Benedikt von Peter inszeniert Verdis „Aida“ an der Deutschen Oper als eine Ménage-à-trois. Ein Gespräch mit dem Berliner Regisseur

Für einen Opernregisseur lacht er ziemlich oft. Auf die Frage, wo das beim Publikum umstrittene Regietheater heute steht, sagt Benedikt von Peter nur: „Ich nenne es gerne das Post-Regietheater.“ Dann ist sein sonores Lachen zu hören. „Ich habe immer einen Widerwillen gehabt“, fügt er hinzu, „noch nie habe ich ein Maschinengewehr, eine Soldatenuniform oder eine Dönerbude auf der Bühne gehabt. Diese Zeichen sind für mich flach. Die Bilder greifen meistens gar nicht für die Metaphorik eines Librettos.“ Das Regietheater stehe in der Wiederholung, sagt von Peter. Und dieser Überdruss an aufgesetzten Regieideen betrifft auch seine Neuinszenierung von Giuseppe Verdis „Aida“, einem Opernbestseller, der am Sonntag Premiere haben wird. „Unsere Recherche im Vorfeld hat ergeben“, so der Berliner Regisseur, „dass in den letzten Jahrzehnten 80 Prozent der Inszenierungen behauptet haben, ,Aida’ sei eine Putzfrau.“

Die Putzfrau gibt es also diesmal an der Deutschen Oper nicht. Benedikt von Peter, Jahrgang 1977, will etwas Eigenes entdecken. Er wolle keine Bilder, betont er, „die behaupten, das Ganze sei heutig“. Offenbar hat er inzwischen einiges dazugelernt. Opernbesucher werden sich vielleicht noch an seinen „Fidelio“ an der Komischen Oper erinnern. Darin spielte ein Müllcontainer die Hauptrolle. Gleich nach der Premiere folgte ein Eklat, Generalmusikdirektor Carl St. Clair gab fristlos seinen Posten auf. „Er fand einiges nicht gut, das haben wir dann umgestellt“, sagt von Peter: „Aber es gab kein Zerwürfnis zwischen uns. Es gab auch nie die Ansage von ihm, er fände das alles schrecklich.“

Opernfiguren künden von einer besseren Welt

Mag sein, dass es andere Gründe gab, warum der Dirigent fluchtartig Berlin verließ. Trotzdem würde Benedikt von Peter den Beethoven, sagt er, heute so nicht mehr machen. Wobei der Regisseur an der Idee festhält, dass es ein Märchen sei und in der Oper eine längst abgewickelte Idee wieder Wirklichkeit werden soll. „Schließlich tauchen da die Figuren wieder auf und sagen, es kann eine bessere Welt geben.“

Bei Verdi ist alles anders. „Aida ist eine dystopische Gegenwelt, ein Alterswerk. Es ist die ganze depressive Packung“, sagt von Peter: „Das gehört zur Faszination an einem Werk, das zum Weltmarktführer wurde.“ Mit der Oper hat sich Verdi einst eine goldene Nase verdient. Die Uraufführung 1871 in Kairo war ein rauschender Erfolg. Die eigens dafür angefertigten Verdi-Trompeten sind ein Inbegriff in der Opernwelt. Es ist eines der meistgespielten Werke weltweit.

Für Regisseure ist der Zugang deshalb nicht einfacher, weshalb viele in der Sklavin die Putzfrau sehen wollen. „Bei Verdi gab es damals kein Fernsehen, kein Kino, kein Internet. Aida wäre heute vielleicht ein Bollywood-Film. Das Stück beschreibt die veränderte Funktion von Kultur und Medien und von Genres. Wir versuchen die dahinter liegende Matrix spürbar machen.“

Verdi hatte sich in die Sängerin Theresa Stolz verliebt

Er hat das Historisierende der Opernhandlung beiseite geschoben und sich auf das Biografische des Komponisten eingelassen. „Es gab eine Vorlage aus dem eigenen Leben. Verdi hatte sich in die Sängerin Theresa Stolz verliebt. Sie sang seine Aida, sie war seine Aida“, sagt er: „Aber er hatte noch seine Ehefrau, die Sängerin Giuseppina Strepponi. In dieser Zeit haben sie in einer Ménage-à-trois gelebt.“ In der Matrix der Oper gibt es also einen Mann, Radames, der sich zwischen Realität und Utopie zu entscheiden hat. „Bei Opernkomponisten im 19. Jahrhundert wie Wagner oder Verdi ist Biografisches oft ein Riesenthema“, sagt von Peter: „Es geht um Liebe und die männliche Ohnmacht. Die Frauen bei Verdi haben keine Biografie, sie kommen gesellschaftlich aus dem Nichts, Aida kommt aus der Wüste. Sie sind unbeschrieben und eignen sich als Projektionsfläche.“ Er glaube nicht, „dass Regisseure einen Generalschlüssel für die Liebe haben. Da helfen auch keine großen Theorieentwürfe.“

Der Regisseur übernimmt das Theater in Luzern

Als Regisseur glaubt er schon, dass das Modell, Stücke musikalisch aufzubrechen, mit anderer Musik zu kontextualisieren, noch lange nicht ausgeschöpft sei. „Ich befürchte aber eher, dass es zu einer global hübschen Kunst kommt. Die Oper als Raum mit einer allseits gefälligen Tapete, der niemandem wehtut.“ Ab kommendem Jahr wird er selber darüber entscheiden müssen, welche Ästhetik er zulässt und welche er verhindert. Benedikt von Peter wird Intendant des Mehrspartentheaters in Luzern. Seine Ansage klingt eindeutig. „Ich will gleich zu Beginn ein volles Haus. Ich habe keinen Spaß daran, der übliche Stadttheaterschreck zu sein, der nach drei Spielzeiten erst beginnt anzukommen.“