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Anna Netrebko in Wiesbaden – Keiner schlafe, auch du nicht, o Prinzessin

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Anna Netrebko, hier bei einem Auftritt in der Berliner Staatsoper, September 2023.
Anna Netrebko, hier bei einem Auftritt in der Berliner Staatsoper, September 2023. © dpa

Draußen der Protest und die „Schande, Schande“-Rufe, drinnen die Primadonna in Hochform. Anna Netrebko singt bei den Maifestspielen in Wiesbaden die Turandot.

So ist das wohl jetzt, wenn Anna Netrebko auftritt, drinnen der Jubel, aber draußen die ukrainischen Farben und die „Schande, Schande“- und „No Netrebko“-Rufe. Netrebkos Gastspiel als Turandot bei den Wiesbadener Maifestspielen wurde am ersten von zwei Abenden nach Polizeiangaben von circa 400 Menschen flankiert, die gegenüber an der Brunnenkolonnade demonstrierten und auch nach der Vorstellung noch da waren. Sie sind eine Erinnerung daran, dass Kunst nicht im luftleeren Raum stattfindet. A uch die Kunst und gerade die Oper stellt sich oft auf die Seite der Entrechteten, namentlich der entrechteten Völker. In Giacomo Puccinis „Turandot“ ist der Tenor der Sohn eines Tatarenkönigs, der ins Exil flüchten musste.

Draußen achtete die Polizei darauf, dass der Protest nicht näherrückte, drinnen hatte jeder Gelegenheit, sich seinen Teil zu denken. Anna Netrebko sang unterdessen formidabel, ihr großer, schwerer, aber dadurch gegenwärtig immer noch schöner werdender Sopran höhensicher, tiefenscharf, mit samtiger Mittellage und dem tragödinnenhaften Anteil, der einer Primadonna im italienischen Fach gut ansteht.

Eine Bühnenpersönlichkeit

Wunderbar auch, wie sie sich in Daniela Kercks Inszenierung einfügte, eine genießerische Bühnenpersönlichkeit, die als Eisprinzessin mit ihren Blicken Blitze abschoss, eine Menschenquälerin, die – als Calaf bekanntlich die drei Rätsel löst und sich das Recht erwirbt, nicht den Kopf abgehackt zu bekommen, sondern ihr Mann zu werden – mit einem Lidschlag die Haltung ändert und ihren kaiserlichen Vater anjammert. Mit angereist war ihr Mann, Yusif Eyvazov, der als Calaf gut bestand. Drumherum hielt die Belegschaft des Staatstheaters, dirigiert von Michelangelo Mazza, absolut stand. Dass die Inszenierung mit dem Tod Lius endet und ein Stück Puccini-Requiem anhängt, nahm dem Jubel vielleicht etwas Übermut, dem Abend aber gab es Würde.

Netrebkos Auftritt gehört in eine Paketverabredung, die mit zwei „Nabucco“-Abenden bei den Maifestspielen 2023 begann. Damals war die politische Entrüstung größer, derzeit hätte sie auch keinen Anlaufpunkt, weil der damalige Intendant Uwe Eric Laufenberg nicht mehr im Amt ist. Nachdem Netrebko sich mit ihrer vergangenen Putin-Nähe und ihrer verzögerten Kritik am Überfall auf die Ukraine einen Karriereknick beschert hatte, ist sie wieder besser im Geschäft. Es gibt aber weiter Absagen, so jüngst, wie die dpa berichtet, für ein Konzert in Luzern.

Staatstheater Wiesbaden: am 8. Mai ist die zweite „Turandot“ mit Netrebko, Restkarten eventuell an der Abendkasse.

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