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Bühne und Konzert Bayreuther Festspiele

So plant Katharina Wagner ihren neuen „Tristan“

So wird eine Szene des 3. Aktes im neuen Bayreuther „Tristan“ aussehen: Mitarbeiter des Regieteams bei einer Probe So wird eine Szene des 3. Aktes im neuen Bayreuther „Tristan“ aussehen: Mitarbeiter des Regieteams bei einer Probe
So wird eine Szene des 3. Aktes im neuen Bayreuther „Tristan“ aussehen: Mitarbeiter des Regieteams bei einer Probe
Quelle: Florian Jaenicke
Am Samstag bringt Katharina Wagner „Tristan und Isolde“ in Bayreuth heraus, das schwierigste Wagner-Werk überhaupt. Was sie vorhat, wie sie mit dem Druck umgeht – eine Begegnung im Festspielhaus.

Hier wird der Tristan vollendet – allem Wüten der Welt zum Trotz. Richard Wagner, 1858

Katharina Wagner will jetzt rauchen. „Darf ich“, sagt sie, ohne Fragezeichen, schließlich sitzt sie in ihrem eigenen Büro. Ihre Finger mit den langen, weiß lackierten Nägeln ziehen eine Lucky Strike aus der Packung. Sie muss also nun diesen verwünschten „Tristan“ inszenieren. Hier in Wagners Bayreuth. Im 150. Jubiläumsjahr der Uraufführung. Als Urenkelin des Komponisten. Als Co-Festspielleiterin und designierte Alleinherrscherin des Hügels. Acht Jahre nach ihrer bisher letzten Bayreuth-Inszenierung.

Ob sie nachts wach liegt?

„Nö“, sagt sie. Mit kurzem ö. Ein Zug an der Zigarette, den Rauch auspusten. „Wenn Übermenschliches erwartet wird, kann ich das ja sowieso nicht erfüllen. Wir sind alle nur Menschen.“ Es hört sich abgebrüht an. Und auch irgendwie resigniert.

Was Katharina Wagner, 37, gerade zu schultern hat, ist die wohl wichtigste Inszenierung ihrer bisherigen Karriere. Seit Jahren wird sie von Teilen des Publikums, der Mäzene und der Kritiker angefeindet. Vor allem von ultraorthodoxen Wagnerianern, für die ist sie so eine Art Häretikerin. Eine junge Frau, privat lieber in Berlin oder auf Gran Canaria statt in Bayreuth, die entweder Verrückte wie Frank Castorf engagiert oder, wie 2007 in ihrer „Meistersinger“-Inszenierung, Wagners Werke gleich selbst kaputt macht.

Gefangen, aber zumindest zeitweise glücklich: Isolde (Evelyn Herlitzius) mit Tristan (Stephen Gould)
Gefangen, aber zumindest zeitweise glücklich: Isolde (Evelyn Herlitzius) mit Tristan (Stephen Gould)
Quelle: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Seit sie 2008 ihrem Vater Wolfgang Wagner als Chefin der Festspiele nachgefolgt ist, steht Katharina Wagner unter Druck. Ständig gibt es Skandale und Peinlichkeiten bei den Festspielen, von Hakenkreuz-Tattoos bis zum Rauswurf von Jonathan Meese. In diesem Jahr begannen die Störfeuer, noch bevor der erste Ton der neuen Saison überhaupt erklungen ist. Die Sopranistin, die für die Rolle der Isolde vorgesehen war, löste ihren Vertrag auf, ohne Angabe von Gründen, und die Festspiele mussten sich wehren gegen Meldungen, Co-Chefin Eva Wagner-Pasquier solle nach der Saison Hausverbot bekommen. Dazu kommt der Publikumsschwund. Musste man früher jahrelang auf Karten warten, waren in diesem Jahr noch im Juni Hunderte Tickets zu haben, vor allem für den „Ring des Nibelungen“.

Was, wenn jetzt auch noch der „Tristan“ durchfällt?

Die Oper „Tristan und Isolde“ genießt den Ruf, in dem an Hexereien weiß Gott nicht armen Werkverzeichnis Richard Wagners die schwärzeste aller Messen zu sein. Ein magisches Portal, durch das man direkt in die Unterwelt blicken kann. Eine Teufelsoper, für die man, wenn es schlecht läuft, mit dem Leben bezahlt. Anders, als uns die Szene mit dem Liebestod darin glauben machen will, gibt es im wahren Leben natürlich keine Frauen, die nach einer romantischen Arie vor lauter Ergriffenheit tot umfallen. Aber Männer.

