Fausts Entspannungstherapie

„In Salzburg ist die Stimmung fantastisch“, sagt Tenor Piotr Beczała.
„In Salzburg ist die Stimmung fantastisch“, sagt Tenor Piotr Beczała.(c) Salzburger Festspiele (Monika Rittershaus)
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Während der Proben zur Festspiel-Premiere von Gounods Goethe-Oper fährt Piotr Beczała auf Oldtimer-Rallyes mit und bäckt Kuchen für Anna Netrebko.

Das passiert einem nicht bald mit einem Superstar! Telefoniert man mit Piotr Beczała, kann es leicht sein, dass es heißt: „Rufen Sie mich in circa zwanzig Minuten an, ich bin gerade beim Kuchenbacken.“

Beim Plaudern, eine halbe Stunde später, der Kuchen ist schon im Rohr, stellt sich dann heraus, warum der Tenor für einige Zeit in der Küche verschwunden ist: „Anna und Yusif kommen heute Abend, die bekoche ich.“ Die Netrebko und ihr Ehemann, Tenor-Kollege Yusif Eyvazov, gehören wie Beczała zur diesjährigen Salzburger Sängerelite. Dass es bei Festspielen entspannter zugeht als im normalen Opernleben, ist kein Gerücht.

„Hier“, sagt Beczała, „ist die Stimmung fantastisch, man verlebt eine schöne Zeit miteinander. Es ist ganz egal, ob einer im Ensemble von ,Manon‘, ,Faust‘ oder ,Così fan tutte‘ ist, wenn es die Zeit erlaubt, machen wir es uns gemeinsam gemütlich.“


Sportliche Herausforderungen. Oder man nimmt sportliche Herausforderungen an, selbst wenn sich diese Termine mit den Probenplänen schwer koordinieren lassen: „Gestern waren wir auf einer herrlichen Oldtimer-Rallye, von Salzburg ging's in die Berge“, schwärmt Beczała. „Wir waren sogar die inoffiziellen Sieger; inoffiziell, weil wir nicht die ganze Tour mitmachen konnten, ich musste um 14.30 Uhr schon wieder bei der ,Faust‘-Probe im Festspielhaus sein.“ Aber auch ein Rallye-Fragment – in einem historischen Jaguar – macht Spaß: „Es sind tolle Autos. Franz Welser-Möst war auch dabei, als Kopilot in einem Cabrio.“

Der Maestro darf mit offenem Dach herumkurven. „Ich darf nicht in einem Cabrio fahren, ich bin ja Tenor“, sagt Beczała und lacht. Sport betreibt er trotz aller Vorsichtsmaßnahmen gern, „vor allem, wenn man Bridge als Sport betrachtet. Aber wir verbringen, wenn es sich ausgeht, viel Zeit auf Golfplätzen. Ich könnte hier sogar segeln, ich wohne ja am See“, aber das ist wirklich eine Frage des Time Management: Derzeit probt Beczała die erste Salzburger Festspielinszenierung von Gounods „Faust“.

Wobei, apropos Gounod und Sport, die Wiederaufnahme von dessen „Romeo und Julia“ hat vor ein paar Jahren zu einer Trainingsphase im Leben des Tenors geführt: „Ich hatte mir das Video der Inszenierung angeschaut und gesehen: Der Romeo rennt da unglaublich viel herum in der Felsenreitschule, turnt hinauf und hinunter. Ich habe damals vor Beginn der Proben wirklich 20 Kilo abgenommen.“

Solche Konzessionen macht er schon einmal aus künstlerischen Gründen. Aber Regisseure müssen einem Piotr Beczała genau erklären können, warum sie was von ihm verlangen. „Da hat sich mit der Zeit allerhand geändert. Ich weiß natürlich, dass ein Jussi Björling einst noch erklärt hat, er sei hier als Tenor und nicht als Tänzer engagiert. Zu viel Bewegung würde den Gesang beeinträchtigen.“

Die heutige Sängerprominenz ist da entgegenkommender. Aber es gibt – auch in Geschmacksfragen – Grenzen, die Beczała nicht überschreiten würde. „Man muss das Recht haben mitzureden. Wir Sänger sind ja keine Marionetten. Ich bin kein Feind moderner Inszenierungen, aber es muss gut begründet sein, wenn man ein bisschen weiter gehen soll als sonst.“


Grenzgänge. Ein bisschen weiter gegangen ist Beczała jüngst vokal: Unter Christian Thielemann sang er an Anna Netrebkos Seite in Dresden den Lohengrin. Und das war nach übereinstimmender Ansicht aller Kommentatoren eine Sensation. „Seither habe ich natürlich viele Anfragen bekommen. Das Erste, was sich konkretisiert hat, ist ein Lohengrin in Zürich 2020. Aber vielleicht ergibt sich spontan ja noch etwas zwischendurch. Jetzt, da ich die Rolle sozusagen drinhabe, ist es eine Freude, sie zu singen.“

Wobei Beczała sein Repertoire weiterhin klug mischt. Kommende Spielzeit etwa Donizetti, Massenet, Gounod, Puccini und Verdi sowie ein besonderes Projekt in Zürich, dem einstigen Stammhaus: „Ich habe“, erzählt er, „in Interviews oftgesagt, dass ich gern einmal eine große Operette singen würde. Jetzt hat Intendant Andreas Homoki mir den Sou-Chong angeboten.“ „Das Land des Lächelns“ hat im Juni 2017 unter Fabio Luisi Premiere.

“Faust„

Charles Gounods,,Faust“ hat erstmals bei den Salzburger Festspielen Premiere.

Piotr Beczała singt die Titelpartie in der Inszenierung Reinhard von der Thannens. Maria Agresta ist die Margarethe, Ildar Abdrazakov der Mephisto. Es dirigiert Alejo Pérez.

Premiere im Großen Festspielhaus ist am 10. August, Reprisen finden am 14., 17., 20., 23., 26. und 29. August statt.

Restkarten unter salzburgerfestspiele.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2016)

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