Mathias Fischer-Dieskau: "Ein Bühnenbild ist schon mindestens die halbe Konzeption."

Foto: STANDARD / Christian Fischer

Der Bühnenbildner über seinen zuweilen zu wenig beachteten Beruf.

STANDARD: Inwieweit bekommen Bühnenbildner gemeinhin jene Aufmerksamkeit, die sie sich wünschen würden?

Fischer-Dieskau:  Eigentlich bekommen wir die immer. Es ist nur manchmal schwer, dass wir schon so früh zu arbeiten beginnen müssen, etwa ein Jahr vor der Produktion. Manchmal haben da die Regisseure noch gar kein Konzept. Der interessante Moment ist immer der, wenn das Bühnenbild dann zum ersten Mal dasteht, die Darsteller hineingehen und versuchen, damit umzugehen. Wenn es gelungen ist, dann wird es meistens auch gewürdigt.

STANDARD:  Dennoch widmen die meisten Rezensionen von Premieren dann dem Bühnenbild eine halbe Zeile. Frustriert Sie das nicht?

Fischer-Dieskau:  Nein. Es gibt Fälle, wo es nicht weiter auffällt, wie toll ein Bühnenbild funktioniert. Das überträgt sich unterschwellig auf die Inszenierung, ohne dass das alle bemerken müssen.

STANDARD:  Bei der fertigen Produktion lässt sich oft nicht mehr ohne weiteres trennen, was Regie ist und was Ausstattung. Stimmt der Eindruck, dass sich Bühnenbildner oft ihren Regisseuren unterordnen?

Fischer-Dieskau: Es kommt natürlich vor, dass der Regisseur eine Meinung hat. Das freut uns immer, aber ich muss dann aufgrund seiner Vorschläge meine eigene Meinung finden. Es kann dabei vorkommen, dass die völlig anders ist und er trotzdem sofort überzeugt ist. Sonst muss man sich eben zusammenraufen.

STANDARD:  Zum Beispiel?

Fischer-Dieskau:  Ich habe es einmal erlebt, dass die ganze Produktion schon gestanden ist und der Regisseur plötzlich gestorben ist. Dann musste sich ein anderer erst hineinfinden; und man hat gesehen, wie viel da vorgegeben ist. Ein Bühnenbild ist schon mindestens die halbe Konzeption. Es kommt auch manchmal vor, dass sich ein Regisseur vor die Gruppe stellt und sagt: "Meine Idee ist so ..." Dass die Idee von mir ist, ist ihm einfach entfallen. Aber das ist nicht weiter wichtig.

STANDARD:  Wie hängen für Sie der ästhetische Aspekt, die Funktionalität und die szenische Interpretation einer Handlung zusammen?

Fischer-Dieskau:  Ganz eng. Ich finde immer, wenn ein Ansatz gut ist, ist es ganz leicht, ein Bühnenbild dafür zu machen. Mein Ziel ist immer, möglichst wenig auf die Bühne zu stellen. Die Reduktion ist mir näher als die Opulenz. Und dazu ist es ganz wichtig, dass man sich fragt, wozu man welche Mittel einsetzt und was uns das sagt. Und natürlich hat die Nutzbarkeit immer Konsequenzen dafür, wie es dann aussieht.

STANDARD:  Ist es schwer, für ein mit starken folkloristischen Vorstellungen belastetes Stück wie die "Verkaufte Braut" Bilder zu finden?

Fischer-Dieskau:  Ich habe Gott sei Dank nicht das Problem, wenn ich ein Stück neu entwerfe und davon schon zehn Inszenierungen gesehen habe, dass mir dann nichts einfällt. Trotzdem hängen die Bilder dann mitunter auch fest. Ich finde es aber ebenso wenig falsch, etwas, was man gut findet, ähnlich zu empfinden. Natürlich darf man es andererseits nicht plagiieren.

STANDARD:  Was waren denn Ihre Überlegungen für dieses konkrete Projekt?

Fischer-Dieskau:  Ich wollte im weitesten Sinn ländliches Leben zeigen, ohne Trachten allerdings. Wenn man sich Bilder um 1900 anschaut, sind die Menschen, die zu Festen gehen, alle schwarz angezogen, überhaupt nicht bunt und krachig. Ich habe eine große Scheune gebaut, die sehr löchrig ist und nicht wirklich real. Dann gibt es sehr viel Außeneinstrahlung auf dieses durchlässige Gebäude, das keinen wirklichen Schutz vor der Umwelt bietet. Ich habe alles in ein Bild verlegt und hoffe, dass dabei eine klare Linie herauskommt.

STANDARD:  Also das vielgeächtete Einheitsbühnenbild?

Fischer-Dieskau: Ja, genau - obwohl dieser Begriff ja meist für kahle Räume verwendet wird. Aber ich liebe sonst viele Umbauten. Hier ist es mir darum gegangen, einen Rahmen für die Liebesbeziehungen und die Merkwürdigkeiten der Handlung zu schaffen, die für heutige Verhältnisse ja gar nicht mehr vorstellbar wären. (Daniel Ender, DER STANDARD, 15.2.2013)