Der Heldentenor Ludwig Schnorr von Carolsfeld zum Beispiel, der einst in der Uraufführung des „Tristan“ die Titelrolle sang, starb wenige Wochen nach der Premiere, mit 29 Jahren. Offizielle Version: Typhus. Aber kein Wagnerianer wäre jemals so langweilig, den wahren Grund für Ludwig Schnorr von Carolsfelds entscheidende körperliche Schwächung nicht in dieser dämonischen Zaubermusik zu suchen, die er da aus der Taufe gehoben hatte. Hatte nicht Wagner selbst beim Komponieren schon düsterste Vorahnungen gehabt? „Dieser Tristan wird etwas Furchtbares!“, notierte er einmal. „Nur mittelmäßige Aufführungen können mich retten! Vollständig gute müssen die Leute verrückt machen.“

Der Zuschauerraum des Festspielhauses
Der Zuschauerraum des Festspielhauses
Quelle: picture alliance / akg images
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37 Grad. Die vor Hitze tanzende Luft hat einen flirrenden Schleier über das Festspielhaus gelegt. Auf dem Parkplatz neben dem Bühneneingang steht der Porsche 911 von Christian Thielemann, Kennzeichen „CT“. Drei Gehminuten weiter arbeitet Kirill Petrenko gerade am „Rheingold“, in der Kantine, da probt immer das Orchester. Für den „Tristan“ sieht der Probenplan, den sich Musiker und Statisten an der Pforte abholen können, für diesen Samstag im Juli die erste Bühnenklavierprobe vor. Eine Probe mit kostümierten Sängern im fertigen Bühnenbild, auch schon mit Dirigent, nur noch ohne Orchester, sondern mit Klavierbegleitung. Dabei soll sich zeigen, ob Aktionen, Kulissen, Kostüme und Musik miteinander harmonieren. Ob der Plan aufgeht, den sich das Regieteam für den „Tristan“ ausgedacht hat. Der Moment der Wahrheit.

Der Chorleiter steht im verwaisten Zuschauerraum und telefoniert mit Christian Thielemann. Von seinen Assistenten lässt sich Thielemann duzen, aber der Chorleiter sagt „Herr Thielemann“. „Herr Thielemann, soll der Chor an der einen Stelle ,Anker ab‘ oder ,Anker los‘ singen? … Ja? … ,Anker ab‘ steht im Text, aber wir singen sonst ja immer ... gut, dann lassen wir ,Anker los‘.“

Auf der Bühne balanciert Katharina Wagner in fünf, sechs Meter Höhe über einen Steg und redet auf ihre Sänger ein, auf Deutsch und Englisch. Korrekturen nach dem Durchlauf des ersten Aktes. Einmal muss die Isolde einen Brautschleier zerreißen, das dauert der Regisseurin zu lange, „der muss sofort kaputtgehen, sonst sieht das scheiße aus“. Eine Kussszene ist ihr zu lasch, „das sah aus, als würdet ihr euch unterhalten“.

„Wenn Übermenschliches erwartet wird, kann ich das ja sowieso nicht erfüllen. Wir sind alle nur Menschen“: Katharina Wagner
„Wenn Übermenschliches erwartet wird, kann ich das ja sowieso nicht erfüllen. Wir sind alle nur Menschen“: Katharina Wagner
Quelle: picture alliance / picture allia

Wie ihre Darsteller sich anschauen, wie sie miteinander raufen sollen, sie macht es ihnen vor, knufft sie, schubst sie, umarmt sie. Ihre Louis-Vuitton-Handtasche hat sie unten im Bühnenbild liegen gelassen. Katharina Wagner sieht aus wie jemand, der sich keinen Zwang antun muss, der sich zu Hause fühlt. Zum schwarzen Top mit tiefem Ausschnitt trägt sie schwarze Sneaker. Über der Hüfte hat sie eine braune Lederjacke zusammengebunden. Die Sonnenbrille steckt im Haar, die Blondierung ist um eine Handbreite herausgewachsen. In der Öffentlichkeit möchte sie nicht so gesehen werden. Fotos für die Zeitung hat sie kurz vor der Probe abgesagt.

