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WIEN/ Staatsoper: SIMON BOCCANEGRA – Zweite Vorstellung in dieser Aufführungsserie

WIEN / Staatsoper: „SIMON BOCCANEGRA“   – 08.04.2024 –

Zweite Vorstellung in dieser Aufführungsserie

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George Petean als Simon Boccanegra. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

 Verdis „Simon Boccanegra“ zählt zu Giuseppe Verdis politischsten Opern. Ein Emporkömmling putscht sich mit Hilfe seiner Freunde an die Macht zum Kanzler der Republik. Nein, Giuseppe Verdi hat keine Oper über Aufstieg und Fall des Sebastian Kurz geschrieben, es ist aber schon verblüffend, wie wenig sich im Laufe der Jahrhunderte geändert hat. Doch halt, es gibt doch einen großen Unterschied: während der Kanzler in der Republik Genua im 14. Jahrhundert nach seinem tiefen Fall zum Tode verurteilt und hingerichtet wird, werden in Österreich Ex-Kanzler – egal welcher Partei sie angehört haben – mit lukrativen Aufsichtsratsposten versorgt.

Es braucht also kein Regisseur die Opernhandlung in die Gegenwart zu verlegen, um die Aktualität des Werkes herauszustreichen. Ein halbwegs intelligenter Besucher kann die Parallelen zur Gegenwart selbst erkennen und muss nicht mit dem Holzhammer darauf hingewiesen werden. Insofern ist die klassische Inszenierung von Peter Stein, die im Jahr 2000 bei den Salzburger Osterfestspielen Premiere hatte (unter der musikalischen Leitung von Claudio Abbado mit Karita Mattila, Carlo Guelfi und Roberto Alagna) und zwei Jahre später von der Wiener Staatsoper übernommen wurde, eine Wohltat im regietheaterverseuchten Repertoire der Wiener Staatsoper, obwohl ich nicht verhehlen möchte, dass auch diese Inszenierung die Qualität der wundervollen Vorgängerproduktion von Giorgio Strehler nicht einmal ansatzweise erreicht.

Wie auch immer, der Besucher ist jedenfalls erfreut, dass die Handlung der Oper nicht wieder in ein russisches Gefängnis verlegt wurde oder in einer U-Bahn-Station in Simmering spielt. Und wenn dann noch Marco Armiliato am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper steht, ist eine Repertoirevorstellung auf hohem Niveau fast schon garantiert.

Luca Salsi hat auch die zweite Vorstellung dieser Aufführungsserie krankheitshalber absagen müssen. Wiederum ist glücklicherweise George Petean eingesprungen, der im Moment sicher zu den besten Interpreten der Titelrolle zählt. Mit seinem hell timbrierten Bariton, schönem Legato und feiner Pianokultur bot er gesanglich eine Meisterleistung. Dazu konnte er glaubhaft die charakterliche Entwicklung vom Piraten zum staatstragenden Dogen darstellen und berührte nicht nur in seiner Sterbeszene, sondern vor allem im Duett mit Amelia, in der er seine Tochter erkennt. Das im schönsten Piano gesungene „Figlia!“ am Ende des Duetts beeindruckte ebenso wie die dramatischen Ausbrüche in der Ratsszene.

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Federica Lombardi. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Eine ganz ausgezeichnete Leistung bot auch Federica Lombardi als selbstbewusste Amelia Grimaldi mit ihrem hellen, glockenreinen Sopran, der genügend Volumen besitzt um auch in den großen Finali mühelos das gesamte Ensemble zu überstrahlen.

Kwangchul Youn besitzt Autorität ausstrahlende Persönlichkeit und einen kraftvollen, dunklen Bass mit profunder Tiefe. Allerdings ist nicht zu überhören, dass die vielen Wagnerrollen, die er im Lauf seiner langen Karriere gesungen hat, ihre Spuren hinterlassen haben. Dennoch ist er noch immer eine sichere und bewährte Besetzung für die Partie des Fiesco.

Die einzige Enttäuschung des Abends: Freddie De Tommaso als Gabriele Adorno. Ungestüm stürmt er auf die Bühne und ungestüm geht er auch mit seiner Stimme um. Unsaubere Stimmführung, fehlende Pianokultur und mangelhafte Phrasierungskunst beeinträchtigen den Gesamteindruck beträchtlich. Mit schönem Stimmmaterial einfach nur drauflossingen, meistens auch noch mit viel Druck, das wird nicht lange gutgehen. Gerade bezüglich Pianokultur und Phrasierung kann er noch viel von George Petean lernen.

Evgeny Solodovnikov (Pietro), Agustín Gómez (Hauptmann) und Jenni Hietala (Dienerin) sowie der Chor der Wiener Staatsoper ergänzten das Personal auf der Bühne zufriedenstellend.

Womit ich abschließend wieder beim emporgekommenen Kanzler bin. Ich weiß nicht, wie viele schwache bis schlechte Interpreten – oft sogar Gäste – wir schon als Paolo Albiani hatten. Mit Clemens Unterreiner hat die Wiener Staatsoper eine sehr gute hauseigene Besetzung zu bieten. Wieder einmal hat er bewiesen, dass er ein unverzichtbares Ensemblemitglied ist und das Engagement von unterdurchschnittlichen Gästen für diese Partie nicht erforderlich ist. Warum in die Weite schweifen, wenn das Gute so nah ist?

Walter Nowotny

 Es gibt noch zwei Vorstellungen in dieser Aufführungsserie (am 11. und am 13. April).

Ob in diesen dann Luca Salsi den Titelhelden singen wird, ist derzeit noch nicht bekannt.

 

 

 

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