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Festspiele: "Kritik an Don Giovanni verstehe ich nicht"

In der heftig diskutierten "Don Giovanni"-Inszenierung gibt Lenneke Ruiten ihr Debüt als Donna Anna. Wie fand die Sopranistin zu ihrer Bühnenfigur?

Festspiele: "Kritik an Don Giovanni verstehe ich nicht"
Festspiele: "Kritik an Don Giovanni verstehe ich nicht"


Die niederländische Sopranistin Lenneke Ruiten debütiert mit der großen Mozart-Partie der Donna Anna in "Don Giovanni" bei den Salzburger Festspielen.

SN: Am Sonntag wurde "Don Giovanni" Live auf Servus TV ausgestrahlt.
Ruiten: Genau, und es machte viel Spaß. Allerdings bleibt im Fernsehen und im Internet alles für immer. Da muss man besonders gut sein und sich immer entscheiden: Singe ich für das Publikum ganz hinten im Saal oder singe ich für die Kamera, die meinen ganzen Kopf im Bild hat? Singe ich für das kleine Mikrofon in meinen Haaren oder singe ich für die letzte Reihe?

SN: Apropos Internet, ist es wahr, dass Herr Pereira Sie auf YouTube entdeckt hat?

Wir hören alle einander auf YouTube, aber ich glaube das Wichtigste war, dass er mich auf der Bühne gesehen hat. Das muss Ophelia in "Hamlet" gewesen sein, in Brüssel. Diese Rolle hat - mit der Zerbinetta in Stuttgart - viel gebracht, da hat mich Marc Minkowski entdeckt, und jetzt bin ich hier. Donna Anna, Mozart, Salzburg (lacht), das ist ein Traum für alle. Wir haben in dieser Produktion viel Erfolg, leider nicht in der Presse, aber das scheint ganz normal zu sein (lacht).

SN: Wie geht es Ihnen mit Pressekritiken?

Gut. Wenn eine negative Kritik kommt, denke ich auch nach, ob es einen Grund dafür gibt. Aber die aggressive Kritik, die wir hier jetzt bekommen, die verstehe ich nicht. Wir wurden alle verrissen, und nach fünfzehn Kritiken habe ich einfach gedacht: Ich nehme das jetzt nicht ernst. Ich finde, wir haben eine ganz gute Produktion, und wir haben uns nach der Premiere gefeiert.

Wir waren so glücklich, wie es war. Und wir müssen versuchen, dieses Gefühl zu behalten. Ein Dirigent hat mich angerufen und ich habe ihn gefragt: "Was soll denn das, was ist hier los? Ist es eine politische Sache oder - ? Ich weiß nicht, was es ist." Da hat der Dirigent gesagt: "Lenneke, welcome to Salzburg." (lacht)

SN: Wer ist Donna Anna für Sie?

Eine mysteriöse Frau. Zunächst habe ich mich gewundert: Bei dieser Donna Anna passiert eigentlich laut Libretto nichts - nur am Anfang, da stirbt ihr Vater. Und dann weint sie drei Stunden lang.

Beim Lernen habe ich gedacht, ich lasse die Rolle ein wenig offen, weil der Charakter erst klar wird, wenn der Regisseur sagt: In dieser Produktion machen wir es so und so. Sven(-Eric Bechtolf) hat dann gesagt, sie ist eine Frau, die hat ihren Vater, aber keine Mutter. Also ist sie fast wie eine Frau für ihren Vater.

Der hat Don Ottavio ausgesucht, der ihm ähnlich ist. Sie kann also Don Ottavio nicht lieben, weil er für sie eine Vaterfigur ist. Dann kommt Don Giovanni in ihr Leben und es ist nicht nötig zu wissen, was genau in diesem Zimmer passiert ist. Es ist nur deutlich, dass sie von ihm ziemlich begeistert ist und dass es auch eine erotische Seite in ihr aufmacht.

Wenn sie es Don Ottavio erklärt, in der ersten großen Arie, dann ist es eher unbewusst erotisch gemeint und nicht nur Trauer und Pein.

SN: Es ist in dieser Produktion nicht deutlich, dass Don Giovanni sie vergewaltigt?

Nein, es ist nicht eindeutig, und da hat Sven gleich gesagt: Es sei nicht wichtig. Und wenn sie vergewaltigt worden sei, habe sie vielleicht auch nicht nur gelitten, sondern das interessant gefunden.

Tatsächlich passiert das auf der Bühne: Diese erste Szene von Donna Anna und Don Giovanni - das ist eine halbe Vergewaltigung, aber es ist nicht klar, ob sie ihn wegstößt oder es vielleicht ein bisschen zulässt. Da ist es für Donna Anna und für uns ein bisschen unklar, wie sie damit umgeht, mit Don Giovanni.

SN: Wie liegt Ihnen die Rolle stimmlich?

Für eine Donna Anna bin ich ein leichter, lyrischer Sopran. Das passt gut, weil sie eine junge Frau ist - 18 oder 19. Ich finde bei Mozart interessant, dass Personen und Stimmen so eine jugendliche Ausstrahlung haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mozart für Donna Anna eine schwere dramatische Stimme genommen hätte - mit diesen Koloraturen am Ende.

SN: Stimmt es, Sie werden mit Pereira in Mailand arbeiten?

Ja, wir machen da "Lucio Silla" unter Marc Minkowski. Das ist mein Debüt an der Scala. Gerade fängt meine Opernkarriere an, da kommen gleich diese schönen Häuser und Produktionen! Zum Beispiel "Mitridate" in Brüssel, Zerbinetta in Stuttgart und Minerva in Paris. In Aix-en-Provence mache ich bei einem Opernfilm als Fiordiligi mit.

Ich freue mich, mit Christoph Eschenbach und Marc Minkowski zu arbeiten. Wenn man sich in der Musik findet, wie jetzt mit Eschenbach, ist man fast wie ein Liebespaar. Das ist ein großer Erfolg, wenn man so verschmelzen kann.

SN: Bleibt ein Traum offen?

Die "Vier letzten Lieder" von Richard Strauss. Ich bin ein Strauss-Fan, da würde ich gern hinwachsen. Das italienische Fach ist auch noch ein Traum. Und nicht so viel Stress haben. Eine Sängerkarriere ist schön, aber schwer. Ich bin neun Monate im Jahr unterwegs, und ich habe ein kleines Kind, eineinhalb ist er und kommt momentan immer mit. Ein großer Wunsch ist, dass das auch künftig gut zusammen geht.

Konzert: Lenneke Ruiten in der Mozart-Matinee, 9. und 10. August, 11 Uhr, Stiftung Mozarteum.

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