Ein Assistent spurtet mit aufgeschlagenem Aktenordner hinter ihr her. Der Aktenordner, das ist Katharina Wagners Inszenierung. Schlägt man ihn auf, sieht man auf der rechten Seite jeweils eine Partiturseite und links daneben Anweisungen der Regisseurin im Telegrammstil, Hinweise zu Licht, Technik und Bühnenaktion, teilweise Takt für Takt, manchmal mit Skizzen. „Podium große Versenkung fährt ab; Spot auf Tr. und Is.“. Oder: „Stühle, Tuch werden in Unterbühne abgeräumt; Bett, Marke, Melot, 4 Markemannen und Brangäne gehen in Unterbühne auf Podium“. Jede Änderung, die Katharina Wagner mit den Sängern bespricht, wird vom Assistenten stumm vermerkt.

„Buben, ein bisschen mehr Pushen bei der Rangelei, okay?“, sagt Katharina Wagner zu den beiden männlichen Sängern. Dann knarzt ihre tiefe, derbe Frankenstimme mit dem rollenden R vom Steg herab in den Orchestergraben, wo der Pianist sitzt. „Noch einmal die Brangäne-Szene, ,Furcht der Herrin‘“. Das Klavier setzt wieder ein.

Seit acht Jahren weiß Katharina Wagner, dass sie am 25. Juli 2015 einen fertigen „Tristan“ abliefern muss. Ihr Regievertrag trägt noch die Unterschrift ihres Vaters Wolfgang Wagner, der 2010 starb. In ihrer Küche zu Hause hängt ein Andenken an ihren Vater, das Plakat einer Oper, die Wolfgang Wagner einmal an der Mailänder Scala inszeniert hat. Es war die Zeit, in der seine Frau mit Katharina schwanger war. Die Oper war „Tristan und Isolde“.

Senfgelber Hut und senfgelber Anzug unter grünem Mantel: Der Sänger Georg Zeppenfeld im neuen Kostüm des Königs Marke
Senfgelber Hut und senfgelber Anzug unter grünem Mantel: Der Sänger Georg Zeppenfeld im neuen Kostüm des Königs Marke
Quelle: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele
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Im Stück geht es darum, dass der Ritter Tristan und die Prinzessin Isolde sich verlieben, obwohl Isolde eigentlich Tristans König Marke versprochen ist. Die Affäre fliegt auf, Tristan wird von einem königlichen Gefolgsmann tödlich verwundet, und Isolde stirbt vor Kummer den Liebestod. Das Ganze ist eine einzige große Klage darüber, dass die reine Liebe unmöglich ist im Diesseits mit all seinen Hindernissen – sie sehnt sich nach dem Tod, nach „göttlich ew’gem Urvergessen“ im „weiten Reich der Weltennacht“.

Aus dem schmalen Plot hat Richard Wagner einen vierstündigen Weltabschiedsgesang gemacht, dessen übernatürliche Harmonien als Urknall der musikalischen Moderne gelten. Der Erste, der an ihnen besoffen wurde, war Wagner selbst. Während der Arbeit schrieb er in einem Brief: „Soeben spielte ich mir die nun ausgearbeitete fertige Hälfte meines Aktes vor und musste mir sagen, was sich einst der liebe Gott sagte, als er fand, dass alles gut war! Ich habe keinen Menschen, mich zu loben, gerade wie’s dem lieben Gott – vor zirka 6000 Jahren – ging, und so sagte ich mir denn unter andrem: Richard, du bist ein T...kerl!“

„Wenn Sie so ein Projekt übernehmen, setzt man sich nicht einfach hin und macht mal die Szene“, sagt Katharina Wagner. „Das ist eher so im Unterbewusstsein drin, es arbeitet jahrelang in einem, und plötzlich fällt einem zu irgendeiner Szene irgendwas ein, und so konkretisiert sich das immer mehr. Eine Inszenierung entsteht nicht aus einer einzelnen Idee, eine Idee füllt vielleicht 20 Sekunden oder so. Und der ,Tristan‘ ist ja nicht kurz.“

Die erste Deadline für ein Bayreuther Regieteam ist die sogenannte Abgabe. Dann müssen die Grundaussage der Inszenierung und die Entwürfe für Bühnenbild und Kostüme vorgestellt werden, mit Zeichnungen, Modellen oder PowerPoint. Die Techniker sollen dann sagen, ob man fliegende Isolden hinbekommt könnte, und der Geschäftsführer rechnet aus, was die kosten würden. Die genauen Budgets sind geheim in Bayreuth; im Falle des „Tristan“ ist es ein mittlerer sechsstelliger Betrag. Die fliegenden Isolden hat Katharina Wagner bekommen. Auf den Hirten, der durch Wände gehen sollte wie ein Geist, wird das Publikum verzichten müssen.

