das den angeblichen Tod des Kindes nur ins Spiel bringt, um den Verzicht Angelicas auf ihr Erbe zu erzwingen. Nachdem sie alles erreicht hat, was sie wollte, will sie das Kind zu seiner Mutter bringen – leider zu spät. Neben dem Damenchor der Wiener Staatsoper konnte man noch u.a. Monika Bohinec als Äbtissin, Juliette Mars als Lehrmeisterin der Novizinnen, Szilvia Vörös als Schwester Eifrerin und Florina Ilie als Schwester Genovieffa hören. Seltsamerweise ist das Mittelstück des Tryptichons der Regisseurin am besten gelungen – wenn man von der blödsinnigen Idee absieht, dass sich Angelica das Leben mit zerbrochenen Glasscherben nimmt, wo sie doch die Blumen liebt und auch deren Heilkräfte  bzw. Giftstoffe kennt und in ihrer großen Arie singt „Per voi, miei fior, io morirò.“

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Gianni Schicchi. Foto: Wiener Staatsoper/ Stephan Brückler

Am Schlimmsten zugeschlagen hat die Regisseurin jedoch im „GIANNI SCHICCHI“. Wie man eine der besten Opernkomödien der Musikgeschichte derart zerstören und verunstalten kann, das ist schon wirklich bemerkenswert. Aber was will man von einer Regisseurin erwarten, die in Wien schon Wagners „Ring des Nibelungen“ und das „Capriccio“ von Richard Strauss massakriert hat. Warum die Handlung in die Zeit Mussolinis verlegt wurde? Außer der Regisseurin weiß es wohl niemand. (Ich wusste gar nicht, dass man zur Zeit Mussolinis noch Testamentsfälschern wie im Mittelalter eine Hand abgehackt hat.)  Und warum alle handelnden Personen in absurden Karnevalskostümen erscheinen, weiß wohl außer der Regisseurin nur noch die Kostümbildnerin Silke Willreit, die diese albernen Fetzen entworfen hat. Carlos Álvarez gelang aber auch hier trotz dieser völlig verblödeten Inszenierung einen glaubhaften Menschen auf die Bühne zu stellen. Einen schlauen Mann, der die gierigen Verwandten des toten Buoso Donati übertölpelt und sich selbst die Filetstücke der Erbschaft sichert. Auch hier beeindruckt Álvarez vor allem mit seiner noblen Stimmführung und vokal glänzender Verstellungskunst. Michaela Schuster als energische Zita und Bogdan Volkov, der mit einem dämlichen Eselskostüm herumlaufen muss, als Rinuccio waren schon in der Premiere dabei. Neu war Florina Ilie als Lauretta, die den Schlager des Abends („O mio babbino caro“) mit zwar kleiner, aber hübscher Stimme sang. Die übrigen Mitwirkenden (Andrea Giovannini als Gherardo, Anna Bondarenko als Nella, Martin Hässler als Betto di Signa, Marcus Pelz als Einspringer für Dan Paul Dumitrescu als Simone, Attila Mokus als Marco, Juliette Mars als La Ciesca, Hans Peter Kammerer als Maestro Spinelloccio, Simonas Strazdas als Amantio di Nicolao, Ferdinand Pfeiffer als Pinellino und Michael Wilder als Guccio) waren alle spielfreudig im Einsatz, aber auch sie können diese schlechte Inszenierung nicht retten. Wie lustig „Gianni Schicchi“ sein kann, hat Otto Schenk in seiner unvergesslichen Inszenierung des Jahres 1979 bewiesen (mit Walter Berry – und später Giuseppe Taddei – in der Titelrolle).

Philippe Jordan am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper unterlegte den Sängern einen Klangteppich von üppigem Puccini-Sound. Die Spannung, die auf der Bühne nicht herrschte, die Komik, die auf der Bühne nicht stattfand, die ließ Jordan wenigstens im Orchestergraben stattfinden.

Walter Nowotny

 

P.S. Von der von mir angesprochenen Otto Schenk-Produktion gibt es – leider! – keine Videoaufzeichnung. Aber bei ORFEO ist ein Mitschnitt der Premiere auf CD erschienen. Da kann man sich wenigstens akustisch ein Bild von der großartigen Premiere im Jahr 1979 machen und man kann noch einmal die unvergessene Pilar Lorengar als Suor Angelica hören.

 

 

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