Soeben noch im Mutterglück schwelgend, bricht Annette Dasch zu neuen, frivolen Operettenufern auf: "Leo Falls Schlager erinnern mich irgendwie an Max Raabe!"

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DER STANDARD: Operettenkoryphäe Volker Klotz hat Madame Pompadour als die " faszinierendste Operette der 20er-Jahre" eingestuft und den " unverbraucht frechen Überschwang" der "subtil aufsässigen" Musik Leo Falls gelobt. Wie finden Sie das Stück?

Annette Dasch: Die alten Schlager und Chansons darin erinnern mich irgendwie an Max Raabe, dann gibt es auch noch einige fast preußisch klingende Marschnummern. Die Musik ist eigentlich - abgesehen von der Tenorpartie - wenig gesanglich, fast wie für Schauspieler geschrieben und glänzt durch eine völlige Abwesenheit von rührseligen Momenten. Die Duetttexte des Liebespaars sind ziemlich frivol und fleischlich und haben wenig zu tun mit Operettensentimentalität. Es wird einfach mit dem Finger auf den gezeigt, mit dem man jetzt sofort ins Hinterzimmer verschwinden möchte.

DER STANDARD: Und wie ist das Duett der Pompadour mit der Buffofigur, dem Calicot?

Dasch: Das war ja eigentlich gar nicht für die Pompadour geschrieben, sondern für die weibliche Buffofigur, die Belotte. Die wurde bei der Premiere von Claire Waldoff gespielt, einer angesagten Diseuse: eine Tonne von einer Frau, mit einer Stimme wie der von Hans Neuenfels! Das Duett zwischen Belotte und Calicot war bei der Generalprobe ein solcher Kracher, dass Fritzi Massary, die Pompadour, gesagt hat: "Das geht nicht, dass die so viel Applaus kriegen! Das singe ich!" Und dann wurde das eben umgeschrieben. Daraufhin hat Frau Waldoff gemeint, Entschuldigung, dann bin ich eben nicht mehr mit dabei bei der Produktion, und der Theaterdirektor musste sie ausbezahlen. Und tatsächlich ist "Joseph, ach Joseph, wie bist du so keusch" dann die Nummer dieser Operette geworden, die man bis heute kennt.

DER STANDARD: Das Timing der Dialoge ist ja eine große Schwierigkeit der Operette. Hat das bei den Proben gut geklappt?

Dasch: Ja. Hinrich Horstkotte hat ja viel Sprechtheater inszeniert und ein tolles Gespür dafür, solche Kapazunder wie Heinz Zednik und Gerhard Ernst ideal zur Geltung zu bringen. Mit Horstkotte und Dirigent Andreas Schüller habe ich ja in Berlin vor langer Zeit ein Opernensemble im Off-Theater-Bereich gehabt: Es war einfach purer Enthusiasmus damals, nachmittags musste man noch schnell Omas Kommode auf die Bühne stellen. Wir waren wie eine Familie. Ohne diese beiden Männer hätte ich den Beruf der Opernsängerin vielleicht gar nicht gewählt. Nach gut zehn Jahren Pause ist das nun wieder unsere erste Zusammenarbeit.

DER STANDARD: Nach diesem ganzen hochdramatischen Lieben und Leiden in der Oper ist dieser kleine Operettenschwerpunkt mit der "Lustigen Witwe" und "Madame Pompadour" in der Volksoper wahrscheinlich auch etwas zum Durchatmen.

Dasch: Absolut. Es ist fast so etwas wie eine Auszeit, emotional wie sängerisch: dass man sich jetzt nicht sofort mit der nächsten Fachpartie präsentiert, sondern zwischendurch etwas völlig anderes macht. Und für den Wiedereinstieg nach der Schwangerschaft ist es natürlich auch ideal.

DER STANDARD: Apropos Schwangerschaft: Nun liest man oft, die Stimme einer Sängerin habe sich nach der Geburt eines Kindes verändert. Sie wäre dunkler, voller, weicher geworden. Haben Sie diesbezüglich etwas bei sich selbst bemerkt?

Dasch: Nee. Wirklich nicht. Keine neue Mordsmittellage oder so was, bei meinem ersten Konzert nach der Schwangerschaft war eigentlich alles wie immer. Meine Stimme ist angenehm ausgeruht, weil ich lange nichts getan habe ...

DER STANDARD: ... außer der Schreierei bei der Geburt...

Dasch: ... wobei ich mir da meine Technik zunutze gemacht habe. Ich hab das echt so geschafft, dass ich danach kein bisschen heiser war! Meine Hebamme war ganz verblüfft und hat gemeint, entweder hätte ich den besten Geburtsvorbereitungskurs der Welt besucht oder mein Know-how hätte mir geholfen. Ich war bei keinem Geburtsvorbereitungskurs! Mein Mann hatte am Abend nach der Geburt eine Fledermaus zu singen und meinte danach, er wäre noch nie so ideal eingesungen zu einer Vorstellung gekommen. Wir haben das beide gut hingekommen. (Stefan Ender, DER STANDARD, 5.6.2012)