Wenn dann das Bühnenbild gebaut, die Lichtregie geschafft und die Kostüme geschneidert sind, beginnt die eigentliche Probenphase, immer ab Anfang Juni. Die Sänger lernen zunächst auf einer Probebühne mit originalgetreuen Abmessungen, was der Regisseur von ihnen will, später wird auch auf der richtigen Festspielbühne geprobt, mit Klavierbegleitung. Parallel laufen die ersten Orchesterproben, die „Orchestersitzproben“ heißen, warum, weiß keiner. Für den „Tristan“ trifft sich das Orchester viermal; eine Probe für jeden der drei Akte und eine Probe für Korrekturen. Alle Beteiligten, Sänger und Orchester, kommen schließlich zu den „Bühnenorchesterproben“ im Festspielhaus zusammen, ebenfalls viermal. Danach noch Hauptprobe und Generalprobe, also zwei vollständige Durchläufe.

Die Festspielleitung läuft irgendwie nebenher. „Es ist ganz gut organisierbar“, sagt Katharina Wagner. „Eine Probe beginnt um 10, endet um 2, dann kann man von 2 bis 6 Bürozeit machen. Von 6 bis 22 Uhr noch mal Probe. Aber das geht nur, wenn Sie gut vorbereitet sind.“

Alles für den Liebestod: Blick in die Kostümschneiderei auf dem Festspielgelände
Alles für den Liebestod: Blick in die Kostümschneiderei auf dem Festspielgelände
Quelle: Florian Jaenicke

Wenn sich der Vorhang am kommenden Samstag in Bayreuth öffnet, werden sich all die berühmten Gäste, die Merkels, Seehofers und Gottschalks, erst einmal an die Dunkelheit gewöhnen müssen. Katharina Wagner präsentiert einen dämmrigen, trostlosen Raum, in dessen Mitte sich ein gewaltiges Gewirr von Treppen, Ebenen und Plattformen erhebt. Eine Art Jump-’n’-Run-Kulisse mit zum Teil beweglichen Elementen und Falltüren, die eine scheinbar unbegrenzte Zahl möglicher Laufwege bereithält. Nur keinen Weg, der ins Freie führt.

Bevölkert wird die Bühne von Menschen in langen, klassischen Gewändern, die an die antikisierende Ästhetik des Neu-Bayreuth der Fünfzigerjahre erinnern und einem klaren Farbcode unterliegen. Das Liebespaar trägt Blau, seine Freunde Grün und Braun, die Bösen Senfgelb. Die Schneiderei musste für jeden Darsteller mehrmals das gleiche Kostüm nähen. Bei dem schweren Stück, bei den Temperaturen schwitzt man leicht eine Garnitur pro Akt durch.

Sie habe möglichst abstrakt inszenieren wollen, sagt Katharina Wagner, ort- und zeitlos. „Das Stück hat etwas Klaustrophobisches“, sagt sie. „Tristan und Isolde wissen, dass ihre Situation ausweglos ist. Aber sie entscheiden sich bewusst dafür, diese Ausweglosigkeit anzunehmen.“ Es klingt, als würden Tristan und Isolde auch gute Bayreuther Festspielleiter abgeben.

Im zweiten Akt sieht man Tristan und Isolde eingesperrt von kahlen, grauen Wänden. Abgerundete Leitersprossen scheinen eine Fluchtmöglichkeit zu bieten, brechen aber ab, sobald jemand den Fuß auf sie setzt. Im dritten Akt schließlich gibt es außer Schwärze kaum noch etwas zu sehen. Der delirierende Tristan irrt durch die Nacht und jagt verschiedenen Traumbildern hinterher. Sie verdichten sich schließlich zu einer optisch überwältigenden Trickszene, in der die geometrische Form des Dreiecks eine wichtige Rolle spielt.

Bevor an diesem Nachmittag der letzte Akt drankommt, hat Christian Thielemann noch einmal seinen Platz unten im Orchestergraben verlassen und steht mit vor der Brust verschränkten Armen im Zuschauerraum. Im dritten Akt gibt es ein Englischhornsolo, das von der Bühne aus gespielt werden muss; der Spieler sitzt unsichtbar in der Kulisse, und Thielemann will vom Saal aus hören, ob das Solo laut genug klingt. „Katharina“, ruft er, „kann das Englischhorn jetzt mal spielen?“, und aus dem Bühnenbild knarzt es zurück: „Ja, wenn es schnell geht. Die Statisten sind hinten schon festgeschnallt.“

Festspielchefin Katharina Wagner mit ihrem Musikdirektor Christian Thielemann
Festspielchefin Katharina Wagner mit ihrem Musikdirektor Christian Thielemann
Quelle: dpa

Thielemann wird Katharina Wagners wichtigster Verbündeter sein, wenn nach dieser Saison die neuen Machtverhältnisse auf dem Hügel herrschen. Neuerdings nennt er sich „Musikdirektor“ in Bayreuth, mit ihm gemeinsam wird Katharina Wagner die Festspiele führen. Der Vertrag ihrer Halbschwester und bisherigen Co-Chefin Eva Wagner-Pasquier läuft im Sommer aus. Immer wieder gibt es Spekulationen, die Beziehung der Schwestern sei zerrüttet. Katharina Wagner sagt immer, das sei bloß Klatsch. „Wir haben ein wunderbares Verhältnis“, sagt sie. „Wir verstehen uns gut und besprechen alles miteinander. Sie bekommt ja nach der Saison auch einen Beratervertrag und wird selbstverständlich weiter auf dem Hügel präsent sein.“ Wenn man sie fragt, ob sie jetzt ihr Leben lang Festspielchefin bleiben will, sagt sie: „Ich habe jetzt erst einmal einen neuen Vertrag bis 2020. Danach muss man noch mal gucken, wie die Konstellation dann ist und ob alles passt. Ich will mich da jetzt noch nicht festlegen.“

„Nein“ sagt sie nicht.

Nach der Premiere wird Katharina Wagner sich ein Stimmungsbild machen können, wie hoch oder tief sie derzeit an der Basis im Kurs steht. Die Aufführung selbst wird sie nicht im Saal verfolgen, sondern im Ü-Wagen, wo sie den Radiomitschnitt überwacht. Aber beim Schlussapplaus wird sie vor den Vorhang treten, und danach wird es in den Nachrichten kommen, ob ihr „Tristan“ ausgebuht wurde, und wenn er es wurde, werden die Nörgler wieder sagen, sie könne es halt nicht. Sie sagt, das müsse man in dem Job abkönnen. „Als Regisseur erwarten Sie ja gar nicht, dass es allen 2000 Leuten im Publikum gefällt, weil das gar nicht möglich ist.“ Sie redet sich den Druck klein. Vielleicht glaubt sie sich sogar manchmal.

Feierabend. Zumindest für die Musiker, Katharina Wagner hat noch Arbeit vor sich. Manöverkritik mit ihrem Dramaturgen, Vorbereitung der nächsten Probentage. Vom Zuschauerraum hastet sie ins Foyer, dann durch eine Sicherheitstür in den Mitarbeiterbereich, wo ihr Büro liegt, sie hat es so eilig, als sei jede einzelne Minute, die sie noch von der Premiere trennt, bereits verplant. Der Durchlauf hat ihr gefallen, man sieht es ihr an. Sie scherzt mit ihren Leuten, freut sich über den offenbar vor Kurzem erst geänderten Pulli für den Hirten, „der sieht so was von geil aus“. Wie optimistisch sie jetzt ist, nachdem sie ihr Werk erstmals am Stück gesehen hat? „Schon optimistisch“, sagt sie, im Gehen, sie sagt es richtig erleichtert. Später, am Telefon, sagt sie noch: „Wir haben erreicht, was wir erreichen wollten.“

Ihr „Tristan“ dürfte es bei den Zuschauern zumindest leichter haben als ihre „Meistersinger“. Kein Denkmalsturz diesmal. Abgesehen höchstens von einer Szene. Der allerletzten, der mit Isoldes Liebestod. Dafür hat sich Katharina Wagner noch eine Überraschung ausgedacht.

Aber Frauen, die nach einer romantischen Arie sofort tot umfallen, gibt es im echten Leben ja auch nicht.

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